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  4. Luxus auf Sylt: Auf der Nordsee-Insel zeigt man seinen Reichtum nicht

Nordsee Luxusinsel

„Typisches Sylt-Outfit kommt ohne Bling-Bling aus“

Über eine Million Menschen strömen jährlich auf die Lieblingssandbank der Deutschen, einige bleiben und führen ein Luxusleben zwischen Strand und Champagnerparty. Doch auch die Sylter High Society hat ihre Probleme, wie ein Inselkenner weiß.
Reiseredakteurin
Wenn die Sonne untergeht, leuchtet das Rote Kliff bei Kampen auf Sylt Wenn die Sonne untergeht, leuchtet das Rote Kliff bei Kampen auf Sylt
Wenn die Sonne untergeht, leuchtet das Rote Kliff bei Kampen auf Sylt
Quelle: pa/Zoonar/Thorsten Schier

Was für die Amerikaner Long Island ist, ist für die Deutschen Sylt – Inbegriff für Reichtum und Luxus. Auf der Insel sind die Grundstückspreise so hoch wie fast nirgendwo sonst in Europa. „In Kampen kostet ein Haus in Wattenmeerlage bereits über dreißig Millionen Euro“, sagt Eric Weißmann.

Der 35-Jährige weiß, wovon er spricht. Seit über zehn Jahren arbeitet er als Immobilienmakler auf der Insel. In seinem gerade erschienenen Buch gewährt er tiefe Einblicke in die Welt der Schönen und Reichen. Wir sprachen mit ihm über russische Oligarchen und warum sie nicht nach Sylt kommen, über strengen Naturschutz, nervige Bauvorschriften – und über skurrile Ferienjobs.

WELT: Warum lautet der Titel Ihres Buches „Aber bitte mit Reet“?

Eric Weißmann: Ganz einfach, damit habe ich den am häufigsten geäußerten Wunsch der Sylt-Liebhaber aufgegriffen.

WELT: Reet ist schön, aber eine Dachterrasse doch viel praktischer zum Sonnen, Feiern, Ausschau halten?

Weißmann: Lassen Sie mich raten, Sie wohnen in Berlin? Da ist es vielleicht cool, über den Dächern der Stadt zu feiern, weniger Lärm, weniger Smog und so. Doch Sylt ist eine andere Welt, die ist noch in Ordnung und dort haben Häuser eben richtige Dächer, die eben im besten Fall aus Reet sind. Darauf legen nicht nur Einheimische, sondern besonders die zugezogenen Insulaner allerhöchsten Wert.

Sylt: Häuser mit Reetdach sind sowohl bei Einheimischen als auch bei zugezogenen Insulanern beliebt
Häuser mit Reetdach sind sowohl bei Einheimischen als auch bei zugezogenen Insulanern beliebt
Quelle: LightRocket via Getty Images/Wolfgang Kaehler

WELT: Sind inzwischen nicht alle Sylter Zugezogene?

Weißmann: Bitte stimmen Sie jetzt nicht das Lied von Verdrängung und Gentrifizierung an. Ja, es gibt viele Ferienwohnsitze auf Sylt und ja, Personal pendelt vom Festland auf die Insel, weil Wohnen hier ein begehrtes Gut ist. Allerdings sorgt der Tourismus für hohe Einnahmen, mit denen beispielsweise der Küsten- und Naturschutz finanziert wird, immerhin stehen fast zwei Drittel der Insel unter Naturschutz.

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WELT: Liegt es auch am Naturschutz, dass Sylt keine Marina für große Jachten hat?

Weißmann: Sie meinen wie in St. Tropez, Nizza oder Cannes? Ich zähle sie deshalb auf, weil das kleine Sylt auch drei Häfen hat, in List, Munkmarsch und Hörnum. Die reichen für Segler, Ausflugsschiffe und Kutter. Um eine Marina für große Motorjachten zu bauen, müsste der Naturschutz tatsächlich enorme Zugeständnisse machen, und das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

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WELT: Fehlt Sylt neben einem Jachthafen noch etwas für eine rundum perfekte Urlaubsinsel?

Weißmann: Für meine Begriffe hat die Insel schon eine nahezu perfekte Infrastruktur. Ein paar Einheimische meinen allerdings, wenn es hier und da eine Rolltreppe gäbe, wäre das Shoppen einfacher, naja, wer’s braucht. Auf der Insel gibt es wirklich nichts, was es nicht gibt.

Schilder mit der Aufschrift „Parken nur für Porsches“ zum Beispiel, Garagen mit Fußbodenheizung für den empfindsamen Bentley oder – um mal ein extremes Beispiel aus der Gastronomie zu nennen – Edelpizzen mit Hummer, Languste, Lachs, Kaviar und Sommertrüffel für schlappe 999,99 Euro. Die bietet das Kampener Restaurant „Henry’s“, aber nur auf Vorbestellung und gegen Vorkasse.

Und wenn Anfang Mai der „Lanserhof“ in List eröffnet, wird auf der Insel auch Deutschlands teuerstes Hotel stehen. Wie vorab durchsickerte, soll ein Zweiwochen-Aufenthalt für das einfache Zimmer mindestens 10.000 Euro kosten.

