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Wirtschaft Vom Fielmann-Jäger zum Gejagten

Schicksalstage bei Mister Spex

Redakteur Wirtschaft & Innovation
Börsenstart des Berliner Online-Optikers Mister Spex Börsenstart des Berliner Online-Optikers Mister Spex
Quelle: picture alliance/dpa/Frank Rumpenhorst
Eine Gruppe von sogenannten Aktionärsaktivisten will einen Kurswechsel bei der strauchelnden Optikerkette Mister Spex erzwingen. Unter den Investoren sind bekannte Namen. Einer von ihnen warnt bereits vor Pleite und Jobverlusten.
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Auf der Ottenser Hauptstraße in Hamburg ist der Kampf bereits entschieden. Die Optikerkette Fielmann hat ihre Filiale in der Einkaufsstraße vor wenigen Monaten ausgebaut. Es gibt nicht nur mehr Platz für Brillen, sondern auch Räume zur Kontaktlinsenanpassung, in die Etage darüber ist ein Augenarzt gezogen. Direkt gegenüber steht dagegen ein Ladenlokal leer. Nur die Reste einer Leuchtreklame erinnern daran, dass hier bis vor einigen Wochen ein selbst ernannter Fielmann-Jäger aktiv war: Mister Spex hat den Laden geschlossen.

Nicht nur in Hamburg-Ottensen sieht es für Mister Spex, 2007 in Berlin von dem Ex-Unternehmensberater Dirk Graber als Online-Optiker gegründet, düster aus. Die Aktie hat seit dem Börsengang vor knapp drei Jahren satte 88 Prozent an Wert verloren. Mister Spex schreibt bis heute hohe Verluste, zugleich hakt es bei der versprochenen Expansion ins Ausland.

Aus dem Unternehmen, das mit digitaler Technik den Platzhirsch Fielmann das Fürchten lehren wollte, ist selbst ein Gejagter geworden: In den vergangenen Wochen haben eine Reihe von Investoren den niedrigen Börsenkurs genutzt, um Aktienpakte zusammenzukaufen.

Kurz vor der Hauptversammlung am 7. Juni kommen sie aus der Deckung: Sie verlangen einen Strategiewechsel, neue Aufsichtsräte und geringere Boni für den Vorstand. „Herr Graber befindet sich in seiner eigenen Blase, ist fernab der operativen Wirklichkeit. Der Karren steckt im Dreck, es bedarf einer Grundreinigung und -reparatur, angeführt von klugen Köpfen mit klaren Zielen und dem Mut, Fehler einzugestehen und die Strategie schnell zu ändern“, sagt der Anführer der Aktivisten, Sascha Magsamen, WELT AM SONNTAG.

Der Ex-Journalist ist über sein Unternehmen Private Values Media an mehreren Firmen beteiligt und ist Eigner der Börsenzeitschrift „Nebenwerte Journal“. „Ohne gravierende Änderungen werden die Mitarbeiter ihren Arbeitgeber verlieren, und das Unternehmen wird in die Zahlungsunfähigkeit schlittern. Es ist höchste Zeit gegenzusteuern“, beschwört Magsamen ein Extremszenario.

Es ist ein typisches Vorgehen, wie es sogenannte Aktionärsaktivisten praktizieren. Zuletzt erzwang etwa der US-Investor Nelson Peltz bei Unilever einen Chef-Wechsel und eine neue Strategie, die auch die Abspaltung der Eissparte Langnese vorsieht. Die Hoffnung der Aktivisten ist, mit solchen Aktionen den Börsenkurs zu heben – und so mittelfristig Kasse zu machen.

Quelle: Infografik WELT

Während bei Weltkonzernen wie Unilever oft Milliardensummen nötig sind, um ausreichend Druck aufzubauen, sind etliche deutsche Unternehmen verwundbarer. Gerade junge Firmen, die wie Mister Spex erst kurz vor der Zinswende 2022 an die Börse gingen, sind nach Kurseinbrüchen noch immer sehr wenig wert.

Beim Berliner Lieferkonzern Delivery Hero etwa, dessen Aktienkurs sich seit 2021 geviertelt hat, stieg im Frühjahr der australische Aktivist Sachem Head Capital Management ein – und dürfte so den jüngsten Verkauf von Teilen des Asien-Geschäfts beschleunigt haben.

Mister Spex ist noch deutlich kleiner: Den Optiker bewertet die Börse gerade einmal mit gut 100 Millionen Euro. Davon halten die Aktivisten zusammen rund 25 Prozent. Da ein weiteres knappes Viertel der Aktien bei Kleinaktionären liegt, könnten sie bei der Hauptversammlung zumindest theoretisch Mehrheiten gegen die Altaktionäre wie den italienischen Optik-Konzern Essilor Luxottica und den Finanzinvestor Scottish Equity Partners erreichen.

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Bekanntester Angreifer ist der Vermögensverwalter Paladin aus dem Reich des AWD-Gründers und „Höhle-der-Löwen“-Investors Carsten Maschmeyer und seines Sohns Marcel. Deren Vertreter gibt sich gemäßigt: „Wir möchten uns als Aktionär konstruktiv einbringen“, sagt Paladin-Chef Matthias Kurzrock. Die Optikerkette sei grundsätzlich gut positioniert, brauche aber Korrekturen auf dem Weg zu positiven Cash-Flows.

Weitere Mitstreiter sind der Schweizer Fondsmanager Quero Capital und die Düsseldorfer The Platform Group des Unternehmers Dominik Benner, die Webshops wie Schuhe24 betreibt. Benner wünscht sich eine Annäherung an sein eigenes Geschäftsmodell und ist nach Gesprächen mit Vorstand und Aufsichtsrat frustriert. „Wir glauben, dass Mister Spex sich als Plattform sehr positiv entwickeln könnte. Es ist jedoch keine Plattformstrategie gewünscht“, sagt er.

