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Plötzlich lässt Brüssel gegenüber Italien Milde walten

Korrespondent Europäische Wirtschaft
Blick aufs Kolosseum: Bei der Verschuldung kann Brüssel durchaus nachsichtig sein – je nach Regierung Blick aufs Kolosseum: Bei der Verschuldung kann Brüssel durchaus nachsichtig sein – je nach Regierung
Blick aufs Kolosseum: Bei der Verschuldung kann Brüssel durchaus nachsichtig sein – je nach Regierung
Quelle: Getty Images/Alexander Spatari
Voriges Jahr gab es zwischen Rom und Brüssel einen Showdown um den Haushaltsplan Italiens. Der diesjährige Entwurf läuft auf ein ähnlich hohes Defizit hinaus. Doch diesmal bleibt die EU zahm. Ein Lob gibt es auch für Deutschland.

Sogenannte Blaue Briefe aus Brüssel wird es in diesem Jahr nicht geben. Nachdem die EU-Kommission die Haushaltspläne der Euro-Länder geprüft hat, schickt sie zwar Warnungen in Richtung einer Reihe von Hauptstädten wie Rom und Paris. Aber anders als im vergangenen Jahr fordert die EU-Verwaltung diesmal keine Regierung auf, ihre Ausgabenpläne zu überarbeiten.

„Keiner der Haushaltsentwürfe für 2020 weist besonders ernste Abweichungen von den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts auf“, heißt es in der entsprechenden Mitteilung der Kommission. „In einigen Fällen hat die Kommission jedoch Risiken identifiziert, dass die geplanten Veränderungen bei den Ausgaben die Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht erfüllen.“ Es ist eine ernste Ermahnung für die betreffenden Regierungen; mehr aber auch nicht.

Das gilt auch für Italien. Es ist das einzige Land in der Euro-Zone, dessen Staatsschulden im kommenden Jahr steigen werden. Italien ächzt unter einem Schuldenberg, der im vergangenen Jahr knapp 135 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachte und in diesem und dem kommenden Jahr noch anwachsen soll. Nur das Krisenland Griechenland hat eine höhere Verschuldung, baut sie allerdings auch ab.

In dieser Situation will die italienische Regierung aber nicht sparen, sondern neue Schulden machen, um die stagnierende Wirtschaft des Landes anzukurbeln. Laut den Planungen des italienischen Finanzministers wird die Regierung in Rom im kommenden Jahr neue Schulden in Höhe von 2,2 Prozent der Wirtschaftsleistung machen.

Kommission verlangt keine Nachbesserung von Rom

Die Ökonomen der Kommission halten die Annahmen des Finanzministeriums in Rom allerdings für zu optimistisch; sie rechnen mit einem Haushaltsdefizit von 2,3 Prozent und dementsprechend hoher Neuverschuldung. Italiens Schuldenlast würde dadurch im kommenden Jahr auf beinahe 137 Prozent der Wirtschaftsleistung anschwellen. Trotz dieser ungünstigen Entwicklung verzichtet die Kommission darauf, von Rom Nachbesserungen zu verlangen.

Was für ein Kontrast zu dem Kampf, den Brüssel und Rom im vergangenen Jahr um den italienischen Haushalt ausgefochten haben. Damals hatte die Kommission in einem historisch einmaligen Schritt den italienischen Entwurf abgelehnt und zurück nach Rom zur Überarbeitung geschickt. Die EU-Kommission sprach damals von einer „beispiellosen“ Abweichung von den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts, weil die italienische Regierung ein Haushaltsdefizit von 2,4 Prozent eingeplant hatte. Nachdem Rom sich daraufhin geweigert hatte, Ausgaben zu kürzen oder Steuern zu erhöhen, hatte Brüssel schließlich mit einem Defizitverfahren gedroht.

Als der Streit im letzten Jahr ausbrach, regierte in Rom eine dezidiert EU-feindliche Koalition aus linker Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega. Die Stimmung zwischen Brüssel und Rom war schlecht; der Ton rau, ganz besonders beim Thema Migration.