Sylt: Die Luxusautos zeugen vom Vermögen der Gäste im Kultlokal "Gogärtchen"
Die Luxusautos zeugen vom Vermögen der Gäste im Kultlokal "Gogärtchen"
Quelle: pa/imageBROKER/Sabine Lubenow
Gäste im "Gogärtchen" auf Sylt
Bei der Kleidung legt man aber eher Wert auf Understatement
Quelle: pa/imageBROKER/Sabine Lubenow
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WELT: Gibt es unter den Tausenden Ferienhäusern auf Sylt tatsächlich kein Domizil, das teurer ist als der neue „Lanserhof“?

Weißmann: Es gibt schon teurere Objekte, für die man 2000 Euro und mehr pro Nacht hinblättern muss, etwa für das Haus Bo in Kampen. Der Preis gilt dann aber in der Regel für 14 Personen. Es ist eben alles relativ.

WELT: Warum umwirbt Sylt eigentlich nicht stärker megareiche arabische Scheichs und osteuropäische Oligarchen als Feriengäste?

Weißmann: Weil die Insel ein closed shop ist, die deutschen Promis und Millionäre bleiben gern unter sich. Und ein weiterer Grund: Auf Sylt ist Understatement Trumpf, auch bei den Häusern. Protzige Villen mit Türmchen und Säulen gibt es schlichtweg nicht, deshalb ist die Insel auch kein Terrain für Scheichs und Oligarchen; letztere schauten in den Neunzigern zwar mal vorbei, sie fanden die Insel aber nicht glamourös und repräsentativ genug. Viele Russen störte es auch, wegen des Dünenschutzes keinen freien Blick auf das offene Meer zu haben.

WELT: Ließe sich das Problem mit dem fehlenden Meerblick nicht irgendwie lösen?

Weißmann: Nein, die Dünen sind unantastbar, für die gelten die strengsten Schutzgesetze überhaupt. Wer unbedingt Meerblick haben möchte, sollte sich nach Immobilien in Hörnum umschauen. Dort gibt es einen Hügel mit unverbautem Ausblick auf die See – die Kersig-Siedlung. Früher standen da Armenhäuser für Kriegswitwen, heute werden sie für über drei Millionen Euro gehandelt.

Aber unter uns – Kampen ist der unangefochtene Spitzenreiter. Der Ort hat den schönsten Strandabschnitt der Insel und den schönsten Sonnenuntergang, das Rote Kliff leuchtet in so glühenden Farben, da wäre selbst Tizian neidisch. Und nicht zu vergessen, Kampen hat die berühmte Whiskymeile mit Kultlokalen wie „Pony Club“, „Gogärtchen“ und „Rauchfang“.

Sylt: In Kampen trifft man sich gern am Strönwai, der auch als Whiskymeile bekannt ist
In Kampen trifft man sich gern am Strönwai, der auch als Whiskymeile bekannt ist
Quelle: pa/DUMONT Bildarchiv/K.-H. Raach

WELT: Womit wir bei Sylts High Society sind. Sie sagen, wer dazu gehört, legt Wert auf Understatement, wie kleiden sich vermögende Feriengäste denn so?

Weißmann: Das typische Sylter Outfit kommt ohne Bling-Bling aus. Auf der Insel tarnt sich Snobismus mit dem Charme der Bescheidenheit, quiet quality, wie es im Jargon betuchter Sylt-Fans heißt. Dazu gehört beispielsweise eine Barbour-Jacke, die unbedingt getragen aussehen sollte, und Tod’s-Schuhe, die auf keinen Fall getragen aussehen dürfen, sowie natürlich Kaschmirpullover. Die schlingt man sich wie in den Achtzigern um den Hals. Eingeweihte sprechen vom Kampener Kringel. Dazu ein SUV oder eine Mercedes-E-Klasse, fertig ist der sylt-kompatible Auftritt.

WELT: Und wohin geht man, wenn es im „Pony Club“ mal wieder zu voll ist?

Weißmann: Ich kann das „Beachhouse“ in Westerland und das „ODIN Deli“ in Kampen empfehlen, zum Essen und Trinken. Zum Sehen und Gesehenwerden ist die Whiskymeile erste Adresse. Und wer wissen will, wie Deutschlands Geldadel wohnt, sollte mal durch den Hobokenweg in Kampen bummeln. Die 500 Meter lange Straße ist so berühmt, dass mindestens zehnmal im Jahr das Schild gestohlen wird. Im Hobokenweg wohnen ausschließlich Millionäre und Milliardäre.

WELT: Sicher hinter hohen Zäunen ...

Weißmann: ...da gibt es keine Zäune, sondern nur Hecken und sogenannte Friesenwälle. Das sind breite Natursteinmauern, obendrauf wuchern Hortensien oder Heckenrosen. Und was hinter diesen Friesenwällen geschieht, bleibt auch dort.

