Jochen Breyer kündigte den Beitrag mit einem souveränen Grinsen an. „Niclas Füllkrug hat sich gewünscht, dass wir einen Satz von ihm senden. Und diesem Wunsch kommen wir heute nach“, sagte der ZDF-Moderator während der Übertragung im Vorfeld der letzten Gruppenspiele der Gruppe B.
Anschließend wurde der Auszug eines ZDF-Interviews mit dem deutschen Nationalstürmer vom Vorabend nach dem Gruppenfinale gegen die Schweiz eingespielt. „Ich mache mir gar keinen Kopf, weil wir echt gutes Spielermaterial haben. Liebe Grüße an Per Mertesacker und Christoph Kramer“, sagte Füllkrug und lachte.
Der Torschütze des Treffers zum 1:1 reagierte damit auf die Diskussionen, die von einer Aussage Breyers bei der ZDF-Übertragung des Spiels Spanien gegen Italien (1:0) am vergangenen Donnerstag ausgelöst worden waren. Breyer hatte während der Vorberichterstattung Ex-Nationalspieler Mertesacker ermahnt, weil dieser in seiner Analyse der spanischen Mannschaft den Begriff „Spielermaterial“ verwendet hatte. Der ehemalige Nationalspieler sagte, dass die Spanier einen veränderten Stil hätten, „weil sie auch nicht mehr so das Spielermaterial haben, jetzt nur auf Ballbesitz zu gehen“.
Für Breyer Anlass, die Ausführungen seines Experten zu unterbrechen und an Mertesacker und Christoph Kramer folgende Worte zu richten: „Spielermaterial – weil ihr beide den Begriff öfter verwendet: Ich weiß, das wird bei einigen Fans zu Hause kritisch gesehen, weil Menschen kein Material sind. Vielleicht sagen wir einfach in Zukunft Kader oder das Spielerpotenzial.“ Die beiden Weltmeister von 2014 registrierten die Ausführungen mit einem schmallippigen: „Okay“.
Hintergrund: Eine Jury aus sechs Sprachwissenschaftlern hatten im Jahr 2000 das ähnliche Wort „Menschenmaterial“ als Unwort des 20. Jahrhunderts gewählt, da dieses aus ihrer Sicht für eine Tendenz stehe, „Menschen nur noch nach ihrem ,Materialwert‘ einzuschätzen“.
In den sozialen Netzwerken war nach Breyers Intervention eine teils hitzig geführte Debatte darüber entbrannt, ob die Vokabel aus dem Sprachgebrauch gestrichen werden müssen oder nicht. „Niemand muss sich Sorgen machen, dass Chris und Per das Wort nicht mehr verwenden dürfen. Ich bekomme während eines Turniers viele Nachrichten und hatte von mehreren Leuten gehört, dass sie dieses Wort kritisch sehen“, schaltete sich auch Breyer im Gespräch mit „Bild“ ein: „Dieses Feedback versuche ich einfließen zu lassen und wollte das einfach weitergeben.“
Mertesacker und Kramer mit Humor
Das erneuerte Breyer nun in der Sendung am Montagabend und wiederholte seine Aussage noch einmal vor dem ZDF-Publikum. Mehr allerdings nicht. Dass er Mertesacker im Live-TV wie einen ahnungslosen Schuljungen hatte aussehen lassen, blieb unerwähnt. Breyer stellte lediglich fest: „Unser Zuschauer Niclas Füllkrug gibt uns das Feedback, dass der Begriff völlig okay ist.“
Dann kam Mertesacker selbst zu Wort: „Ich mag Fülle nicht nur, weil er Hannoveraner ist und weil er zu meinem Abschiedsspiel gekommen ist. Sondern auch, dass wir immer verbal Doppelpässe spielen können. Dass er sich an unserer Diskussion beteiligt, finde ich sehr gut“, sagte Mertesacker weiter, was angesichts der Meinung Füllkrugs auch nicht verwunderte.
Auch Kramer, wie Mertesacker Experte im ZDF, durfte sich dazu äußern: „Ich folge ihm seit neulich bei Instagram, finde ihn sympathisch. Und er hat auch Geschmack bei TV-Sendungen. Guter Mann.“
Der Tenor (und wohl auch die Absicht des ZDF) war eindeutig: „Spielermaterial“ ist als Begriff nun wohl doch nicht auf den Index geraten. Nur dass Breyer es nicht selbst sagte, sondern seine Fußball-Experten sprechen ließ.
Der Moderator fasste abschließend lediglich zusammen: „Wir halten fest: Es gibt Menschen, die stoßen sich an dem Begriff, es gibt auch sehr viele, die sich nicht daran stoßen. Und ganz wichtig ist eben auch die Info, dass diejenigen, um die es ja geht bei dem Begriff, eben die Spieler, sich nicht daran stoßen. Und deswegen …“, sagte er, und an dieser Stelle hätte von der Person, die die ganze Debatte begonnen hatte, ein Zurückrudern, vielleicht sogar eine Entschuldigung oder zumindest ein wenig Reue wunderbar gepasst.
Stattdessen aber schloss er mit folgenden Worten: „Von dieser Stelle viele Grüße nach Herzogenaurach, lieber Niclas. Wir haben ja auch heute Kontakt über Instagram gehabt. Der Wunsch, das zu senden, ist hiermit erfüllt worden.“
Man kann das souverän nennen, oder auch uneinsichtig. Gut in jedem Fall, dass die Maßregelung noch einmal thematisiert wurde. Letztlich war es Füllkrug, der mit seinem Charme am ZDF-Mikro die Schärfe aus der Diskussion nahm und Breyer und dem ZDF einen galanten Weg aufzeigte, die unnötige Diskussion wieder einzufangen und sich in den Gesprächen nun wieder auf das konzentrieren zu können, was in diesen Tagen wirklich wichtig ist: die Europameisterschaft, den Fußball, die Mannschaften und deren Spielermaterial.
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