„Der Tag“ – Morgenlage

Die Nato gegen Wladimir den Schrecklichen

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

manche werden sagen: Amerika passt auf, Europa legt sich schon mal hin – das entspricht ja genau der traditionellen Arbeitsteilung im transatlantischen Bündnis.

In Washington diskutieren heute Abend um 23 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (17 Uhr Ortszeit) die ranghöchsten Vertreterinnen und Vertreter der Nato bei ihrem historischen Gipfel über die ganz großen Fragen dieser Zeit – während die Europäerinnen und Europäer sich wohl in der Tat schon mal Richtung Schlafzimmer orientieren. Doch das sind Äußerlich­keiten, bedingt durch den sechsstündigen Zeitunterschied.

In Wirklichkeit ist das Bündnis in letzter Zeit auf beachtliche Weise enger zusammengerückt: politisch, militärisch, auch emotional.

Die westlichen Rüstungsanstrengungen sind größer denn je. Und der Beitritt Schwedens und Finnlands nach Jahrhunderten der Neutralität verändert viel. Im für die Nato strategisch wichtigen Ostseeraum haben sich seither die Gewichte dauerhaft zuungunsten Russlands verschoben. Die EU setzte zudem ein ganz eigenes Zeichen politischer Festigkeit, indem sie die russlandkritische Kaja Kallas aus Estland zur EU‑Außenbeauftragten machte.

Putin will nicht der Verlierer sein

Wladimir Putin sieht, wenn man auf diese Art Bilanz zieht, wie der Verlierer aus. Das will er natürlich nicht sein. Lieber stiftet er jetzt durch neue grausame Attacken auf zivile Ziele in der Ukraine Verwirrung und Chaos – alles in der Hoffnung, am Ende doch wieder Angst zu schüren und schon deshalb als der Mächtigere zu erscheinen. Wie das Bündnis damit umgeht, beschreiben Kristina Dunz, Sven Christian Schulz, Karl Doemens und Can Merey in einem aktuellen Stimmungsbild.

Gestern sah man vor dem zerschossenen Krankenhaus in Kiew kahlköpfige Kinder, denen die Infusionen für ihre Chemotherapie draußen auf dem Gehweg verabreicht wurden. Manche Beobachter wundern sich noch immer, warum Russland nicht aufhört, Kliniken zu beschießen. Tatsächlich aber gehört dies zur Handschrift Putins, schon seit Beginn des Kriegs. Moskaus Ziel ist nun mal, wie einst in Syrien, die Maximierung menschlichen Leids. Der Bevölkerung soll alle Hoffnung genommen werden, um sie letztlich in die Flucht zu schlagen.

Chemotherapie unter freiem Himmel: Kinder in Kiew nach dem russischen Raketenangriff auf das größte Kinderkrankenhaus der Ukraine.

Chemotherapie unter freiem Himmel: Kinder in Kiew nach dem russischen Raketenangriff auf das größte Kinderkrankenhaus der Ukraine.

Unvergessen ist, wie schon im März 2022 schwere russische Bomber die Geburtsklinik von Mariupol zerstört haben. Unvergessen ist auch, wie der eiskalte Lügner Sergej Lawrow als russischer Außenminister entsprechende Berichte als „Fake News“ abtat.

Schon im ersten Kriegsjahr verwies einer der besten europäischen Kreml-Kenner, der britische Historiker Mark Galeotti, im Gespräch mit dem RND auf „frappierende Parallelen“ zwischen Putin und Iwan dem Schrecklichen: Schon dieser erste Zar Russlands habe nach außen durch pausenlose neue Kriege und nach innen durch ein gruseliges Regime der Angst seine Macht gefestigt.

Wladimir der Schreckliche? Eine Montage aus einer historischen Darstellung Iwans des Schrecklichen mit einem Porträt von Wladimir Putin.

Wladimir der Schreckliche? Eine Montage aus einer historischen Darstellung Iwans des Schrecklichen mit einem Porträt von Wladimir Putin.

Man kann nur hoffen, dass es der Nato gelingt, diesen furchtbaren Irrsinn einzudämmen. In den letzten 75 Jahren immerhin hat niemand gewagt, einen Mitgliedsstaat des westlichen Bündnisses anzugreifen.

Allzu oft wurden in den vergangenen Jahrzehnten Debatten über die Nato missverstanden als etwas rein Militärisches oder Geostrategisches. Wer Russland heute betrachtet, weiß: In Wahrheit ging es immer um mehr – um Freiheit, um Demokratie, vor allem aber um die Würde des Menschen.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in diesen Tag,

Ihr Matthias Koch

 

Der Tag

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Unsere DFB-Reporter berichten in der Kolumne „Euro-Raum“ täglich über ihre skurrilsten Erlebnisse abseits des Platzes. Heute: Roman Gerth.

