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Hermann-Josef Tenhagen

Sparen fürs Alter Wann sich eine Lebensversicherung rechnet – und wann nicht

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Lebensversicherungen gehören zu den gängigen Finanzprodukten in Deutschland – doch die Verträge werfen oft wenig ab. Nun hat die Finanzaufsicht genauer hingesehen. Sie sollten das auch tun.
Älteres Paar: Die Produkte müssten »mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielen, die über einer begründeten langfristigen Inflationserwartung liegt«

Älteres Paar: Die Produkte müssten »mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielen, die über einer begründeten langfristigen Inflationserwartung liegt«

Foto: Sebastian Gollnow / dpa

Die Finanzaufsicht BaFin hat sich zuletzt die Lebensversicherer noch mal genauer angesehen. Sie hat angekündigt, wie sie die Aufsicht über die Unternehmen künftig führen will. Kurz und knapp: Versicherer, die bei Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen sehr teuer sind und hohe Provisionen an ihre Vermittler zahlen, müssen mit mehr Aufsicht rechnen. Auch wenn viele Kunden bei einem Unternehmen vorzeitig kündigen, wollen die Aufseher genauer hinsehen.

Erstaunlich ist dabei, wie hoch die jährlichen Kosten der Lebensversicherer selbst nach jahrelanger Kritik immer noch sind . Viele Kunden sollten sich auch bei bestehenden Verträgen nach Alternativen umsehen .

Rendite sollte über der Inflation liegen

Die Ausgangshypothese der Finanzaufsicht hätte ich ihr gar nicht zugetraut: Die Frage, wann eine kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherung mit laufenden Beiträgen einen angemessenen Kundennutzen haben kann, beantwortet die Bafin so: Die Produkte müssten »mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielen, die über einer begründeten langfristigen Inflationserwartung liegt« – und das heißt für die Bafin über zwei Prozent. Von Inflationsraten zwischen fünf und zehn Prozent war an der Stelle noch gar nicht die Rede.

Gleichzeitig hat die Bafin ermittelt, dass die Effektivkosten 2021 jährlich im Schnitt bei 1,64 Prozent lagen, ein Viertel der Versicherer rechnete Kosten von 2,35 Prozent oder mehr ab. Bei etlichen Produkten lagen die Kosten sogar über vier Prozent – im Jahr. Da reicht selbst eine gute Rendite von fünf Prozent nicht mehr aus, damit sich solch ein Vertrag angesichts der Inflation lohnt.

Und selbst mit niedrigen Kosten kommt eine lang laufende Lebensversicherung erst bei einer Annahme von optimistischen acht Prozent Rendite an die Wertentwicklung eines simplen ETF-Depots heran.

Noch schwieriger wird die Situation der Kunden aus Sicht der Bafin, weil ein erheblicher Teil von ihnen vielleicht geplant hatte, 30 Jahre in die Lebensversicherung einzuzahlen, das aber nicht durchhält. Bei fondsgestützten Versicherungen lagen die durchschnittlichen jährlichen Kündigungsquoten (im Fachjargon Storno) sogar in den ausgezeichneten Börsenjahren 2015 bis 2020 bei 3,7 Prozent. Von hundert Kunden, die mal zu sparen begonnen haben, sind bei einem solchen Verlauf nach 30 Jahren weniger als ein Drittel übrig. Der Rest ist vorher abgesprungen. Und das wirkt sich katastrophal auf die Rendite einer solchen Altersvorsorge aus.

Die Behörde rechnet vor: Wer in den ersten fünf Jahren gekündigt hat, hätte wegen der hohen Abschluss- und Vertriebskosten deutlich Minus gemacht. Im besten Fall – wenn die Geldanleger im Versicherungskonzern einen guten Job gemacht und acht Prozent Rendite erwirtschaftet haben – »nur« 3,5 Prozent Verlust im Jahr. Im schlechtesten Fall sogar elf Prozent Minus. So derbe schlagen die Kosten ins Kontor.

Kein Verbot, aber mehr Kontrolle, wenn es besonders schlecht läuft

Die Bafin will solche kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukte dennoch nicht verbieten. Auch die hohen Provisionen möchte sie nicht per se untersagen. Sie kündigt im Entwurf ihres Merkblatts nur an, die Versicherer mit besonders hohen Kosten im Rahmen einer »risikobasierten Aufsicht« öfter und intensiver zu untersuchen. Kontrolle nach Risikoprofil, das machen andere Behörden auch. Landwirte etwa werden von Amtstierärzten deutlich häufiger kontrolliert, wenn sie pro Tier im Stall besonders viele Antibiotika einsetzen .

Dreizehn Verbände und Unternehmen haben in den vergangenen Wochen zu den Plänen der Finanzaufsicht Stellung genommen. Wie nicht anders zu erwarten, sind sie dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) zu scharf und dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) deutlich zu lax.