Mit Anträgen auf der Hauptversammlung bauen die Aktivisten nun Druck auf. Sie fordern unter anderem den Austausch von drei Mitgliedern des Aufsichtsrats. Dafür wollen Benner und Magsamen selbst in den Aufsichtsrat einziehen.

Die Boni der Mister-Spex-Vorstände

Zudem fordern sie eine umfangreiche Sonderprüfung. Dabei soll unter anderem festgestellt werden, ob die Abwertung der Auslandstöchter korrekt erfolgt ist, ob Interessenkonflikte im Aufsichtsrat bestehen und ob das Filialnetz überdimensioniert ist, um das Wachstum zulasten der Gewinne zu treiben. Zudem wollen die Aktivisten erreichen, dass der Bonus der Vorstände gekürzt wird.

Dieser sei falsch berechnet worden, vermuten sie. Ein Unternehmenssprecher teilte mit, Mister Spex nehme die Anträge zur Kenntnis: „Wie andere Unternehmen auch stehen wir mit einigen unserer Aktionäre kontinuierlich im Austausch, um etwa Strategien oder Einschätzungen zu erläutern.“

Mister Spex bietet den Angreifern offene Flanken. Das liegt auch an der Geschichte des Unternehmens. Die ursprüngliche Idee von Gründer und Vorstandschef Dirk Graber war, Mister Spex mithilfe von Risikokapitalgebern schnell zu einem führenden Online-Optiker auszubauen.

Allerdings zeigte sich in den ersten Jahren nach der Gründung, dass der Online-Brillenmarkt längst nicht so rasant wuchs wie von Graber und Konkurrenten wie Brillen.de angenommen. Brillen-Käufer suchen weiter die Beratung und den Sehtest vor Ort, während der Marktführer Fielmann schrittweise selbst in das Online-Geschäft einstieg.

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Ausweg für die Mister-Spex-Investoren war der Aufbau eines eigenen Ladennetzes. Gut 70 Filialen sind es derzeit, über 100 sollten es einmal werden. Grabers Idee dahinter: Wer einmal im Laden beraten worden ist, würde künftig neue Brillen auch online kaufen. Die Filialen sollten also Verkaufsstelle und Marketing-Kanal zugleich sein.

Doch bislang geht das Konzept wirtschaftlich kaum auf. Unter dem Strich stieg der Verlust 2023 auf 48 Millionen Euro bei 224 Millionen Euro Umsatz. Beide Kennzahlen wuchsen im Vergleich zum Vorjahr im Gleichschritt um jeweils sechs Prozent. Ein Grund für die höheren Verluste waren Abschreibungen auf zugekaufte Unternehmen. Denn vor allem im Ausland geht das Wachstum nicht wie einst erwartet voran.

Um noch höhere Verluste zu vermeiden, hat Graber zudem Marketing-Ausgaben nach Deutschland verlagert und einige Läden geschlossen – darunter denjenigen in Hamburg-Ottensen. Er rechnet für die Börsen-Präsentationen einige Kosten heraus: Operativ und vor Abschreibungen, in Finanzkreisen „bereinigtes Ebitda“ genannt, stehe Mister Spex nahe an der Profitabilität, prognostiziert das Unternehmen.

Die professionellen Beobachter sind skeptisch. Zu einem kritischen Blick auf die Strategie raten den Anlegern etwa die Analysten von Oddo BHF. „Der schrittweise Weg zu signifikanten Gewinnen – der aus unserer Sicht einen deutlichen Sprung bei der Unternehmensgröße erfordern würde – ist derzeit nicht gesichert“, warnen sie. Etwas optimistischer sind die Experten der Quirin-Bank. Sie loben erste Resultate von Grabers Effizienzprogramm, das in bestem Berater-Deutsch „Lean 4 Leverage“ heißt (in etwa: „Schlank für Hebelwirkung“).

Aufsichtsratsmitglied Tobias Krauss, der den Hamburger Investor Albert Büll vertritt, kann mit dem aktuellen Aktienkurs ebenfalls nicht zufrieden sein. Seit dem Einstieg des Investors kurz vor dem Börsengang hat sich der Wert des Unternehmens gedrittelt. Dennoch setzt er auf einen weniger radikalen Kurswechsel – und ist optimistisch, den Angriff der Aktivisten zusammen mit anderen Altaktionären in der Hauptversammlung abschmettern zu können.

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Er will zudem weitere Aktien kaufen. Denn aus seiner Sicht sind sinnvolle Veränderungen längst angestoßen: So hat zum Jahreswechsel der langjährige Co-Vorstandschef Mirko Caspar das Unternehmen verlassen. Zudem sollen der frühere Hugo-Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs und der frühere Adidas-Vorstand Gil Steyaert den Aufsichtsrat verstärken.

„Mister Spex wird deutlich in die weitere Stärkung der Marke investieren. Bei jüngeren, aber preissensiblen Zielgruppen sind wir schon sehr stark, jetzt wollen wir auch etwas ältere Kunden erreichen“, sagt Krauss. Das könnte etwa dabei helfen, mehr teure Gleitsichtbrillen zu verkaufen. „Wir sind bislang mit der operativen Performance nicht zufrieden. Manches ging auch zu langsam. Aber wir haben zusammen mit dem Vorstand einen Plan, das zu ändern – und wir sind sehr zuversichtlich“, sagt er.

Den aktivistischen Aktionären reicht diese Strategiekorrektur nicht. Die Schlacht um die Zukunft von Mister Spex ist eröffnet.

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