Türkische Fußball-Ultras haben Fans im Berliner Olympiastadion beim EM-Viertelfinale ihres Teams gegen die Niederlande zum Zeigen des umstrittenen Wolfsgrußes aufgefordert. Alle Anhänger auf der Tribüne seien eingeladen, die Geste während der Nationalhymne zu machen, hieß es in einem Aufruf auf der Plattform X. Zu dem Spiel wird auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erwartet. Ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin bezeichnete die Partie als ein "Nonplusultra-Hochrisikospiel".

Der türkische Nationalspieler Merih Demiral hatte sein zweites Tor im EM-Achtelfinale gegen Österreich mit dem sogenannten Wolfsgruß gefeiert. Die Geste ähnelt dem sogenannten Schweige- oder Leisefuchs, der von Lehrkräften oft in Grundschulen genutzt wird.

Als Graue Wölfe werden die Anhänger der rechtsextremistischen Ülkücü-Bewegung bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Verfassungsschutz attestiert ihr unter anderem Antisemitismus, Christenfeindlichkeit und Rassismus sowie eine Herabwürdigung von Minderheiten in der Türkei sowie Nachbarvölkern des Landes. Der Behörde zufolge gehören ihr in Deutschland mehr als 12.000 Menschen an. Verboten ist der Wolfsgruß jedoch bislang nicht. 

Die Uefa leitete nach dem Spiel ein Untersuchungsverfahren gegen Demiral ein. Ihm droht deshalb eine Sperre. Der Spieler hatte behauptet, mit der Geste habe er lediglich ausdrücken wollen, dass er stolz sei, Türke zu sein. Das türkische Außenministerium bezeichnete die Uefa-Untersuchung gegen Demiral als inakzeptabel. Die türkische Ultra-Gruppierung hob hervor, der Wolfsgruß sei nicht rassistisch zu verstehen, sondern "das nationale Symbol des Türkentums".

Deutscher Botschafter einbestellt

Der Wolfsgruß drückt in der Regel die Zugehörigkeit oder das Sympathisieren mit der türkischen rechtsextremen Ülkücü-Bewegung und ihrer Ideologie aus. In der Türkei steht den Grauen Wölfen die rechtsextreme Partei MHP nahe, die als politischer Arm der Ülkücü-Bewegung gilt – und derzeit mit der Partei AKP zur Regierungskoalition des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gehört. 

Im Zuge eines erstarkenden Nationalismus haben zuletzt aber auch Vertreter der politischen Mitte das Zeichen genutzt, um etwa Wähler aus nationalistischeren Milieus anzusprechen. Ein Beispiel ist der damalige Erdoğan-Herausforderer und Mitte-Links-Politiker Kemal Kılıçdaroğlu im Präsidentschaftswahlkampf 2023. 

Die Kritik an Demirals Wolfsgruß beim Torjubel gegen Österreich sorgte für empörte Reaktionen aus der Türkei. Unter anderem, weil Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Demiral vorgeworfen hatte, die EM "als Plattform für Rassismus zu nutzen", bestellte die Regierung in Ankara den deutschen Botschafter in der Türkei ein.