Sylt: Im Hobokenweg verschanzen sich Millionäre und Milliardäre hinter Hecken und Friesenwällen
Im Hobokenweg verschanzen sich Millionäre und Milliardäre hinter Hecken und Friesenwällen
Quelle: pa/imageBROKER/I. Schulz

WELT: Dafür plaudern Sie in Ihrem Buch aber kräftig aus dem Nähkästchen.

Weißmann: Als Makler bekommt man einiges mit, doch ich nenne im Buch keine Klarnamen, um niemanden bloßzustellen. Damit Privatsphäre Privatsphäre bleibt, habe ich auch immer mal wieder Orte und andere Details verändert.

WELT: Sind die Geschichten, die Sie im Buch erzählen, so abgründig?

Weißmann: Nein, sie sind zum Schmunzeln, aber für die Protagonisten manchmal eben auch ärgerlich.

WELT: Bitte, ein Beispiel.

Weißmann: Kurz erzählt ist die Geschichte eines stolzen Neu-Sylters, der gleich nach dem Hauskauf darangehen wollte, die Fenstergrößen zu verändern, obwohl das verboten ist. Als ich ihn daraufhin ansprach, sagte er nur: „Mein Haus, meine Regeln, Herr Weißmann.“ Wochen später zeigte er mir seine Lösungsidee – ein riesiges Panoramafenster, das man per Fernbedienung in den Boden versenken konnte. Von außen war es verkleidet wie ein Scheunentor. Trotzdem dauerte es nicht lange und die Sylter Behörden standen vor seiner Tür. Mit der Folge, dass das teure Fenster raus und die Butzenscheiben wieder reinmussten.

WELT: Was sehen die strengen Sylter Bauvorschriften noch vor?

Weißmann: Das ist von Ort zu Ort unterschiedlich; in Kampen beispielsweise besteht die Pflicht, teilweise unter Reet zu bauen, anderswo sind historische Klinkersteine vorgeschrieben oder die Form der Dachgauben und die Zahl der Fenstersprossen. Alles, was sichtbar ist, unterliegt irgendeiner Regelung.

WELT: Können sich Hausbesitzer zumindest in den von außen nicht sichtbaren Bereichen ihrer Anwesen architektonisch ausleben?

Weißmann: Naja, mit Rücksicht auf die Statik sicher. Wenn das Haus nicht unter Denkmalschutz steht, können sie ihr Haus unterkellern. Die teuerste Villa im Hobokenweg beispielsweise kostet über 30 Millionen Euro und das nicht zuletzt deshalb, weil sie drei unterirdische Stockwerke hat; ein Geschoss ist für die Oldtimer-Sammlung, das Zweite für einen Weinkeller und im dritten Untergeschoss ist ein riesiges Aquarium.

So riesig, dass der Besitzer für die Reinigung hin und wieder einen Taucher engagiert. Wer eine schöne Zeit auf Sylt verbringen und dafür noch entlohnt werden will, sollte mal auf dem Sylter Arbeitsamt nachfragen; es gibt ’ne Menge skurriler Ferienjobs auf der Insel.

WELT: Welche denn?

Weißmann: Ein Traumjob ist sicherlich Oldtimer-Beweger. Die kostbaren Gefährte nehmen Schaden, wenn sie monatelang unbenutzt in der Garage stehen, deshalb müssen sie hin und wieder spazieren gefahren werden.

Sylt: Oldtimer, wie hier in Westerland, müssen ab und zu bewegt werden
Oldtimer, wie hier in Westerland, müssen ab und zu bewegt werden
Quelle: pa/imageBROKER/F. Scholz

Auch Mülltonnen-Beweger werden gesucht. Das macht zwar nicht so viel Spaß, wie Oldtimer auszufahren, wird aber ebenfalls bezahlt und ist leichte Arbeit, denn die Tonnen sind leer. Einmal pro Woche werden sie auf die Straße gestellt und dann wieder zurückgebracht, um bewohnte Häuser zu simulieren.

WELT: Damit wäre die Ferienjobfrage geklärt, und wo sollten sich Sylt-Aspiranten einmieten, um ihre bezahlte Auszeit richtig zu genießen?

Weißmann: Ich persönlich mag die sogenannten Beachhouses bei List. Mit ihrer leichten Bauweise erinnern sie an die Strandarchitektur von Long Island. Der Stil wirkt luftig und elegant und passt viel besser nach Sylt als manches, was hier in den Sechzigern und Siebzigern hingeklotzt wurde.

Das Buch von Eric Weißmann: „Aber bitte mit Reet! Ein Sylter Makler erzählt Geschichten von der schönsten Insel der Welt“, erscheint am 1. März 2022 im Knaur Taschenbuch Verlag, 221 Seiten, 12,99 Euro. Eric Weißmann lebt seit 15 Jahren auf der Insel, seit zehn Jahren ist er selbstständiger Immobilienmakler, weissmann-sylt.de. „Aber bitte mit Reet!“ ist sein erstes Buch.

Immobilienmakler Eric Weißmann lebt seit 15 Jahren auf Sylt
Immobilienmakler Eric Weißmann lebt seit 15 Jahren auf Sylt
Quelle: Alessa Pärn

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