Interessant sind die Argumente der Interessenvertreter durchaus. Der GDV findet im Prinzip die risikobasierte Kontrolle in Ordnung, aber ein oder fünf Prozent der Versicherer häufiger zu kontrollieren, reiche doch auch. Es müssten nicht gleich 25 Prozent sein .

Außerdem dürfe man das mit dem mangelhaften Nutzen der Lebensversicherungen wegen fehlender Renditen nicht so streng sehen. Eine Renditeerwartung oberhalb der Inflationsrate könne nicht allein ausschlaggebend für den Abschluss einer Lebensversicherung sein. Ein »absolutes Erfordernis, die Inflation im Mittel zu schlagen, würde bedeuten, dass für [Kundinnen und Kunden mit geringen Finanzmitteln] keine Produkte konzipiert werden könnten«. Vor allem Riester- und Rürup-Verträge könnten doch nicht allein mit einem solchen Anlageziel kontrolliert werden.

Moment – noch mal langsam. Das bedeutet also: Ärmere Leute mit geringen Sparraten legen bei Lebens- und Rentenversicherungen seit Jahren eigentlich nur drauf und können ihr Geld über diesen Weg nicht vermehren. Dabei ist es gerade für sie essenziell, sinnvolle und kostengünstige Sparverträge zu haben. Doch die Versicherungswirtschaft kann beziehungsweise will offenbar solche Produkte nicht auf den Markt bringen. Ein Armutszeugnis. Das Fehlen eines Provisionsverbots im Entwurf der Bafin versteht der Branchenverband sogar als Bekenntnis der Aufsicht zum Provisionsvertrieb.

Der VZBV wiederum findet, das ganze Provisionssystem gehöre abgeschafft. Es mache die Verträge unnötig teuer und bringe die Kunden um die Rendite, obwohl die Geldanleger bei den Versicherern ganz ordentlich arbeiteten. »Nur ein generelles Verbot von Provisionen kann die Qualität von Finanzprodukten und die Qualität der Finanzberatung ausreichend verbessern«, so die Verbraucherschützer . In den Niederlanden oder in Großbritannien gebe es die Provisionssysteme gar nicht mehr.

Was das für Ihre Lebensversicherung bedeutet

Sie müssen nicht auf die nächsten Schritte der Finanzaufsicht warten, sondern können direkt etwas tun:

  • Schauen Sie auf die jährliche Standmitteilung, die Sie seit einigen Jahren von Ihrem Versicherer geschickt bekommen. Sind die Kosten Ihrer Versicherung im Branchenvergleich besonders hoch und der Vertrag läuft noch nicht so lange (weniger als zehn Jahre), warten Sie nicht auf die Bafin. Beenden Sie den Vertrag mit Schrecken, statt den Schrecken ohne Ende fortzusetzen. Gehen Sie immer davon aus, dass Ihr Vertrag mindestens zwei Prozent Rendite nach Kosten erbringen muss, um die Inflation zu schlagen. Um für die Rentenzeit zu sparen, müssen Sie sich aber dann vor dem Ende des Versicherungsvertrags etwas anderes überlegen, beispielsweise ein günstiges ETF-Depot .

  • Läuft Ihr Vertrag in den nächsten fünf Jahren aus, beißen Sie die Zähne zusammen und halten Sie durch. Sie sollten aber die regelmäßigen Zahlungen nicht erhöhen, denn dafür werden neue Provisionen für den Versicherungsvertrieb fällig, die die Rendite Ihres Vertrags weiter verschlechtern.

  • Können Sie die regelmäßigen Zahlungen für Ihren Vertrag nur schwer oder eigentlich gar nicht stemmen, der Vertrag läuft aber bald aus, dann stellen Sie den Vertrag beitragsfrei.

  • Brauchen Sie dringend Geld, haben Sie die Möglichkeit, entweder eine Summe aus dem Vertragsguthaben zu entnehmen oder sich Ihr eigenes Geld aus dem Vertrag zu leihen . Das kann manchmal sogar günstiger sein als ein Ratenkredit.

  • Wenn es gar nicht anders geht, prüfen Sie eine Kündigung.

Neue Verträge sollten Sie allein als Geldanlage normalerweise nicht abschließen. Anders sieht das nur aus, wenn Ihre Chefin oder Ihr Chef im Rahmen einer betrieblichen Altersvorsorge ordentlich drauflegt – mindestens 25 Prozent .

Oder wenn der Staat (beziehungsweise die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler) im Rahmen einer Riester-Rente Ihren persönlichen Vertrag stark fördern .

Wobei die Aufsicht Bafin diese Verträge natürlich besonders genau ansehen müsste und wenigstens die teuersten Abkassierer komplett aussortieren sollte. Es kann nicht sein, dass die Altersvorsorge von Millionen Bürgerinnen und Bürgern wegen hoher Kosten der Versicherungsindustrie oft unzureichend bleibt. Und wir als Steuerzahler die Verursacher dieser hohen Kosten mit der Gießkanne auch noch subventionieren.