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Film Will Smith in „Bad Boys“

Manche Männer sind erst mit Mitte 50 erwachsen

Chefkorrespondent Feuilleton
So rasant fährt keine Spaßbremse: Will Smith und Martin Lawrence So rasant fährt keine Spaßbremse: Will Smith und Martin Lawrence
So rasant fährt keine Spaßbremse: Will Smith und Martin Lawrence
Quelle: Frank Masi/CTMG, Inc/Sony Pictures Entertainment Inc.
Nach dem Oscar-Kinnhaken, der ihn beinahe seine Karriere kostete, wagt Will Smith sein Comeback in „Bad Boys: Ride or Die“. Es ist schwarzes Dada-Action-Kino in bester Blaxploitation-Tradition. Besonders die woke Gegenwart bekommt ihr Fett ab.
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Will Smith versteht bekanntlich keinen Spaß. Das weiß man spätestens, seit der Schauspieler bei der Oscarverleihung vor zwei Jahren Chris Rock einen Kinnhaken verpasste, weil der einen laschen Witz über Smith’ Frau Jada Pinkett Smith gerissen hatte. Seitdem hat Smith sich bedeckt gehalten. Lying low, sagt man dazu im amerikanischen Ganoven-Jargon. Erst mal Gras über die Sache wachsen lassen. Weil: Ein unlustiger Komiker, das ist irgendwie rufschädigend.

Auch der Produzent Jerry Bruckheimer und Sony haben dem Vernehmen nach länger nachgedacht, ob es eine gute Idee wäre, Will Smith abermals als sturen, beratungsresistenten, gewaltbereiten Macho auf die Welt loszulassen, in der Rolle von Detective Michael „Mike“ Lowrey nämlich, der einen Hälfte der „Bad Boys“, die seit Mitte der Neunzigerjahre in Miami für eine delikate Balance zwischen Unfrieden und Frieden sorgen. Da kam der Hollywoodstreik gerade recht und verzögerte die Dreharbeiten. Jetzt, fand man offenbar, liege 2022 ausreichend lange zurück, jedenfalls gemessen an der Aufmerksamkeitsspanne der Gegenwart, die alle 725 Instagram-Reels tabula rasa macht und sich partout nicht erinnern kann, was sie gerade erledigen wollte.

Und es ist ja auch wahr, Skandälchen verblassen am Gestade der Zeit wie Foucaults berühmtes Gesicht des Menschen im Sand. Dafür bleiben die großen Linien, die einschneidenden Ereignisse, die sich rückwirkend zu dem fügen, was wir Geschichte nennen. Und, so irre es klingt, Michael Bays „Bad Boys“ von 1995 gehört dazu. Die Handlung der Räuberpistole hat man natürlich längst vergessen. Es geht wohl um einen Batzen geklautes Heroin, worum auch sonst, wir sind hier schließlich in Miami, dem Drogenumschlagplatz Nummer eins für vage südamerikanische Exportschlager. Dabei tickt die Uhr, 72 Stunden Gerenne und Gedüse, denn lange vor „Fast and Furious“ donnerte Lowrey ohne Rücksicht auf die Reifen im schwarzen Porsche 911 daher.

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Das aber ist das eigentliche Stichwort: schwarz, neuerdings auch öfter großgeschrieben. Damals waren Mainstream-Blockbuster ohne zumindest einen weißen Protagonisten und mit Reggae-Titelsong noch eine Rarität: „Bad Boys, Bad Boys / Watcha gonna do when they come for you.“ Selbst der Song von der jamaikanischen Band Inner Circle wurde erst Jahre nach seiner Veröffentlichung ein Hit.

Quasi tot

1995, als der Film in die amerikanischen Kinos kam, hatte Barack Obama gerade seine Autobiografie „Dreams from My Father“ fertig, deren Untertitel auf Deutsch harmlos „Die Geschichte meiner Familie“ lautet, im übersetzten Original aber pointierter „Eine Geschichte von Rasse und Erbe“. Der Absolvent der Harvard Law School lief sich damit für ein Senatorenamt in Illinois warm. Den Rest kennen wir ja, wir erinnern uns, wie die Saat der Hoffnung aufging in einem zerrissenen Land, das besonders in seinen Südstaaten nicht immer weit davon entfernt war, der Sklaverei hinterherzutrauern.

Dann war der Traum ausgeträumt. Das Über-Ich Amerikas, das Obama repräsentierte, verschwand in der Versenkung zugunsten seines Es, der dunklen, ungeschlachten Triebe, der instinkthaften Brutalität, dem Narzissmus und der Egomanie, die sich in Donald Trump beispielhaft vereinigen. Joe Biden konnte da nie wirklich wieder den Deckel draufmachen.

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„Bad Boys“, das 2003 eine Fortsetzung bekommen hatte, war quasi tot. Zwei lustige schwarze Polizisten, die sich über alle Gepflogenheiten von Anstand, Moral und manchmal auch dem Gesetz hinwegsetzten, die übrigens auch aus einer Generation stammten, in der man von „woke“ noch nie gehört hatte, die eher militärischen Drill verstanden als Jammer über Befindlichkeiten, waren plötzlich unsanft aus der Zeit gefallen. Sie waren die Erben der harten Blaxploitation-Jungs wie Shaft oder Sweet Sweetback, die wussten, dass sie, wenn sie weinen, keiner trösten kommt, und die deshalb lieber härter waren als ihre Feinde. Eine Einstellung, die viel für sich hat, aber möglicherweise auch begünstigt, dass man bei einer Oscarverleihung aufsteht und dem Showmaster für einen dummen Spruch eine reinhaut.

