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Deutschland Judenhass an Hochschulen

„Dieses Land verändert sich so schnell in eine gefährliche Richtung“

Redakteur Innenpolitik
Berlin im Mai: Eine Anti-Israel-Aktivistin redet bei der Besetzung des Theaterhofs der Freien Universität auf einen Polizisten ein Berlin im Mai: Eine Anti-Israel-Aktivistin redet bei der Besetzung des Theaterhofs der Freien Universität auf einen Polizisten ein
Berlin im Mai: Eine Anti-Israel-Aktivistin redet bei der Besetzung des Theaterhofs der Freien Universität auf einen Polizisten ein
Quelle: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow
Antisemitismus an Hochschulen beschäftigt jetzt auch den Bundestag. Ein Vertreter jüdischer Studenten warnt: Viele Demonstrationen seien geprägt von Judenhass und Terrorunterstützung, eine gewalttätige Eskalation drohe. Experten berichten, selbst an Grundschulen komme es zu Übergriffen.
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Noam Petri sitzt im Bundestag und hält Fotos hoch. Zu sehen ist etwa eine Demonstration für Palästina, gegen Israels Krieg in Gaza. Zumindest ist das der Vorsatz dieser Versammlung im Mai an der Freien Universität Berlin. Ein Mann auf dem Bild formt mit den Fingern ein Dreieck in Richtung einer Gruppe jüdischer und israelsolidarischer Gegendemonstranten. Mit einem roten Dreieck markierte die Hamas die Ziele ihres Terrorüberfalls auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden mehr als 1200 Menschen ermordet, viele verstümmelt, gequält, vergewaltigt.

Petri ist Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD). An diesem Mittwochmorgen berichtet er im Bildungsausschuss des Bundestags über Judenhass an deutschen Hochschulen. Geladen sind neben Petri unter anderem Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, sowie Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).

Mit den Fotos will Petri aufklären. Viele der propalästinensischen Proteste seien eben nicht „friedlich“. Sie seien durch Hass auf Israel, Antisemitismus und Terrorunterstützung durch linksradikale und islamistische Studenten und Aktivisten geprägt.

Seine Beispiele: In Bonn würgte ein propalästinensischer Student einen Kommilitonen.

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In Berlin wurden rote Dreiecke als Drohung an die Wände gesprüht, ergänzt durch den Namen des FU-Präsidenten Günther M. Ziegler oder der Präsidentin der Humboldt-Uni, Julia von Blumenthal.

Und in Frankfurt am Main schrieb eine an der Organisation eines Gaza-Protestcamps beteiligte linke Aktivistin auf Instagram: Wer sich nicht für Gaza interessiere, habe „jede Legitimation das eigene Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit einzufordern“ (sic) verwirkt.

„Wir steuern auf amerikanische Verhältnisse zu. Verhältnisse, in denen Studenten offen zum Tod Amerikas aufrufen und Fahnen von islamistischen Terrororganisationen schwenken“, warnt Petri. Es bleibe nicht bei verbalen Entgleisungen.

So wurde der jüdische Student Lahav Shapira im Februar von einem Kommilitonen vor einer Bar in Berlin angegriffen, erlitt schwere Gesichtsverletzungen. Shapira erstattete nun Anzeige gegen die Unileitung – sie habe ihn nicht geschützt. Auch Petri fordert ein energischeres Vorgehen, etwa durch Exmatrikulation von israelfeindlichen Studenten. Für Aufrufe zu Gewalt oder Antisemitismus gelte keine Meinungsfreiheit, so Petri. „Man kapituliert nicht vor Extremisten. Man bekämpft sie.“

Lahav Shapira im Interview

Einen Höchststand an Antisemitismus belegte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) am Dienstag. Genau 4782 judenfeindliche Fälle zählte die Monitoring-Stelle im Jahr 2023, zu einem markanten Teil wurden diese nach dem Hamas-Terrorangriff gemeldet. Das Bundeskriminalamt zählte allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 schon 793 antisemitische Straftaten in Deutschland.

