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Streit um Rundfunkgebühren Was hat Käpt'n Silbereisen mit Demokratie zu tun?

Was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr fehlt als Geld, ist eine Antwort auf die Frage, wofür es ihn eigentlich gibt.
Eine Kolumne von Alexander Neubacher
aus DER SPIEGEL 48/2020
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Dirk Bartling/ ZDF/ DPA

Schlechte Nachrichten für ARD und ZDF: Die CDU in Sachsen-Anhalt hat beschlossen, der geplanten Erhöhung der Rundfunkgebühren nicht zuzustimmen. Weil auch die AfD im Land Nein sagen will, könnte die Beitragserhöhung platzen, denn es braucht die Zustimmung aller 16 Länderparlamente.

Nun sollte man bei der CDU zweimal nachdenken, bevor man sich an die Seite der AfD begibt. Wer weiß, wie die Rechtsaußen kritische Medienvertreter behandeln, wird sich über das Meinungsfreiheitsverständnis der AfD keine Illusionen machen. Man möchte auch nicht erleben, was die AfD unter gutem Journalismus versteht. Es reicht schon, sich das Programm von Putins Fake-News-Kanal RT Deutsch anzuschauen, der bei Gauland und Co. so beliebt ist.

TV-Nutzer

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Foto: Caroline Seidel/ picture alliance / dpa

Andererseits haben die öffentlich-rechtlichen Sender viel getan, um den Gegnern einer Beitragserhöhung Argumente zu liefern. Wer wie manche ARD-Sender ihren Chefs das anderthalbfache Gehalt der Bundeskanzlerin zahlt, sich bei einer selbst ernannten Framing-Expertin Nachhilfe in »moralischen Argumenten« holt und, so eine interne Umfrage, unter seinen Volontären rund 80 Prozent Grünen- und Linksparteiwähler hat, darf sich über Kritik nicht wundern.

Zudem ist der Zeitpunkt schlecht gewählt. Das Land ist in der Coronakrise, Millionen haben Angst um ihren Job. Dass die Funktionäre von ARD und ZDF davon sprechen, es gehe ja »nur« um 86 Cent extra pro Monat, zeigt, wie die Maßstäbe verrutschen, wenn man in einer Anstalt und nicht in der Wirtschaft arbeitet. Rund 400 Millionen Euro würde die Beitragserhöhung jedes Jahr zusätzlich in die Kassen der öffentlich-rechtlichen Sender spülen. Das ist mehr Geld, als etwa die »Süddeutsche Zeitung«, die »Frankfurter Allgemeine« oder auch der SPIEGEL in einem Jahr insgesamt einnehmen.

Dokumentationen laufen im Nachtprogrammm, »Katie Fforde« hingegen zur besten Sendezeit.

Als vor bald acht Jahren die GEZ-Gebühr zu einem Zwangsbeitrag für praktisch alle deutschen Haushalte umgewandelt wurde, sprach der heutige WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn von einer »Demokratie-Abgabe«. Das klang edel und half, die umstellungsbedingten Mehreinnahmen zu einer Art Gemeinwohlspende umzuwidmen.

Mein Eindruck allerdings ist, dass der Satz zum Fluch wurde, denn jetzt lastet auf jeder Sendeminute ein Legitimationsdruck. Was haben »Traumschiff«-Kapitän Florian Silbereisen, die »Rosenheim-Cops« oder »Bares für Rares« mit Demokratiebildung zu tun? Warum fließen Abermillionen Beitragsgelder in den Ankauf von Sportrechten, nach denen sich auch die privaten TV-Sender die Finger lecken? Und warum liefen die journalistisch ambitionierten Dokumentationen über Rudi Dutschke, Donald Trump oder Greta Thunberg zuletzt alle im Nachtprogramm, TV-Trash wie »Die Bergretter« und "Katie Fforde" hingegen zur besten Sendezeit?

Was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr fehlt als Geld, ist eine gute Antwort auf die Frage, wofür er es braucht.

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