Üblicherweise geht es im traditionellen London very british zu. Zurückhaltend, ruhig, viel Understatement, viel altes Geld, ein hoher Altersdurchschnitt und auch ein wenig schlafmützig. Im „Four Seasons Hotel London“ im Stadtteil Mayfair etwa zelebriert man gern den Nachmittagstee mit delikater Erdbeer-Eukalyptus-Tarte, mit Afternoon Tea, Sandwiches und Scones. In der Außenbar „Twilight Terrace“ werden Hummer aus Cornwall und ein Mayfair-Royale-Cocktail als Sundowner serviert, der mit viel Gin und Champagner für die nötige Bettschwere sorgt. Gegen Mitternacht schließt die Bar, die Gäste ziehen sich zurück und das Pianoklimpern verstummt.
Doch in diesem Sommer wird alles anders. London dreht richtig auf, und auch die Luxushotellerie zieht mit. Deren Gäste zieht es natürlich zu den klassischen Sommerkonzerten in den Parks, die traditionell mit der „Last Night of The Proms“ im September enden. Aber nicht nur: Auch mehr als 100.000 Popmusik-Fans sind demnächst Richtung britische Hauptstadt unterwegs, die jungen „Swifties“. Sie besuchen die acht Londoner Taylor-Swift-Konzerte im Juni und August.
Viele von ihnen kommen extra aus Übersee angereist, vor allem aus den USA und Kanada. Denn für den Preis einer guten Konzertkarte von Superstars, für die man in Nordamerika 2000 Dollar und mehr hinblättert, kann man sich locker einen Europa-Trip mit Flug, Übernachtungen und Ticket leisten. Gig Tripping wird diese Reiseform genannt, bei der man den Urlaub um ein Konzert-Event herum plant.
Nach dem Konzert Karaoke im Hotel
Von diesem Kuchen will sich auch das altehrwürdige „Four Seasons London“ ein Stück abschneiden. Das Nobelhotel setzt in diesem Sommer bewusst auf diese fröhliche und junge Gästeschar. Es bietet erstmals besondere „Gig-Tripping-Pakete“ an – auch auf die Gefahr hin, dass ältere Stammgäste angesichts der neuen Hotelkundschaft vielleicht die eine oder andere Augenbraue hochziehen und die Stirn runzeln, sofern es das untergespritzte Botox noch erlaubt.
Demnächst wird schon beim Einchecken geträllert, gesummt und viel gelacht. Man hört lautstark „Summer Boy“ zum Mittanzen statt die übliche gedämpfte Salonmusik. Der Altersdurchschnitt sinkt abrupt, und zur Begrüßung gibt es einen „Glitter Groove“-Cocktail. Verteilt werden Bastelsets für Freundschaftsbänder, Tragetaschen und Handy-Ladegeräte für das Konzert, selbstverständlich auch glitzernd und in Pink.
Für noch mehr Spaß sorgen Karaoke-Maschinen auf den Zimmern, mit denen die jungen Gäste ihre Lieblingssongs nachschmettern und Mitsing-Sessions veranstalten können. Das hat es in diesem Traditionshotel noch nie gegeben. Es preist das Package an als „perfekte Möglichkeit, sich für das Konzert aufzuwärmen oder nach der Show zu entspannen“.
Endlich mal Stimmung im vornehmen Mayfair. Falls der eine oder andere Gast sich über die Nachtruhe Sorgen macht: Alle Zimmer sind schallgedämpft. Und falls doch die Wände wackeln, kann man ja eine Arie aus „The Last Night of the Proms“ zurückschmettern.