Erdbeeren scheinen jedes Jahr teurer zu werden. Stimmt gar nicht, sagt Robert Dahl. Er führt in dritter Generation den Familienbetrieb Karls Erdbeerhof.
Mit sechs Erlebnisdörfern, kleinen Freizeitparks rund um die Erdbeere, ist der Landwirtschaftsbetrieb für Familien in der nördlichen Hälfte Deutschlands eine echte Institution. Dazu kommen 400 Stände in der typischen Erdbeer-Form. Kern des Unternehmens bleibt jedoch der Erdbeeranbau.
WELT: Endlich ist wieder Erdbeerzeit. Aber an ihren Ständen sind die Preise dieses Jahr ja ganz schön happig.
Robert Dahl: Wenn Sie bedenken, dass wir erst Mitte Mai haben, finde ich das überhaupt nicht. Aktuell kosten bei uns 750 Gramm 7,90 Euro. Das ist weniger als zum gleichen Zeitpunkt in den vergangenen drei Jahren. Denn durch das schöne Wetter ernten wir bereits jetzt ungewöhnlich viel. Ab dem 15. Mai kostet ein Kilo nur noch 8,90 Euro. Das hat es lange nicht mehr gegeben. Sie dürfen nicht den niedrigsten Preis aus der letzten Hochsaison mit dem aktuellen Preis zu Beginn der Erdbeerperiode vergleichen.
WELT: So richtig günstig ist das trotzdem nicht. Wird es denn noch billiger?
Dahl: Ja, wir ernten ja jetzt jeden Tag mehr. Auch im letzten Jahr sind wir mit steigender Ernte immer günstiger geworden. Unsere Hauptsorten werden normalerweise Mitte Juni reif. Bei dem schönen Wetter dürfte das allerdings schon früher passieren. Vor drei Tagen war ich auf Feldrundfahrt: Da sah es bereits nach dem 1. Juni aus.
WELT: Im Supermarkt sind die Erdbeeren jetzt schon deutlich billiger.
Dahl: Sie können unsere Erdbeeren nicht mit Importerdbeeren vergleichen. In Spanien oder Marokko sind die Produktionsbedingungen völlig andere. Und auch in Süddeutschland ist die Ernte drei bis vier Tage voraus. Deshalb finden Sie deutsche Erdbeeren aus der südlichen Region auch schon zu niedrigeren Preisen. Ich bin aber mit unserer Ernte bislang ziemlich zufrieden. Bald werden wir eher zu viele Erdbeeren gleichzeitig reif haben und wieder in Zwei-Kilo-Körben anbieten müssen. Dann liegt der Kilopreis vielleicht bei 5,90 Euro.
WELT: Gibt es einen Preis, der so hoch liegt, dass die Leute erfahrungsgemäß nicht mehr kaufen?
Dahl: In die Saison starten wir mit 3,30 Euro für 250 Gramm. Das finde ich schon einen enormen Preis. Mehr haben wir uns noch nie getraut. Und das, obwohl unsere Kosten ja ständig steigen. Etwa durch hohe Kosten für Energie oder den Mindestlohn.
WELT: Bundeskanzler Olaf Scholz schlägt vor den Mindestlohn schrittweise auf 15 Euro zu erhöhen. Würde sie das stören?
Dahl: Für mich ist das eine relativ durchsichtige Wahlkampfshow, den Mindestlohn zum zweiten Mal freihändig hochzusetzen. Schon in den letzten Bundestagswahlkampf ist Olaf Scholz ja mit dem Versprechen gegangen, den Mindestlohn unabhängig von der zuständigen Kommission auf zwölf Euro hochzusetzen. Generell bin ich für den Mindestlohn, aber er sollte nicht rein politisch festgesetzt werden.
WELT: Was heißt das für ihre Branche?
Dahl: Gerade sogenannte Sonderkulturen wie Spargel, Blaubeeren oder auch unsere Erdbeeren könnten aus Deutschland vertrieben werden, denn in Europa ist der Mindestlohn kaum irgendwo so hoch. Wir konkurrieren mit Italien und Spanien, dort liegt er wesentlich niedriger – von Marokko gar nicht zu reden.
WELT: Ihre Mitarbeiter sehen das womöglich anders ...
Dahl: Für die Erntehelfer wäre es natürlich schön, wenn der Mindestlohn auf 15 Euro steigt. Aber für die Betriebe ist das schwer zu tragen. Und Sie müssen sehen, dass wir in der Saison beispielsweise viele Studenten beschäftigen. Die Zahlen auf den Saisonlohn gar keine Steuern, sie bekommen also den Mindestlohn brutto für netto. Das ist eine andere Situation als etwa bei einem Industriearbeiter. Überhaupt wäre es doch schade, wenn Erdbeeren aus Deutschland irgendwann unverkäuflich wären und wir nur noch importieren würden.
WELT: Ihre Familie hat es geschafft, mit Erlebnisdörfern, Gastronomie und Übernachtungsmöglichkeiten aus der Erdbeere ein Markenprodukt zu machen. Stehen Sie überhaupt noch im Preiswettbewerb?
Dahl: Ja, allein dass wir beide jetzt über das Thema Preis diskutieren, zeigt doch, wie sehr die Leute darauf schauen. Auch unsere Erdbeeren können wir nicht zu beliebigen Preisen absetzen. Und wir wollen es auch nicht. Wir wollen für alle zugänglich sein. Unsere Erlebnisdörfer bieten freien Eintritt, wir wollen keine Luxus-Marke sein.
WELT: Was tun Sie, um preislich wettbewerbsfähig zu bleiben?
Dahl: Wir investieren in neue Technologien etwa in sogenannten Stellage-Anbau. Diese ermöglichen es als eine Art Hochbeet, dass die Pflücker im Stehen arbeiten können. Das ist wesentlich bequemer und effizienter. Dadurch schafft man mehr Kilo pro Stunde und das hilft uns, den Mindestlohn auch zu erwirtschaften.
WELT: Mit welcher Produktion rechnen Sie in diesem Jahr?
Dahl: Wir peilen 6000 Tonnen Erdbeeren an. Davon verarbeiten wir 1200 Tonnen zu Marmelade. Den Rest versuchen wir, über unsere 400 Stände in sechs Bundesländern zu verkaufen. Was zurück geht, wird zu Erdbeernektar, den wir in unseren Erlebnisdörfern verkaufen.