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  4. Japan: Auf einer „Backstreet Tour“ durch Kyotos Gassen ist Radeln fast wie Wellness

Fernreisen Japan

Ziemlich neben der Spur – mit dem Rad durch Kyoto

Kyoto ist eine Millionenstadt mit dichtem Verkehr – eigentlich kein Vergnügen für Radfahrer. Doch auf einer „Backstreet Tour“ durch Kyotos Gassen ist Radeln fast wie Wellness, man taucht in Geschichte und Kultur ein – und landet bei einem Reiskuchen-Spezialbäcker.
Kyoto: Auf „Backstreet Tour“ lernt man die ruhige Seite der alten Kaiserstadt kennen Kyoto: Auf „Backstreet Tour“ lernt man die ruhige Seite der alten Kaiserstadt kennen
Kaum Verkehr: Auf „Backstreet Tour“ lernt man die ruhige Seite Kyotos kennen
Quelle: JNTO Japan National Tourist Office

Eine Frau mit Kamera streift um einen Kirschbaum und hält Ausschau nach einer hübschen Blüte in fotogener Lage. Tatsächlich: Im Kyoto Imperial Park, dem alten Kaiserpark, kann man im Herbst die Kirschblüte erleben.

Eigentlich finde die von März bis April statt, sagt Kitty, die uns auf dem Fahrrad durch die alte Hauptstadt Japans begleitet. Dann zieht es Einwohner und Besucher Kyotos umso mehr in die grüne Lunge der Stadt, dorthin, wo die Trauerkirschbäume stehen. Doch weil es im Indian Summer auf der Hauptinsel Japans öfter mild ist, treiben die Bäume aus.

Die Radtour beginnt am Bahnhof. Das Gebäude ist ein faszinierendes Beispiel futuristischer Bauweise, ein Stahlskelett mit Glasfassaden. Doch umstritten war es: Man fürchtete, er würde die alte Bausubstanz degradieren.

Kyotos Tempel und Schreine sind der Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs entgangen, die Dichte der Unesco-geschützten Bauwerke ist hoch, darunter der mit Blattgold überzogene buddhistische Tempel Kinkaku-ji.

Überraschende erste Meter

Es ist 10 Uhr, vor dem Fahrradverleih stehen die Räder bereit. Kitty weist ein: „Die vorderen Bremsen sind sehr stark. Betätigt besser immer Vorder- und Hinterbremse zusammen.“ Eine reine Vorsichtsmaßnahme für fahrradunerfahrene Touristen?

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Fest steht: Kyoto ist eine verkehrswuselige Stadt, eine 1,5-Million-Metropole, Radfahren ist hier mindestens eine Herausforderung. Umso überraschender gleich die ersten Meter: Kitty ist in eine Seitenstraße abgebogen, schließlich heißt die Stadtrundfahrt „Backstreet Tour“.

Faszinierendes Beispiel futuristischer Bauweise: der Hauptbahnhof von Kyoto, dessen Realisierung umstritten war
Kytos Bahnhof: Das Gebäude ist ein faszinierendes Beispiel futuristischer Bauweise mit Glasfassaden
Quelle: Getty Images /JNTO Japan National Tourist Office

Doch dass es nur ein paar Meter von der Ost-West-Magistrale Shio-koji dori entfernt so still ist, als hätte jemand eine Schallschutzwand hochgezogen, damit hätte niemand gerechnet.

Es ist Sonntagmorgen, was die Ruhe nur zum Teil erklärt. Am siebten Tag wird das öffentliche Leben in Japan längst nicht so heruntergefahren wie in christlich geprägten Ländern: Geschäfte haben geöffnet, Menschen gehen zur Arbeit.

Wir passieren kleine Wohnhäuser mit kleinen Garagen. Rollen durch ein flaches, planquadratisch angelegtes Straßennetz. Die Markierungen für Radfahrer sind breit und präsent, Autos begegnen uns in den meist als Einbahnstraßen beschilderten Gassen so gut wie keine.

Bambuswald und Affenpark

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Hier und da gleiten Fahrräder um die Ecken, nicht selten mit zwei Kindersitzen und kleinen Passagieren bestückt. Aber alles viel langsamer als zum Beispiel in Berlin, wo man stets Angst haben muss, von Autos oder Radrasern über den Haufen gefahren zu werden.

Ist Kyoto die heimliche Radlerhauptstadt Japans? Kitty meint, zumindest viele Studenten der insgesamt 50 Hochschulen Kyotos zögen das Fahrrad gegenüber dem Auto, aber auch der U-Bahn vor. Als alternatives Verkehrsmittel sei das Fahrrad bei vielen Einwohnern aber noch nicht angekommen, sagt Maiko Sakurai von der Kyoto City Tourism Association.

