Der Europäische Gerichtshof bleibt sich treu: Auch in seiner neunten (!) Entscheidung zu dem Thema erteilt er einer allgemeinen und anlasslosen Vorratsdatenspeicherung eine Absage. Mit ihrer Linie, nicht erst den etwaigen Missbrauch gespeicherter Vorratsdaten zu verhindern, sondern bereits die Speicherung als solche strengen Voraussetzungen zu unterwerfen, stellen die Richter sich gegen die Europäische Kommission und gegen die deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten, die seit acht Jahren immer wieder vergeblich gegen die Luxemburger Vorgaben anrennen.
Dabei ist die Abwägung von Datenschutz- und Sicherheitsinteressen letztlich eine politische Frage, die man nicht bloß in Staaten wie Polen oder Ungarn, sondern auch in Frankreich, Deutschland und vielen anderen rechtsstaatlich unverdächtigen Demokratien offensichtlich anders bewertet, als die 27 Europarichter es tun.
Die Debatte über die demokratische Legitimation einer solchen Rechtsprechung geht im Jubel der Netzgemeinde freilich unter, und der Bundesjustizminister Marco Buschmann wird sich in seiner Absicht bestärkt sehen, das ohnehin nicht angewandte deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu streichen. Dazu besteht freilich auch nach dem heutigen Urteil kein Anlass: Die Hürden, die der EuGH aufstellt, sind hoch, aber keineswegs unüberwindlich.
Gerade bei den zur Verfolgung von Kinderpornografie besonders relevanten IP-Adressen bleibt nach dem Urteil sogar die allgemeine und unterschiedslose Speicherung zulässig. Für Standortdaten gelten engere Grenzen, aber auch hier ist eine Speicherung möglich, wenn diese etwa geografisch oder nach anderen Kriterien eingegrenzt wird. Und bei einer – praktisch wohl eher seltenen – Bedrohung der nationalen Sicherheit ist ohnehin so ziemlich alles erlaubt.
Diese Spielräume sollte der deutsche Gesetzgeber nutzen, statt, wie von Buschmann vorgeschlagen, auf ein Quick-Freeze-Verfahren zu setzen, bei dem zunächst einmal gar nichts gespeichert werden muss und die Internetprovider lediglich auf gerichtliche Anordnung verpflichtet werden können, ihre bestenfalls wenige Tage zurückreichenden Datenbestände zu sichern.
Dieser Vorschlag ist so alt wie die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung selbst, und gilt nicht umsonst als netzpolitischer Ladenhüter: Umgesetzt wurde er laut einem Bericht von „Spiegel Online“ über eine Umfrage der EU-Kommission nur in einem europäischen Mitgliedstaat – und gilt dort als „nicht erfolgreich“.