Viktor Orbán hat dem Westen vorgeworfen, seinem Land durch Sanktionen "fremde Werte" aufzwingen zu wollen. Bei einer Rede im rumänischen Băile Tușnad bezeichnete der ungarische Ministerpräsident den Westen als eine absteigende Zivilisation. "Leistung, Ansehen und Handlungsfähigkeit" des politischen Gegners befänden sich "im Schwinden", sagte Orbán.

Bei seinem Auftritt im Rahmen einer Veranstaltung der von Orbán mitbegründeten Fidesz-Partei verbreitete der Politiker auch Verschwörungstheorien über die Europäische Union. So sagte er etwa, dass "Brüssel" von einer "Heerschar" des US-Investors George Soros geführt werde. Der gebürtige Ungar und Holocaustüberlebende Soros gilt als Feindbild der Fidesz-Partei, die seit rund 30 Jahren eine Sommerakademie in Băile Tușnad abhält. Der Kurort befindet sich in einem ungarischen Siedlungsgebiet, das bis 1918 zu Ungarn gehört hatte. Orbán tritt dort traditionell als Schlussredner auf. Rumänische Nationalisten hatten versucht, seine Ansprache zu stören, und wurden von Polizisten abgeführt.

Ungarn befindet sich wegen des Abbaus von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, den Orbán seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2010 vorantreibt, im Streit mit der EU. Derzeit laufen mehrere Verfahren gegen das Land, die zu einem Entzug von EU-Fördermitteln führen könnten. "Sie sollen leben, wie sie wollen, aber sie sollen auch uns leben lassen, wie wir wollen", sagte Orbán in seiner Rede. Damit spielte er auf Sanktionen an, die die EU wegen eines ungarischen Gesetzes anstrebt, das die Informationsrechte über Homosexuelle und Transsexuelle in dem Land einschränkt. Auch die Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern in Ungarn war von der EU im vergangenen November als rechtswidrig eingestuft worden.

Neben seinen eigenen Konflikten mit der EU äußerte sich Orbán auch zur Russlandpolitik des Westens. Zu lange habe dieser die Sicherheitsansprüche Russlands ignoriert und damit einen Krieg heraufbeschworen, der "mit US-Präsident Trump und Bundeskanzlerin Merkel nie passiert wäre". Orbán implizierte dabei, die ehemaligen Regierungschefs der USA und Deutschlands hätten eine ähnlich russlandfreundliche Politik wie er betrieben.