Zu geölt läuft das System der öffentlichen Verkehrsmittel: „Aber der Fahrradtourismus wächst.“

Ein ganz schöner Hingucker: Der Bambuswald Arashiyama in Kyotos Nordwesten
Arashiyama: Der Bambuswald in Kyotos Nordwesten ist ein ganz schöner Hingucker – hier nach einem Schauer
Quelle: Getty Images/iStockphoto /JNTO Japan National Tourist Office

Vor allem in Kyotos Nordwesten warten Attraktionen wie der Bambuswald in Arashiyama, der Affenpark Iwatayama oder die Aussichtsplattform am Arashiyama-Park mit toller Aussicht auf den Katsura. Der Fluss bahnt sich stadtnah seinen Lauf durch die Rankyo-Schlucht, deren Hänge zum Herbst in den schönsten Farben leuchten – ein Paddlerparadies.

Diese Ziele bauen verschiedene Anbieter von Kyoto-Fahrradtouren in ihre Städtetrips ein (siehe Kasten). Machbar sind die Distanzen, wenn ein kompletter Tag im Sattel eingeplant wird.

Home of Spielkarten

An einer schmalen Brücke hält Kitty an. „Das ist der Takasegawa-Kanal.“ Gegen die Fluten sei er im 17. Jahrhundert als Erweiterung des Takase-Flusses angelegt worden. „Und er wurde für den Transport genutzt.“

Reis, Holz und andere Waren fanden auf dem Wasser den Weg in die Stadt, der Kanal trug erheblich zur wirtschaftlichen Entwicklung Kyotos bei, die ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert auch ein heute für Spielkonsolen bekanntes Unternehmen mitprägte: Nintendo.

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„Wollt ihr den einstigen Firmensitz sehen?“, fragt Kitty. Klar! Dreimal biegt sie im Straßenschachbrett ab. Vor einem Gebäude mit hellem Klinker halten wir. Erbaut wurde es von dem japanischen Star-Architekten Tadao Ando.

Bevor die Konsolen kamen: Ursprünglich stellte Nintendo Spielkarten her – woran diese Plakette erinnert
Eine Plakette an der Wand erinnert an den Beginn von Nintendo: Ursprünglich stellte die Firma Spielkarten her
Quelle: Stefan Weissenborn

Kleiner Schönheitsfehler: Die ursprüngliche Firmenzentrale Nintendos aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert steht heute nicht mehr, dafür prangt eine Gedenkplakette neben der Tür des heute als Hotel genutzten Baus: „The Nintendo Playing Card Co.“ steht drauf. „Ab 1889 stellte Nintendo hier Spielkarten her“, sagt Kitty.

Fotoshooting im Geisha-Viertel

Es geht über die Kamo-Brücke, die den gleichnamigen Fluss überspannt, durch Miyagawa-cho, eines der fünf Geisha-Viertel Kyotos, von denen Gion mit seinen alten Holzhäusern das berühmteste ist.

Fotostopp auf dem Weg dorthin ist das Sanmon-Tor des Kenninji, „der älteste Zen-Tempel in Kyoto“, sagt Kitty als sie vor dem Pagodendoppeldach Pose angenommen hat.

Viele Uniformen sieht man am Eingang des Gion-Viertels: Sobald es auf der Straße etwas voller wird oder eine kleine Baustelle auch nur die geringste Absperrung erfordert, wird in Japan bis ins Detail reguliert. Eine Armada von Verkehrspolizisten winkt und wirbelt mit Armen und Fähnchen durch die Luft, als wir vorbeiradeln.

Viele gut gekleidete Passanten sind in Gion unterwegs: Wer bald heiratet, lässt sich hier sonntags für das Hochzeitalbum vor der Kulisse der traditionellen Stadthäuser fotografieren – die Damen in Kimonos gehüllt, die Männer in feinen Zwirn.

Alte Holzhäuser, unwirkliche Kulisse: Das Geisha-Viertel Gion in Kyoto
Gion: Das bekannteste der fünf Geisha-Viertel in Kyoto
Quelle: Getty Images /JNTO Japan National Tourist Office

Danach führt uns Kitty zur Stärkung zur Konditorei „Tiger-mochi“. Dort gibt es Mochi, die berühmten klebrigen Reisteigkugeln, gefüllt mit Paste von roten Bohnen (der Klassiker), Kastanien oder Süßkartoffeln. Ein süßer Knaller, der dem Körper genügend Energie für den Rest der Tour verabreicht.

