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Hermann-Josef Tenhagen

Clevere Altersvorsorge So sparen Sie bei der Rente 28.000 Euro Steuern

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Wer jahrzehntelang mit Fonds für die Rente gespart hat, kann beim Anteilsverkauf eine böse Überraschung erleben: Dann greift das Finanzamt zu. Mit diesem Trick halten Sie dennoch Ihre Rendite hoch.
Rentnerpaar: Hohe Renditen für den Ruhestand

Rentnerpaar: Hohe Renditen für den Ruhestand

Foto: Karl-Josef Hildenbrand / picture alliance / dpa

Ich erzähle Ihnen seit zehn Jahren, wie attraktiv und gleichzeitig risikoarm es ist, einen Teil des Geldes fürs Alter in Aktienindexfonds anzulegen. Allerdings habe ich selten darüber geschrieben, wie Sie das ersparte Geld und die schöne Rendite dann wieder aus dem Depot bekommen – zum Beispiel im Ruhestand.

Technisch ist das ganz einfach. Sie verkaufen einfach Fondsanteile und überweisen das Geld erst mal wieder auf Ihr Giro- oder Tagesgeldkonto. Das sind ein paar Klicks in Ihrem Onlinedepot.

Wenn da nicht das Finanzamt wäre. Das verlangt nämlich, dass Sie Ihren Gewinn versteuern, wenn Sie verkaufen: Abgeltungsteuer und Soli. Ärgerlich, aber völlig nachvollziehbar aus Sicht unseres Staates. Kindergärten, Schulen, Radwege und Beamte müssen schließlich bezahlt werden.

Dabei nutzt das Finanzamt aber seit 2005 einen Mechanismus, der Ihnen erst mal widersinnig erscheinen dürfte – und der vor allem teuer ist. Wenn Sie einen Fondsanteil eines bestimmten Fonds aus Ihrem Depot verkaufen, dann geht das Finanzamt davon aus, dass Sie denjenigen Anteil verkaufen, den Sie zuerst gekauft haben – womöglich schon vor Jahrzehnten. Bei einem erfolgreichen Aktienindexfonds also den Anteil, der die höchste Rendite gebracht hat. Fifo heißt das Prinzip – und steht für die Regel »First in, first out«. So ist es im einschlägigen Schreiben des Bundesfinanzministeriums geregelt und formuliert .

Für Sie als erfolgreiche, langfristig orientierte Anlegerin oder Anleger heißt das auch, dass Sie relativ viel Steuern auf den verkauften Anteil zahlen müssen. Und: Wenn es Ihnen darum geht, das Geld aus dem Verkauf zur (Mit-)Finanzierung Ihres Ruhestandes zu nutzen, dann müssen Sie Anteile für relativ viel Geld brutto verkaufen, um netto die Summe herauszubekommen, die Sie gerade benötigen.

Wenn Sie Ihr gesamtes Geld aus dem Depot zur Rente auf ein Girokonto einzahlen würden, könnte Ihnen das egal sein – weil Sie dann alle Anteile gleichzeitig verkaufen und die Fifo-Regel nicht greift. Aber Sie wissen ja, wie fast alle Ruheständlerinnen und Ruheständler: Sie werden älter. Und deshalb wollen Sie den Rest des Geldes, den Sie noch nicht sofort benötigen, weiter mit den Anteilen in Ihrem renditestarken Indexfonds stehen lassen.

Wenn Sie wegen der Steuerregel aber mehr als unbedingt nötig entnehmen müssen, bleibt weniger im Depot. Die Folge: Sie haben weniger Anteile, mit denen Sie auch in den kommenden Jahrzehnten Ihres Ruhestandes noch schöne Renditen einfahren könnten.

Warum Fifo ein teurer Spaß des Staates ist

Meinen Kolleginnen und Kollegen bei »Finanztip« haben das Fifo-Modell durchgerechnet und festgestellt, dass die Sichtweise des Finanzamtes Sie als erfolgreichen Sparer am Ende schnell einige Zehntausend Euro kosten kann.

Und sie haben eine Alternativstrategie gefunden .

Wenn Sie das erste Jahrzehnt in den einen Indexfonds eingezahlt haben, die nächsten zehn Jahre in einen anderen Fonds und dann vielleicht die dritten zehn Jahre vor der Rente in einen dritten Fonds einzahlen, dann könnten Sie im Ruhestand für Ihren Geldbedarf zuerst die zuletzt angesparten Fondstitel verkaufen. Die haben bis dahin sehr wahrscheinlich weniger Rendite erwirtschaftet, beim Verkauf müssen Sie bei der gleichen Bruttosumme deshalb weniger Steuern zahlen und kommen mit einer kleineren Bruttosumme bei den Verkäufen aus, um die gleiche benötigte Nettozahlung zu erreichen. Lifo sozusagen, »last in, first out«. In dem Modell haben die Kollegen angenommen, dass Sie mit 67 Jahren für die ersten zehn Jahre 180.000 Euro netto aus dem Depot nehmen, um damit wesentliche Teile ihres Lebensstandards zu bestreiten. (Da die Rechnung auf den ersten Blick schon kompliziert genug aussieht, sind wir übrigens davon ausgegangen, dass Sie tatsächlich nur alle zehn Jahre einen großen Batzen einzahlen beziehungsweise später entnehmen.)

