Ist das nun eine gute oder schlechte Nachricht für München? In der Landeshauptstadt kreißte Ministerpräsident Markus Söder, sonst nicht eben der Kultur enger Freund, und geruhte den Freunden des Schöngeistigen zu bekunden: Es gibt künftig mehr als eine Milliarde Euro im bayerischen Kulturhaushalt – und endlich ein Datum für den dritten Münchner Konzertsaal (neben dem Herkulessaal und dem zu renovierenden Gasteig, dessen Programm gegenwärtig in der Isarphilharmonie als ordentlichem Provisorium gespielt wird).
Das „Konzerthaus“, das sich besonders das heimatlose Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (der BR darf es aus rechtlichen Gründen nicht bauen) so sehr wünscht, soll – so Söder – bis 2036 Wirklichkeit werden. Sagt er. Er und andere Politiker haben in dieser Sache schon sehr viel gesagt. Seit mindestens 20 Jahren. Und nicht sehr viel getan. Gegenwärtig befand man sich in einer „Denkpause“. Die anvisierten Kosten waren auf mehr als eine (geschätzte) Milliarde Euro angewachsen, und für das in Erbpacht von den Pfanni-Erben bereits übernommene Grundstück im neuen Werksviertel hinter dem Ostbahnhof muss bereits bezahlt werden.
Jetzt also 2036. Da wurde schnell gerechnet, dass es sich Söder, der ewige Bayern-Monarch von der CSU, zum Siebzigsten gönnen könnte, und dass der BRSO-Chefdirigent Simon Rattle dann 81 Jahre alt wäre. Einigermaßen rüstig ist er ja, der einst wilde Silberlockenkopf. Könnte also eben noch so hinkommen.
Aber: Eben verkündete mal wieder die Bahn Horrorzahlen für Stuttgart 21. Die ursprünglich für 2019 finalisierte Megabahnhofsverlegung wird frühestens 2026 Wirklichkeit. Und kostet jetzt schon rund 11,5 Milliarden Euro – statt 2010 kalkulierter drei Milliarden. Die seit zwölf Jahren renovierte Oper Köln hat aktuell wieder mal kein Eröffnungsdatum.
Markus Söder will das „Konzerthaus“, aber angesichts Inflation und komplexer Weltlage deutlich billiger. Es soll jetzt nur noch ein „Konzertsaal“ werden, höchstens 500 Millionen Euro günstig, ohne zweiten Saal, mit kleinerer Tiefgarage, weniger Ausstattung.
Wettbewerbssieger sind vom Tisch
Obwohl die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Rest der Klassikwelt erhalten bleiben sollen. Die schönen Schneewittchensarg-Pläne des im längst abgehaltenen Wettbewerb 2017 ausgezeichneten Bregenzer Büros Cukrowicz Nachbaur sind damit vom Tisch; am Bodensee wird man in die berühmte Platte beißen.
Aber man wolle selbstredend von den geleisteten Vorarbeiten profitieren. Und anhand einer „funktionalen Leistungsbeschreibung“, so Kunstminister Markus Blume, soll nun ein „Totalunternehmer“ alles schlüsselfertig machen. Ohne spezifischen Akustiker, einfach nur ganz pragmatisch.
Am städtischen Gasteig, Heimat der Münchner Philharmoniker, seit bald drei Jahren geschlossen, ist ebenfalls, ganz pragmatisch, bisher nichts passiert, nichts entschieden; nachdem man keinen Generalunternehmer fand, der auf eigenes Risiko unter rigidem Kostendeckel bauen wollte.
Dafür nennt sich der leerstehende Ort jetzt „Fat Cat“ und behaust temporär die freie Szene. Dann hoffen wir doch, dass die Söder-Ankündigung nicht nur ein steiler Spruch ohne Wert war.