Auf der Jingumichi-dori-Avenue radeln wir danach dem weithin sichtbaren, rot getünchten Tor des Shinto-Schreins Heian-jingu entgegen und erreichen den Kamo-Fluss, der Kyoto viel Erholungswert spendet: Menschen mit Hunden flanieren den Uferweg entlang, joggen, die Dichte des Radverkehrs nimmt zu. Im Norden der Stadt schichten sich die Berge in blassen Graustufen. Auf einer Flussinsel verweilt ein Silberreiher.

Wo der Kaiser residierte

Wir könnten zum Botanischen Garten der Stadt weiter radeln. Dort werden 12.000 verschiedene Pflanzenarten kultiviert. Doch wir biegen ab in den Imperial Park, grüne Lunge der Stadt, durchzogen von breiten Schotterwegen.

Auf den Wiesen, die gern zum Picknick genutzt werden, wachsen Ginkgobäume und imposante Pinien. „Insgesamt 500, manche älter als 300 Jahre“, erläutert Kitty. Die hätten sogar den großen Brand überlebt, der Kyotos alten Kaiserpalast vernichtete.

Hier residierte die kaiserliche Familie bis zum Beginn der Meiji-Restauration im Jahr 1868, als unter Tenno Meiji das Shogunat und damit das Feudalsystem abgeschafft, die Hauptstadt von Kyoto nach Edo (heute Tokio) verlegt und der Weg zur modernen Nation geebnet wurde.

Der Kaiserpalast: Er liegt im Imperial Park, grüne Lunge der alten Hauptstadt
Wie er sich von außen Radlern und anderen Passanten präsentiert, die in den Imperial Park kommen: der Kaiserpalast
Quelle: Universal Images Group via Getty Images/Prisma by Dukas

Der heutige Palast, dessen schier endlosen Mauern wir entlang rollen, ist eine Rekonstruktion von 1855. Kitty zückt hier ein laminiertes Bild vom aktuellen Kaiserpaar Naruhito und Masako, die aber nicht in Kyoto wohnen. Die Kaiserfamilie residiert heute in Tokio.

Auf dem Rückweg nehmen wir die Higashinotoin dori. Die Hauptachse wurde schon im 18. Jahrhundert aufgrund des zunehmenden Verkehrs zu Japans erster Einbahnstraße erklärt.

Die Higashinotoin dori ist Japans erste Einbahnstraße
Links vorbei im Linksverkehr: Auf der Higashinotoin dori, Japans erste Einbahnstraße, ist man im Sattel oft schneller als mit dem Auto
Quelle: Stefan Weissenborn

Hier staut sich, mal wieder, der Autoverkehr. Zum Glück gibt es einen Fahrradstreifen, auf dem wir einfach am Stau vorbeiradeln.

Tipps & Informationen

Arreise: Zum Beispiel mit der taiwanischen EVA Air via Taipeh nach Tokio. Nonstop-Flüge bieten All Nippon Airways und Lufthansa. Nach Kyoto gibt es von Tokio aus direkte und schnelle Zugverbindungen.

Radtouren: Die Backstreet-Tour wird als Halbtages- und Ganztagestour angeboten (drei oder sechs Stunden), über 15 bzw. 30 Kilometer. Sie führt zu bekannten und verborgenen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Da die Stadt in einer Ebene liegt, gibt es nahezu keine Steigungen. Den alten Kaiserpalast kann man nach Voranmeldung besuchen.

Quelle: Infografik WELT

Es gibt mehrere Anbieter, die geführte Fahrradtouren unternehmen, zum Beispiel Kyoto Cycling Tour Project, bei dem man Fahrräder und E-Bikes auch ohne Guide leihen kann. Die dreistündige Backstreet Tour kostet umgerechnet rund 50 Euro pro Person. Ein anderer Anbieter ist Cycle Kyoto, dort kostet der ganztägige „Kyoto full course“, der auch zum Kamo-Fluss führt, ab knapp 90 Euro. Wer bei Noru Kyoto Bike Tours die Tour „Arashimaya Biking“ bucht, fährt mit dem E-Bike unter anderem durch Kyotos berühmten Bambuswald und zahlt umgerechnet etwa 65 Euro für die geführte 25-Kilometer-Tour.

Auskunft: Japanische Fremdenverkehrszentrale JNTO; Kyoto City Tourism Association

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von JNTO. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

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