In der Diskussion um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland haben sich die Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Eva Högl (SPD), und der Reservistenverband für neue Konzepte ausgesprochen. "Niemand möchte die alte Wehrpflicht reaktivieren. Bei der Debatte geht es um neue Modelle und Konzepte", sagte Högl den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Eine neue Dienstpflicht solle in einen "Gesellschaftsdienst" eingebettet sein und müsse neben der Bundeswehr auch die Bereiche Soziales, Kultur und Umwelt abdecken.

Das Thema Dienstpflicht berühre "ganz grundsätzliche Fragen, die quer durch politische Parteien und unsere Gesellschaft unterschiedlich beantwortet werden", betonte Högl. Daher müsse die Diskussion sorgfältig, umfassend und ergebnisoffen geführt werden.

Auch der Präsident des Reservistenverbands der Bundeswehr, Patrick Sensburg, forderte eine Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten auf den Zivilschutz sowie Hilfs- und Rettungskräfte. "Alle jungen Menschen sollten zu einem Pflichtdienst von mindestens einem Jahr herangezogen werden und sich dann zwischen den verschiedenen Organisationen entscheiden", sagte Sensburg den Funke-Zeitungen.

Pistorius informiert sich auf Skandinavien-Reise über schwedische Wehrpflicht

Im Interview mit der ZEIT sagte der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer, dass er an eine Wiedereinführung der Wehrpflicht glaubt: "Ich gehörte zu denen, die dafür waren, sie abzuschaffen. Heute muss ich feststellen: Das war ein Fehler", sagte er. "Ich denke, wir werden auf längere Sicht nicht darum herumkommen, sie in der einen oder anderen Form wieder einzuführen."

Die Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht war von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angestoßen worden. "Gesellschaftlich müssen wir uns die Frage stellen, wer dieses Land verteidigen soll, wenn es ernst wird", sagte der Minister etwa im Januar im Bundestag. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel will Pistorius noch in dieser Legislaturperiode eine "Richtungsentscheidung" treffen und bis zur Bundestagswahl 2025 einen eigenen Vorschlag für ein Wehrpflichtmodell vorlegen.

Derzeit reist der Minister durch Skandinavien, um sich unter anderem über das schwedische Modell einer Wehrpflicht zu informieren. Dieses sieht vor, dass zwar alle jungen Frauen und Männer eines Jahrgangs gemustert werden, aber nur ein ausgewählter Teil tatsächlich den Grundwehrdienst leistet.

In Deutschland war die Wehrpflicht im Jahr 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht stößt vor allem in der FDP, aber auch bei der SPD und Grünen auf Widerstand.