Deutschland spielte eine Halbzeit sorgenbereitend, zum Beispiel beim Gegentor. Jonathan Tah passte auf Jamal Musiala, der darauf nicht gut vorbereitet war und mit dem Rücken zur Spielrichtung stand. Der Ball ging verloren. Antonio Rüdiger blockte den Schuss nicht geschickt genug. Und Manuel Neuer hielt schon wieder einen Schuss nicht fest, es war ein Fehler aus der höheren Kategorie. 

Insgesamt zeigte die DFB-Elf einen fahrigen Spielaufbau, defensive Anfälligkeit und brauchte einen sehr langen Anlauf, bis sie drin war in der Partie – Deutschland präsentierte sich gegen Griechenland als eine Mannschaft mit vielen Schwächen. Die aber 2:1 gewann.

Höhere Ansprüche, schlechtere Leistung

Sie könnte damit ihre Rolle für die EM gefunden haben. Beim Unentschieden gegen die Ukraine am Montag war die Elf klar überlegen. Gegen die Griechen kehrten vier Champions-League-Finalisten zurück ins Team, darunter der Retter Toni Kroos. Nun waren die Ansprüche höher. Doch die Leistung war schlechter. In der ersten Halbzeit passte nichts zusammen, und mit dem 0:1 kam die deutsche Elf gut weg. 

Wurzel des Übels war die chaotische Raumaufteilung im Mittelfeld. Kroos fühlt sich wohl halblinks hinten. Von dort kann er allerdings wenig Einfluss auf die Offensive nehmen und die Mannschaft bekommt eine asymmetrische Form. Sie ist schief. Zudem ließen sich Florian Wirtz und Jamal Musiala fallen, auf dem Flügel gingen Deutschland die Bälle durch ungenaue Querpässe verloren, İlkay Gündoğan kam selten ins Spiel. In der Offensive fehlten Anspielstationen. Bei seinem Tor stand Kai Havertz im Abseits.

Griechenland hätte höher führen können

Vielleicht war noch erschreckender, wie offen die Mannschaft bei Kontern war. Robert Andrich hielt nicht viele Gegner auf dem Weg zum Tor auf. Griechenland, nicht mal für die Euro qualifiziert, nutzte nicht alle Lücken in der Abwehr. Die Gäste hätten früher und auch höher führen können, in diesen Situationen hielt Neuer gut.

In der zweiten Halbzeit sprang der Motor langsam an. Hinten mussten Rüdiger und Joshua Kimmich ein paar Stürmer passieren lassen. Aber von der Bank erhielt Deutschland mit Leroy Sané und David Raum neue Kraft. Der Ausgleich zum 1:1 entsprang der Flachpassstafette Andrich, Gündoğan, Sané. Havertz drehte sich ein wenig wie Gerd Müller im WM-Finale 1974. Immerhin, der Stürmer trifft auch ohne großen Anlauf. Den Griechen schwanden bald die Kräfte, ihre Konter beendeten sie immer früher. Deutschland übernahm die Kontrolle.

Deutschland zeigt Siegeswillen

Viele Chancen ergaben sich nicht. Für Deutschland fielen zwei Einzelaktionen von Eingewechselten auf. Ein Fernschuss von Benjamin Henrichs schlug mit Wumms an die Latte. Das Siegtor schoss Pascal Groß, es war ein gekonnter Abstauber aus 15 Metern. Die Wechsel wirkten nicht strategisch, sie gehorchten dem Motto: Viel hilft viel. Überhaupt intervenierten Julian Nagelsmann und Sandro Wagner kaum, sondern ließen es geschehen. Deutschland schlug die Griechen mit vereinten Kräften, die Masse macht es manchmal. Vor dem geduldigen Publikum in Mönchengladbach zeigte Deutschland Siegeswillen.

Drei von vier Spielen in diesem Jahr hat Deutschland gewonnen. Unter normalen Umständen sollte Deutschland auch die Schotten am Freitag im Eröffnungsspiel schlagen. Gegen Ungarn stehen die Chancen ebenfalls gut. Und dann mal sehen. Doch der knappe Sieg gegen Griechenland fußte auf einer extrem schwachen ersten Halbzeit. Dieses mäßige Niveau hätte man der Mannschaft gar nicht mehr zugetraut. Und Nagelsmann schien seine Elf bei den zwei Siegen im März gefunden zu haben.

Fragezeichen vor der EM

Jetzt stehen hinter ein paar Spielern Fragezeichen. Wenn man Maximilian Mittelstädt spielen sieht, erkennt man keinen Grund, warum Robin Gosens aussortiert wurde oder David Raum auf der Bank sitzt. Robert Andrich unterschreitet in manchen Szenen das erforderte technische Level deutlich. Florian Wirtz und Jamal Musiala treffen manche wirren Entscheidungen, vielleicht sollte sich der Trainer für einen von beiden entstanden. Wird Gündoğan immer zuerst ausgewechselt?

Und da ist noch Manuel Neuer, der von seinen eigenen Fehlern getroffen wirkt. Die Bäckchen sind auch nicht mehr rot, eher blass. "Ich lasse keine Diskussionen aufkommen", sagte Nagelsmann am Fernsehmikro. Das wird dem Bundestrainer nicht gelingen.