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Kopf des Tages Matthias Erzberger

Diesen Demokraten töteten Rechtsterroristen mit Kopfschüssen

Der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger schuf die Finanzordnung der Weimarer Republik. Vor allem aber unterschrieb er 1918 den Waffenstillstand im Ersten Weltkrieg. Das machte ihn zum Feindbild der völkischen Attentäter.
Leitender Redakteur Geschichte
Erzberger, Matthias Politiker (Zentrum; unterzeichnete 11. 11.1918 den Waffenstillstand; 1919/20 Reichsfinanz-Min.). Buttenhausen 20.9.1875 – (ermordet) bei Bad Griesbach 26.8.1921. Erzberger (links) und der DNVP-Vorsitzende und Bankier Karl Helfferich. Foto, undat. (um 1919/20?). Erzberger, Matthias Politiker (Zentrum; unterzeichnete 11. 11.1918 den Waffenstillstand; 1919/20 Reichsfinanz-Min.). Buttenhausen 20.9.1875 – (ermordet) bei Bad Griesbach 26.8.1921. Erzberger (links) und der DNVP-Vorsitzende und Bankier Karl Helfferich. Foto, undat. (um 1919/20?).
26. August 1921: Matthias Erzberger (geboren 1875) wird ermordet
Quelle: picture alliance / akg-images
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Das Opfer war sich der Gefahr stets bewusst. Ziel antiliberaler Hetze war Matthias Erzberger, ehemaliger Reichsfinanzminister und für das katholische Zentrum seit 1903 Abgeordneter des Reichstages, immer gewesen. Der Hass steigerte sich noch einmal, seit er im Auftrag von der Übergangsregierung unter Leitung von Friedrich Ebert, am 11. November 1918 die faktisch bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches unterzeichnet hatte.

Das machte ihn zum Feindbild für alle Kaisertreuen. Im Januar 1920 überstand er das Attentat eines Jung-Offiziers leicht verletzt. Organisierten Personenschutz gab es 1921 noch nicht, nicht einmal für hoch gefährdete Menschen wie Erzberger. So begleitete den knapp 46-Jährigen am 26. August 1921 nur sein Vertrauter Carl Diez auf einem Spaziergang bei Bad Griesbach im Schwarzwald unterwegs. Es war etwa elf Uhr vormittags, als zu den beiden auf einem Waldweg zwei junge Männer aufschlossen. Aus kurzer Distanz eröffneten sie das Feuer, schossen Erzberger nieder und verletzten Carl Diez schwer. Schließlich feuerten die Täter noch aus nächster Distanz weiter, mindestens zweimal in Erzbergers Kopf.

Ein Gedenkstein mit der Aufschrift : "Hier starb Mathias Erzberger Reichsfinanzmister am 26.8.1921", erinnert an einer Haarnadelkurve der B28 zwischen Bad Peterstal-Griesbach (Ortenaukreis) und der Schwarzwaldhochstraße an die Ermordung des ehemaligen Reichsfinanzministers Mathias Erzberger an dieser Stelle. Der Wegbereiter der deutschen Demokratie, eine Symbolfigur der Weimarer Republik, wurde dort am 26. August 1921 von zwei Marineoffizieren bei einem Spaziergang erschossen. Foto: Rolf Haid dpa/lsw (zu dpa/lsw-Serie Spurensuche: "Mord beim Spaziergang - ein Gedenkstein erinnert an Erzbergers Tod" vom 29.07.2007) +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Gedenkstein erinnert nahe Bad Peterstal-Griesbach an die Ermordung Erzbergers
Quelle: picture-alliance/ dpa

Ein weiterer politischer Mord in der noch jungen Weimarer Republik. Die beiden Täter, 28-jährige Heinrich Schulz und der anderthalb Jahre jüngere Heinrich Tillessen, waren ehemalige Offiziere und ohne feste Existenz. Primitive völkische Propaganda hatte sie aufgestachelt, und sie waren damit ideale Handlanger der „Terrorgruppe Organisation Consul“ (OC), die Ende 1920 aus den Resten des aufgelösten Freikorps Marinebrigade Ehrhardt entstanden war.

Schulz und Tillessen hatten wohl Anfang August 1921 vom militärischen Chef der OC, Manfred von Killinger, die Weisung bekommen, Erzberger zu töten. Befehlsgemäß reisten sie ihm wochenlang durch Deutschland nach, bis es ihnen am 26. August gelang, fast ohne Zeugen in seine unmittelbare Nähe zu kommen.

