Frühester Sturm der Kategorie fünf im Atlantik

Hurrikan „Beryl“: Wie konnte er so schnell so gefährlich werden?

Everton Evanks geht durch sein Wohnzimmer, nachdem das Dach seines Hauses von den Winden des Hurrikans „Beryl“ weggeweht wurde.

Everton Evanks geht durch sein Wohnzimmer, nachdem das Dach seines Hauses von den Winden des Hurrikans „Beryl“ weggeweht wurde.

Hurrikan „Beryl“ macht selbst Meteorologinnen und Meteorologen sprachlos: Als er am Montag auf die Grenadinen in der Karibik trifft, hat er schon Windgeschwindigkeiten von 240 Kilometern pro Stunde – doch dann verstärkt er sich noch einmal. Er wird zu einem Hurrikan der Kategorie fünf mit einer Windstärke von mehr als 251 Kilometern pro Stunde. Damit ist „Beryl“ der früheste Sturm der Kategorie fünf, der jemals im Atlantik verzeichnet wurde.

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Die Zerstörungsgewalt des Hurrikans ist gigantisch. Michelle Forbes, Katastrophenschutzdirektorin auf St. Vincent und den Grenadinen, sagte, dass auf zwei Inseln der Gruppe, Mayreau und Union Island, rund 95 Prozent aller Häuser zerstört worden seien. Auf Jamaika stürzten Bäume und Telefonmasten um. Fast eine Viertelmillion Menschen in der Karibik haben mit den Folgen von Hurrikan „Beryl“ zu kämpfen. Mindestens zehn Menschen kamen bislang ums Leben – je drei in Grenada, St. Vincent, den Grenadinen und Venezuela sowie eine Person auf Jamaika.

Wie hat es der Hurrikan geschafft, so schnell so gefährlich zu werden?

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Klimawandel erhöht Hurrikangefahr

Für die US-Klimabehörde NOAA ist „Beryl“ keine Überraschung. Sie hat schon früh vor einer „überdurchschnittlichen“ Hurrikanaktivität für den Zeitraum vom 1. Juni bis 30. November gewarnt. „Beryl“ wird wahrscheinlich nicht der einzige zerstörerische Sturm bleiben: Die NOAA erwartet 17 bis 25 tropische Wirbelstürme mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 119 Kilometern pro Stunde.

Davon könnten acht bis 13 zu Hurrikans heranwachsen, vier bis sieben sogar zu schweren Hurrikans mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 178 Kilometern pro Stunde. Das ist die höchste Zahl von tropischen Wirbelstürmen, die die NOAA je vorausgesagt hat.

Dass die Hurrikansaison dieses Jahr besonders schlimm werden könnte, liegt vor allem am viel zu warmen Atlantik. Die Meerestemperaturen im Nordatlantik haben im vergangenen Jahr neue Rekordwerte erreicht. Und auch jetzt liegen sie noch über dem Durchschnitt: Jüngst hatte das Climate Change Institute der US-amerikanischen University of Maine eine Meeresoberflächentemperatur von 23,4 Grad Celsius gemessen (Stand: 2. Juli).

Eine Ursache für die Hitzewelle im Atlantik ist der Klimawandel. Die weltweiten Ozeane nehmen mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme auf und speichern sie in der Tiefe. Wird es auf der Erde heißer, erwärmen sich auch die Meere. Zuletzt war der Mai der zwölfte Monat in Folge, der wärmer als alle seine gemessenen Vorjahresmonate war. Im Vergleich zum Zeitraum 1850 bis 1900, der vorindustriellen Referenzperiode, war der Mai demnach 1,52 Grad wärmer, wie die Daten des EU-Klimawandeldienstes Copernicus zeigen.

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Experte: „Beryl“ ist zu dieser Jahreszeit untypisch

Die Hitze im Atlantik schafft ideale Bedingungen für Hurrikans und tropische Wirbelstürme – auch für „Beryl“. „Beryl“ sei ein Hurrikan, der eher typisch für die Mitte der Hurrikansaison sei, schreibt Brian Tang, Professor für Atmosphärenwissenschaften an der University at Albany im US-Bundesstaat New York, in einem Beitrag für „The Conversation“. „Seine rasche Verstärkung und Stärke sind wahrscheinlich auf diese ungewöhnlich warmen Gewässer zurückzuführen.“

Die Karte zeigt, mit welcher Stärke und wo der Hurrikan „Beryl“ in den kommenden Tagen weiterziehen wird. Gerade steuert er mit Windgeschwindigkeiten von rund 185 Kilometern pro Stunde auf die mexikanische Halbinsel Yucatán zu.

Die Karte zeigt, mit welcher Stärke und wo der Hurrikan „Beryl“ in den kommenden Tagen weiterziehen wird. Gerade steuert er mit Windgeschwindigkeiten von rund 185 Kilometern pro Stunde auf die mexikanische Halbinsel Yucatán zu.

Denn warmes Wasser verdunstet schneller, die feuchtwarme Luft steigt auf, kühlt in den höheren Luftschichten ab und der Wasserdampf kondensiert. Es entstehen riesige Gewitterwolken. Durch die aufsteigende warme Luft entsteht ein Unterdruck über dem Meer, der weitere warme Luft aus allen Richtungen anzieht.

Wirbelstürme und Hurrikans bilden sich nur in einem gewissen Abstand zum Äquator. Das hängt mit der Corioliskraft zusammen, die durch die Rotation der Erde um ihre eigene Achse entsteht und dafür sorgt, dass die Luftmassen zu rotieren beginnen. Erst ab dem fünften Breitengrad ist die Corioliskraft groß genug, um einen Hurrikan entstehen zu lassen.