So bleibt mehr Geld im Depot stehen und kann weiter ordentliche Renditen erwirtschaften. Sieben bis neun Prozent Rendite waren in den vergangenen Jahrzehnten im Schnitt üblich. Ich habe in dem Modell eine Rendite von sieben Prozent pro Jahr angenommen .

Lifo lohnt sich

In dem Beispiel, das wir bei »Finanztip« 3×10-Rechnung nennen, haben Sie mit 37 Jahren rund 36.000 Euro für das Depot angespart, mit 47 noch mal rund 48.000 Euro für den zweiten Fonds und mit 57 nochmals 60.000 Euro in einem dritten Indexfonds. Im Prinzip könnten alle drei Fonds dem gleichen Index folgen. Wichtig ist nur, dass es unterschiedliche Fonds mit einer separaten Kennnummer sind. Das führt dazu, dass Sie in Ihrem Depot in unterschiedlichen Zeilen auftauchen und damit auch gezielt verkauft werden können.

Oder Sie besparen die Fonds jeweils in einem anderen Depot bei einer anderen Bank. Dann könnte es sogar derselbe Indexfonds sein.

Mit 77 können Sie in dem Modell noch einmal netto 300.000 Euro entnehmen – für 2500 Euro Zusatzrente im Monat. Und mit 87 dann ein weiteres Mal netto 420.000 Euro, für 3500 Euro Zusatzrente. Pflege kann ja teuer sein. Das ist nur möglich, weil sich der Restbestand im Depot immer noch mit sieben Prozent im Jahr verzinst und so schnell wieder aufwächst.

In der Modellrechnung 3×10 von »Finanztip« haben Sie am Schluss 28.000 Euro mehr netto auf dem Depot als ohne Lifo .

Lifo für Langjährige

Sie könnten mir jetzt vorwerfen: »Das erzählen Sie mir ziemlich spät. Ich habe doch schon mein gesamtes Geld in einen erfolgreichen Indexfonds gesteckt und gehe demnächst in Rente. Solche Ätsch-Tipps brauche ich nicht!«

Tatsächlich können auch Sie als ältere Sparerin den Lifo-Kniff noch für sich nutzbar machen. Das geht verblüffend einfach, Sie brauchen nur ein zweites Depot. Und gute Depots gibt es bei etlichen Anbietern inzwischen kostenlos .

Sie übertragen einen größeren Teil Ihrer Fondsanteile einfach auf Ihr neues, zweites Depot. Wegen der gesetzlichen Grundregeln werden auch hier automatisch die älteren Anteile übertragen. Wenn Sie dann Anteile aus Ihrem ersten Depot zu Geld machen, werden so automatisch nur die jüngeren Anteile verkauft. Die älteren sind ja im zweiten. Und Sie erzielen den gleichen Steuereffekt. Sie behalten erst mal mehr Anteile im Depot, die in den kommenden Jahrzehnten munter weiter Rendite abwerfen können.

Ist Ihr erstes Depot fast leer, können Sie die ältesten Anteile aus Ihrem zweiten Depot wieder in das erste Depot verschieben und im nächsten Schritt wieder nur die jüngeren Anteile aus dem zweiten Depot verkaufen. Mit dem schönen Effekt, dass Sie auch hier weniger brutto verkaufen müssen, um die gewünschte Nettosumme übrig zu behalten. So bleiben wieder mehr Anteile übrig, die in der Zukunft weiter Rendite einbringen können. Wie das geht, sehen Sie hier .

Haben Sie das Zweitdepot bei einem anderen Broker angelegt, kann die Übertragung ein paar Wochen dauern – mit allem Drum und Dran, und weil Sie die Übertragungsdaten für die Steuer kontrollieren sollten. Einfacher ist das Zweitdepot beim selben Anbieter. Hier dauert der Übertrag in der Regel wenige Minuten, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass Steuerdaten verloren gehen. Bei ING, Consorsbank, 1822direkt, Comdirect und Flatex können Sie z. B. solche Zweitdepots einrichten.

Das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel können Sie so lange betreiben, wie das Geld reicht. Mit einer sparsamen Auszahlungsstrategie also lebenslänglich.

Jedenfalls so lange die Steuerregeln so bleiben, wie sie jetzt sind.