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Mit Erzberger fiel zum ersten Mal ein demokratischer Spitzenpolitiker einem Anschlag rechter Terroristen zum Opfer. Vorherige Attentate und Morde hatten vor allem Linksextremen gegolten, beispielsweise den Putschisten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg (was sie keinesfalls besser machte), oder tatsächlichen und angeblichen Verrätern, was als „Feme“ verharmlost wurde.

Erzberger, Matthias Politiker (Zentrum), 1875 – 1921 (ermordet). Bericht über die Ermordung Erzbergers am 26.8.1921 bei Bad Griesbach (Schwarzwald). Titelblatt der Berliner Vossischen Zeitung, Nr. 462, 27.8.1921.
Die "Vossische Zeitung" widmete am 27. August 1921 die gesamte Titelseite dem Mord
Quelle: picture alliance / akg-images

Das Opfer gehörte zu den beeindruckendsten Politikern seiner Zeit. Schon mit 28 Jahren hatte er 1903 zum ersten Mal in den Reichstag gewählt worden. Aus einfachen Verhältnissen stammend und ohne Vermögen, musste er seinen Lebensunterhalt neben dem Mandat verdienen. Er tat es, indem er über seine parlamentarische Arbeit spannende und viel gelesene Artikel schrieb, teilweise in einer eigenen Zeitschrift. Vor allem sein Streuten gegen die deutsche Kolonialpolitik machte den gebürtigen Württemberger reichsweit bekannt.

Im Ersten Weltkrieg nahm seine Bedeutung weiter zu, weil er als einer der rationalen Parlamentarier galt, der für den „Burgfrieden“ wichtig war. Seit 1917 war er der Kopf des „Interfraktionellen Ausschusses“ im Reichstag, der sich um eine Verständigung mit den Kriegsgegnern bemühte. Anfang Oktober 1918 trat er auf Wunsch des neuen Reichskanzlers Max von Baden in das Kabinett ein – Ziel dieser Regierung war es, den Krieg schnellstmöglich zu beenden und das Reich zu parlamentarisieren.

Erzberger übernahm die Aufgabe, die Waffenstillstandsverhandlungen mit dem französischen Marschall Ferdinand Foch zu führen. Sie wurden entgegen der Hoffnung Max von Badens und seines Nachfolgers ab dem 9. November, Friedrich Ebert, nicht ausgleichend geführt, sondern mit dem Ziel der Demütigung. Trotzdem musste Erzberger unterschreiben – die Alternative war die Fortsetzung der Kampfhandlungen.

1-E198-B1920-1-1 (1555563) Matthias Erzberger / Foto um 1920 Erzberger, Matthias Politiker (Zentrum; unterzeichnete 11. 11.1918 den Waffenstillstand; 1919/20 Reichsfinanz-Min.) Buttenhausen 20.9.1875 - (ermordet) bei Bad Griesbach 26.8.1921. Foto, um 1920.
Nach dem Rücktritt: Erzberger an seinem privaten Schreibtisch 1920
Quelle: picture alliance / akg-images

Wieder in Berlin setzte sich Erzberger mit ganzer Kraft für die demokratische Neuordnung ein und arbeitete als erster Reichsfinanzminister die umfangreichste Reform des Steuersystems in der deutschen Geschichte aus. Im Prinzip beruht die deutsche Finanzordnung bis heute darauf.

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Der rechtsextreme Parlamentarier Karl Helfferich, ein übler Hetzer, bezichtigte Erzberger 1919 der Korruption, woraufhin der Minister einen Verleumdungsprozess anstrengte. Doch der zuständige Richter, ein monarchistischer Gegner der demokratischen Revolution, verurteilte Helfferich trotz klarer Beweislage lediglich zu einer symbolischen Geldstrafe. Aus Empörung trat Erzberger am 12. März 1920 zurück und zog sich vorübergehend aus der Politik zurück.

Am Hass seiner Feinde änderte das nichts. Ihm fiel Matthias Erzberger schließlich 15 Monate später zum Opfer. Die beiden Täter konnten flüchten, wurden 1933 von Hitler amnestiert, 1947 und 1950 jedoch angeklagt und zu zwölf und 15 Jahren Haft verurteilt. Schon Ende 1952 kamen sie jedoch wieder frei – sie hatten jeweils gut sieben Jahre hinter Gittern verbracht.

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