Schluss. Aus. Vorbei. Die deutschen Fußballer haben Herzogenaurach verlassen, das DFB‑Teamcamp beim Sportartikel­hersteller mit den drei Streifen steht durch das Viertelfinal-K.‑o. jetzt leer. Und zugleich auch unsere fantastische EM‑WG, die meine Kollegen Hendrik Buchheister und Patrick Strasser mit mir mal teilen durften, mal teilen mussten. In Erlangen, gut 15 Autominuten von Trainingsplatz und Medienzentrum entfernt, lag sie in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof der idyllischen fränkischen Studentenstadt. Während gerade Vorberichte, Interviews oder Analysen wahlweise in die Tastatur gehackt oder in die Kamera gesprochen wurden, konnten wir parallel direkt die Fahrpläne der Deutschen Bahn auf der Strecke Erlangen – Nürnberg – München auswendig lernen. Um den meistgehörten Satz der Laut­sprecher­ansage streiten sich in einem engen Rennen „Ankunft auf Gleis …“ und „Heute circa … Minuten später“. Am Frühstückstisch lagen EM‑Sonderhefte, daneben stand ein (leider kaum genutzter Tischkicker), an der Eingangstür hing der für unsere Tipprunde genutzte Spielplan. Gerth vor Buchheister und Strasser – wie vor einigen Wochen lautet so übrigens immer noch die Rangfolge. Das aber nur am Rande.

Weder Tippspiel noch Turnier sind für uns aber ganz vorbei. Zwei Halbfinals und das Endspiel in Berlin stehen noch an. Nur nicht mehr als Trio infernale in Erlangen. Die Nagelsmänner hatten mehr verdient – aber auch wir in dieser WG. Diese Abkürzung bekommt daher nun eine andere Bedeutung: aus Wohn-Gemeinschaft werden Wehmuts-Gedanken.

 

Die Europameisterschaft biegt heute auf die Zielgerade ein. Am Abend (21 Uhr, ZDF und Magenta TV) wird zwischen Spanien und Frankreich der erste Finalist ausgespielt.

 

Wer heute wichtig wird

Im Bundestag will sie bleiben, die Partei will sie wechseln: Melis Sekmen.

Im Bundestag will sie bleiben, die Partei will sie wechseln: Melis Sekmen.

Auf den ersten Blick ist es nur eine kleine politische Personalie. Doch sie steht möglicherweise für einen größeren Trend. Bei den Christdemokraten stimmt heute Abend der Kreisverband Mannheim über den Antrag der bisherigen Grünen-Bundestagsabgeordneten Melis Sekmen (Foto) ab, in die CDU aufgenommen zu werden. Die 30‑Jährige ist nach allem, was man bislang hört, in der Union hochwillkommen. Dort freut man sich, eine weitere Brücke schlagen zu können in Richtung einer Klientel, mit der die CDU sich lange schwertat: jung, weiblich, migrantisch. Sekmen sagt, die Union sei ihr inzwischen auf zwei wichtigen Feldern näher als die Grünen: Wirtschaft und innere Sicherheit. Bei den Grünen zischen Missgünstige hinter vorgehaltener Hand, Sekmen solle ihr Bundestags­mandat niederlegen. Doch eine solche Verpflichtung gibt es nicht.

 

Exklusiv beim RND

Wie die Fußball-EM häusliche Gewalt begünstigt

Frauenrechtsorganisationen warnen: Während Sportgroßevents wie der Fußball-Europameisterschaft steigt die Gewalt gegen Frauen – vor allem, wenn Alkohol im Spiel ist. In Düsseldorf bereitet man sich gar mit Notfallsprechstunden vor.

Private Pflegedienste begrüßen Pläne zur Steuerfreistellung für ausländische Fachkräfte

Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) hat die Pläne der Bundesregierung für Steuer­anreize zugunsten ausländischer Fachkräfte gegen Kritik verteidigt. „Alle Schritte, um internationale Kräfte zu einer Tätigkeit in Deutschland zu motivieren, begrüßen wir“, sagte bpa-Präsident Bernd Meurer dem RND. Zugewanderte Kräfte hätten in der Phase des Ankommens viele zusätzliche Kosten. „Wenn dieser Aufwand durch eine entsprechende Steuererleichterung ausgeglichen wird, ist das auch den inländischen Kolleginnen und Kollegen gut zu erklären“, so Meurer.

Grüner Haushalts- und Verteidigungsexperte kündigt Nachbesserungen für Bundeswehr an

Mit Blick auf die Haushaltsverhandlungen im Bundestag hat der Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer, der auch Vizechef des Bundestagsgremiums für das Bundeswehr-Sonder­vermögen ist, Nachbesserungen bei den Verteidigungsausgaben angekündigt. Zwar sei Kompromiss der Ampelspitzen eine „ordentliche Arbeitsgrundlage für die Haushalts­verhandlungen im Parlament“, sagte Schäfer dem RND. „Wie immer wird es aber zahlreiche und auch wesentliche Änderungen geben. Gerade in der Sicherheits- und Verteidigungs­politik gibt es große Notwendigkeiten, die wir im parlamentarischen Verfahren berücksichtigen werden“, so der Grüne.

 

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