Es brauchte jedenfalls unwahrscheinlicherweise zwei Belgier marokkanischer Herkunft, Adil El Arbi und Bilall Fallah, um das Buddy-Franchise 2020 wiederzubeleben, mit „Bad Boys for Life“. Und siehe da: das Rezept funktionierte immer noch oder schon wieder, oder vielleicht genauso wie diese superteuren Restaurants, die sich auf Sachen besinnen, die Oma schon gekocht hat, Königsberger Klopse, Tafelspitz, aber mit einem Twist – und natürlich der üblichen Inflation: Der erste Film kostete 1995 19 Millionen Dollar, der neue 100.

Einer solchen Strategie folgt jedenfalls auch der neue Film „Bad Boys: Ride or Die“. Will Smith ist immer noch Detective Mike Lowrey, Martin Lawrence ist immer noch sein Partner Marcus Burnett. Burnett ist dabei sozusagen der komische Klops und Smith die Hollywoodstar-Soße. Ohne Burnett, vor dessen Augenrollen man sich mehr in Acht nehmen muss als vor heranpurzelnden Handgranaten, wäre das Ganze wohl ein Rohrkrepierer. Denn so richtig lustig ist Will Smith nach wie vor nicht, war er vielleicht noch nie, oder er hat einfach Spaß, sein eigenes Image zu persiflieren.

Best buddies forever: Will Smith und Martin Lawrence
Best buddies forever: Will Smith und Martin Lawrence
Quelle: Frank Masi/CTMG, Inc/Sony Pictures Entertainment Inc.
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Die Eingangsszene ist hier emblematisch. Er heizt mit dem 911 – der früher auch besser aussah als der High-Tech-Panzer des aktuellen Modells – an der Promenade von Miami Beach zu seiner eigenen Hochzeit. Denn mit Mitte Fünfzig, so alt ist Smith inzwischen, hat er die Flausen hinter sich und behauptet, erwachsen geworden zu sein. Zumindest ist das seine Ausrede gegenüber eifersüchtigen Verflossenen, die schnippisch bekunden, wohl nicht die Richtige gewesen zu sein. Aber so richtig nimmt man ihm das nicht ab. Mit seinem Fahrstil drangsaliert er den armen Lawrence/Burnett auf dem Beifahrersitz, bis der sagt: „Entweder ich kriege sofort ein Ginger-Ale, oder ich muss mich übergeben.“

Nur aus Sorge um die Ledersitze schleudert Smith den Porsche zum Spitzkehrenstopp. Lawrence schleicht ermattet in den Deli, aber kaum hat er sich in Skittles und Hotdog verguckt, kommt ein (weißer) Räuber des Wegs. Oh nein! Der Mann ist im Begriff, die Hochzeit zu versauen. „Sie lassen mich jetzt raus hier“, beschwört Lawrence den Räuber, „oder in 15 Sekunden steht ein extrem saurer Typ hier, mit dem nicht zu spaßen ist.“ Der Räuber hat aber offenbar die Oscars verpasst. Auftritt Will Smith. Was in Los Angeles ein Kinnhaken ist, ist in Miami ein Knieschuss. „Das hätte doch wirklich nicht sein müssen!“, klagt Lawrence. Aber Smith schlägt ihm nur missmutig die Süßigkeiten weg.

Das ist so meta wie die Nahtoderfahrung von Lawrence bei der Hochzeit: Herzinfarkt. Nächste Szene: Er wacht aus der Narkose auf. Lawrence: „Welches Jahr haben wir?“ Smith: „Dienstag.“ Prompt läuft er aufs Krankenhausdach und zeigt der Welt seinen Popo. Er hält sich fortan für unsterblich, was erstens für viele lustige Momente sorgt und zweitens ein tolles Bild für den Film selbst ist, die Reihe „Bad Boys“, die weder Trump noch ein anderer Redneck totkriegt.

Back to the Nineties

Einmal – Smith und Lawrence sind längst auf der Flucht vor den eigenen Leuten, weil ihnen ein übler Typ mit Selbstwertproblemen allerlei Schwerkriminelles angehängt hat – geraten sie wirklich zwei Rednecks vor die Flinte. „Ihr denkt, wir haben eure Klamotten geklaut“, ruft Lawrence, „aber das denkt ihr nur, weil wir schwarz sind! Dieses schwarze T-Shirt hier habe ich heute Morgen aus meinem schwarzen Schrank genommen!“ Smith schubst ihn. „Guck mal, was draufsteht“: Pure-bred white boy, reinrassiger weißer Junge. Ups.

Oder der Oberböse will, dass die Morde seiner Leute nach Drogenkartell aussehen: „Sprecht von jetzt an nur noch Spanisch.“

Ein Film, der so clever ist, kommt auch mit den ganzen Albernheiten durch, einem wackeligen Kampf in einem abstürzenden Polizeihubschrauber, einem Schusswechsel in einer Kunstgalerie voller herumfliegender Bonbons und sogar einem Albino-Alligator. Fast könnte man denken, man wäre zurück in den Neunzigerjahren. Und das wäre ja nicht das Schlechteste.

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