„Eine Gefahr für die ganze Gesellschaft“

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„Hinter diesen Zahlen befinden sich Menschen“, sagt Shila Erlbaum vom Zentralrat der Juden im Ausschuss. So versteckten viele Jüdinnen und Juden seit dem 7. Oktober ihre Identität – oder mieden den Campus komplett. „Dieser Hass manifestiert sich auch physisch.“ Erst am Dienstag sei ihr von einem Fall antisemitischen Mobbings gegen zwei Schüler berichtet worden.

Selbst in Grundschulen komme es zu Vorfällen, berichten andere Experten. Zudem gebe es jüdische Dozenten, die sich nur noch unter Polizeischutz oder mit Sicherheitskonzept auf dem Campus bewegen könnten.

Erlbaum fordert Konsequenzen. Bildung zu Antisemitismus und Israel brauche etwa eine „verpflichtende, modulare Verankerung in der Lehre“. Schulungen müsse es sowohl für Lehrpersonal als auch für Studierende geben. Zudem müsse der Austausch mit israelischen Wissenschaftlern ausgebaut werden. „Antisemitismus ist eine Gefahr für die ganze Gesellschaft“, warnte Erlbaum. „Es hört nicht mit den Juden auf.“

Im Vorfeld äußerte das Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin „Irritation und Bedauern“, weil es nicht zu dem Fachgespräch eingeladen wurde. Man habe den Eindruck, dass es dem Ausschuss nur um „Konsensbildung“ statt um „wissenschaftsbasierte Information“ gehe, schreiben die beiden ZfA-Leiter Stefanie Schüler-Springorum und Uffa Jensen.

Die Ernennung Jensens zum TU-Antisemitismus-Beauftragten führte zu Protest des Zentralrats der Juden – Jensen genieße zu wenig Vertrauen aus der Gemeinde. Für Aufregung sorgte zudem ein Prüfauftrag im Bundesforschungsministerium, ob Wissenschaftlern, die sich mit den Gaza-Protesten solidarisierten, die Fördermittel entzogen werden könnten. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) versetzte ihre Staatssekretärin Sabine Döring nach Kritik an der Anfrage in den einstweiligen Ruhestand.

Die Hochschulrektorenkonferenz betont indes, sich verstärkt gegen antisemitischen Aktivismus auf dem Campus einzusetzen. HRK-Präsident Rosenthal berichtet im Ausschuss von Einschüchterungen, Gewalt, Propaganda, Aufrufen zum Terror. Straftaten werde man zur Anzeige bringen. In internationalen Zusammenschlüssen begegne ihm zudem eine „große Welle des Boykotts“. So beschließen immer mehr Universitäten, den Kontakt zu israelischen Wissenschaftlern und Institutionen abzubrechen – zuletzt etwa in Irland oder Spanien.

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„Mit uns wird es keinen Boykott israelischer Wissenschaftseinrichtungen geben“, bekräftigt Rosenthal. Das betone man auch im Austausch mit internationalen Partnern. Schon jetzt sei die israelische Wissenschaft jedoch „sehr beschädigt“. Wissenschaftler verlieren den Kontakt zu Kollegen im Ausland, ihre Vorträge im Ausland werden gestört, sie berichten von zunehmender Isolation. Deutsche Hochschulen wirkten dem mit einer Vertiefung der deutsch-israelischen Zusammenarbeit entgegen.

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Auch für ihn habe sich das Leben im vergangenen halben Jahr gänzlich verändert, so Petri. Er bewege sich fast ausschließlich zwischen Studium und Politik. Auftritte wie am Mittwoch im Bundestag sind sein neuer Alltag – ebenso die Anfeindungen: „Ich bekomme tagtäglich Hass, Hetze, aber auch Morddrohungen.“ Das Vertrauen schwinde, auch von schweigenden Kommilitonen und Dozenten sei er enttäuscht. „Dieses Land verändert sich so schnell in eine gefährliche Richtung.“

Nach der Sitzung muss Petri sich beeilen – sein Seminar beginnt wenige Minuten nach der Anhörung.

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