Stürme im Atlantik verstärken sich schneller

„Da sich die Ozeane erwärmen und der Wärmeinhalt der Ozeane im Zuge des Klimawandels zunimmt, liegt die Vermutung nahe, dass eine rasche Intensivierung von Hurrikans häufiger vorkommt“, sagt Tang. Es gebe zudem Hinweise darauf, dass sich die Stürme im Atlantik immer häufiger schnell verstärken. Vergleiche man die Hurrikandaten aus den Jahren 1971 bis 1990 mit denen von 2001 bis 2020, zeige sich, dass die Spitzenintensitätsraten von Hurrikans um durchschnittlich 25 bis 30 Prozent gestiegen sind.

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Nicht nur die Meerestemperatur spielt dabei eine Rolle. Zwei andere Faktoren, die über die Stärke von Hurrikans entscheiden, sind die Luftfeuchtigkeit und Winde. Genauer gesagt brauche es eine geringe vertikale Windscherung, erklärt der Forscher. Das heißt: Die Winde, die den Hurrikan steuern, ändern ihre Stärke oder Richtung in der Tiefe des Sturms nur wenig. Wären die Winde zu stark, könnte der Hurrikan seine Stärke nicht halten. Außerdem brauche es für einen starken Hurrikan eine feuchte Atmosphäre, die den Sturm umgibt, mit starken Niederschlägen rund um das sich entwickelnde Auge.

Wenn diese Kombination von Faktoren gegeben ist, könne ein Hurrikan die Energie, die er aus dem Ozean bezieht, effizienter nutzen, um seine Winde anzutreiben, sagt Tang. „Gleichzeitig wird immer mehr Luft in Richtung des Zentrums gezogen, wodurch der Wirbel schnell an Stärke gewinnt, ähnlich wie ein Eiskunstläufer seine Arme nach innen zieht, um sich zu drehen. Die schnelle Verstärkung ist vergleichbar mit einem Eiskunstläufer, der beide Arme schnell und dicht am Körper nach innen zieht.“

Natürliche Hurrikanbarrieren schwinden

Die Modelle zur Vorhersage von Hurrikans würden immer besser darin werden, auch eine rasche Verstärkung im Voraus zu prognostizieren, erklärt Tang. Das könnte viele Todesfälle verhindern. Denn wenn Hurrikans im Zuge des Klimawandels häufiger auftreten und stärker werden, besteht die Gefahr, dass immer mehr Menschen durch das Wetterextrem ums Leben kommen und Eigentum beschädigt wird.

Doch nicht nur verschärft der Klimawandel die Hurrikangefahr, er schwächt auch natürliche Abwehrkräfte. Denn eigentlich verfügen die karibischen Inseln über eines der besten Schutzsysteme der Welt gegen Hurrikans wie „Beryl“. Die Rede ist von Korallenriffen. Die Geflechte am Meeresboden dämpfen Wellen und reduzieren Überschwemmungen. Eine Analyse des US-amerikanischen Pacific Coastal and Marine Science Centers hatte 2019 ergeben, dass Korallenriffe jährlich 18.100 Menschen in den USA vor Überschwemmungen schützen und Sach- und Wirtschaftsschäden im Wert von 1,8 Milliarden US-Dollar verhindern.

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Das Problem ist jedoch: Die viel zu warmen Meere, Überfischung, Krankheiten und Verschmutzungen sorgen dafür, dass immer mehr Korallen sterben. Das schwächt das marine Ökosystem; Lebensräume für Pflanzen, Fische, Schwämme und Krebstiere verschwinden, und gleichzeitig geht ein wichtiger natürlicher Küstenschutz verloren. Dadurch können tropische Wirbelstürme und Hurrikans mehr Wasser ins Landesinnere drücken – zumal durch die höheren Meerestemperaturen auch der Meeresspiegel steigt.

Immer mehr Korallen sterben weltweit. Damit geht ein natürlicher Hurrikanschutz verloren.

Immer mehr Korallen sterben weltweit. Damit geht ein natürlicher Hurrikanschutz verloren.

Hurrikan zieht weiter

Inzwischen steuert „Beryl“ auf die mexikanische Halbinsel Yucatán zu – jetzt deutlich schwächer, mit Windgeschwindigkeiten von 185 Kilometern pro Stunde. Damit ist er zu einem Hurrikan der Kategorie 3 geworden. Und trotzdem sind auch in Mexiko Schäden zu erwarten. Für die am stärksten gefährdeten Gebiete gilt die höchste Warnstufe, wie die örtlichen Behörden mitteilten. Die Gouverneurin des Bundesstaates Quintana Roo, Mara Lezama, rief die Bevölkerung und die Touristen auf, sich in Sicherheit zu bringen. Der internationale Flughafen in Tulum sowie Schulen und archäologische Stätte bleiben geschlossen.

Nach seiner Ankunft an der Ostküste der Halbinsel dürfte der Sturm den Vorhersagen zufolge als Tropensturm abgeschwächt über Land westwärts in Richtung des Meeres im Golf von Mexiko weiterziehen. Am Wochenende wird sich „Beryl“ laut des US-Hurrikanzentrums NHC voraussichtlich wieder als Hurrikan in Richtung Nordosten von Mexiko und dem Süden des US-Bundesstaates Texas bewegen. Die Gefahr ist also noch nicht gebannt.

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RND/mit Material der dpa

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