Derlei Drama wollte die EU diesmal vermeiden, um der neuen italienischen Regierung den Rücken zu stärken. In den EU-Institutionen herrscht die Erwartung, dass die Zusammenarbeit mit der neuen Koalition aus Fünf Sternen und den Sozialdemokraten der PD deutlich leichter wird als bisher – oder zumindest angenehmer.

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Acht Staaten riskieren nach Einschätzung der Kommission mit ihren Haushaltsplänen, im kommenden Jahr gegen die Vorgaben des Euro-Stabilitätspakts zu verstoßen. Dazu gehören neben Italien und Frankreich auch Spanien, Belgien, Slowenien, Finnland, die Slowakei und Portugal. Die übrigen Euro-Staaten erfüllten die Vorgaben aller Voraussicht nach – im Falle Estlands und Lettlands mit Einschränkungen.

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„Unter den Haushaltsplänen, die gegen die Vorgaben verstoßen, machen uns diejenigen am meisten Sorgen, wo die Staatsverschuldung hoch ist und nicht schnell genug sinkt“, sagte EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis bei der Vorstellung der Kommissionsposition. Italien gehört mit Belgien, Frankreich und Spanien zu den vier Euro-Mitgliedern mit besonders hohen Staatsschulden. „Diese vier Länder haben die günstigen wirtschaftlichen Zeiten nicht ausreichend genutzt, um ihre öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen“, sagte Dombrovskis.

Auch Portugal und Griechenland seien weiterhin sehr hoch verschuldet, dort würden die Schulden aber sinken. Tatsächlich haben die Kommissions-Experten auch die griechischen Haushaltspläne abgesegnet. Zudem habe die Regierung ihre Reformzusagen bis Mitte 2019 erfüllt. Für Athen sind beide Beurteilungen wichtig, ebnen sie doch den Weg für weitere finanzielle Unterstützung.

In fast allen Ländern des Währungsraums soll der Verschuldungsgrad im kommenden Jahr sinken. Die Verschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung kann dabei durch zwei Effekte zurückgehen: Indem die Wirtschaftsleistung wächst oder indem die Regierungen Haushaltsüberschüsse erzielen und mit den Überschüssen Schulden tilgen.

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Insgesamt scheint die Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone so gut wie praktisch nie zuvor: Zum ersten Mal seit dem Jahr 2002 läuft in der EU kein Defizitverfahren gegen einen Euro-Staat. Vergangenes Jahr hatte mit Spanien das letzte Land seine Neuverschuldung auf ein für die EU-Kommission akzeptables Niveau gebracht. Die Stabilitätskriterien des Währungsraums sehen vor, dass die Mitglieder sich jedes Jahr mit maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung neu verschulden dürfen. Die gesamte Schuldenlast darf nicht höher sein als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Dombrovskis lobte derweil die deutsche Regierung dafür, dass sie im kommenden Jahr mehr Geld ausgeben will. „Es ist beruhigend, dass Euro-Staaten wie Deutschland und die Niederlande ihre finanzpolitischen Spielräume nutzen, um Investitionen zu unterstützen“, sagte er. Sein Kollege, der Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, forderte allerdings beide Länder auf, noch mehr zu investieren.

Die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und viele Ökonomen fordern seit Jahren, dass Deutschland seine gute finanzielle Situation nutzen sollte, um zu investieren und dadurch die Konjunktur in der Euro-Zone zu befeuern. Die Große Koalition will im kommenden Jahr rund 363 Milliarden Euro ausgeben und damit knapp sechs Milliarden mehr als für das laufende Jahr vorgesehen sind.

Die Schuldenquote in der Eurozone verringert sich – aber nicht ausreichend

Die Schuldenquote in der Eurozone hat sich weiter verringert - allerdings weniger stark als angenommen. Nach Angaben des Statistikamts Eurostat ging der Anteil der Staatsschulden an der Wirtschaftsleistung auf 85,9 Prozent zurück. Maximal erlaubt sind nur 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Quelle: WELT

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