Es ist ein Ort mit Symbolcharakter, an dem Zsuzsa Bodnár die Reporter treffen möchte. Ein kleiner Spielplatz am Ortsrand von Göd, einem 22.000-Einwohner-Städtchen 25 Kilometer nördlich von Budapest. Hier, zwischen Klettergerüsten, verwitterten Fußballtoren und einem bunten Schaukelzebra, steht man in einer Art Niemandsland. "Die üblichen Regeln und Gesetze gelten hier nicht", sagt Bodnár. "Es ist, als würde dieses Areal nicht zur EU gehören."

Eine hohe Wand soll die Einfamilienhäuser zur Linken vor dem Lärm aus den hellgrauen Fabrikhallenquadern zur Rechten schützen. Sie gehören zum Batteriewerk des südkoreanischen Samsung-Konzerns, das 2017 in Betrieb genommen und schon mehrfach erweitert wurde. Es fertigt unter anderem Batteriezellen für die elektrischen Modelle von BMW und VW. Und es produziert Lärm, eine Menge Lärm. "Die Nachtschichten der Fabrik sind oft die lautesten", sagt Bodnár, die im Ort wohnt und sich im lokalen Umweltverein Göd-ÉRT engagiert. Manchmal, sagt sie, sei da ein Dröhnen wie bei einem großen Flughafen. Da helfe auch die Lärmschutzwand wenig.

Aktivistin Zsuzsa Bodnár prangert an, dass die Batteriefabrik Umwelt und Anwohner belaste. © Markus Wanzeck für ZEIT ONLINE

Die Anwohner und Anwohnerinnen können nichts dagegen tun. Ihre Stadtverwaltung auch nicht. Ungarns autoritär regierender Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei haben 2020 der Gemeinde die Fabrik und das umliegende Gelände inklusive des alten Spielplatzes per Dekret entzogen und zur Sonderwirtschaftszone erklärt. Der damalige Bürgermeister von Göd, Mitglied einer Oppositionspartei, hatte der Riesenfabrik zu kritisch gegenübergestanden.

Seitdem hat die Stadt hier nichts mehr zu melden. Die Sonderwirtschaftszone, 400 Hektar groß, ist nun die Spielwiese von Samsung.

"Die Firma", sagt Bodnár, "kann hier nach Belieben schalten und walten." Eine weitere Folge von Orbáns Strafaktion: Die Gewerbesteuern der Südkoreaner, zum damaligen Zeitpunkt ein Drittel der Steuereinnahmen Göds, flossen fortan an der Stadtkasse vorbei.

Ungarn will bei Batterien vorne mit dabei sein

Das Beispiel zeigt, mit welcher Rücksichtslosigkeit Orbáns Regierung vorgeht. Die Fidesz-Partei möchte aus Ungarn um jeden Preis eine Großmacht machen: eine Batterie-Großmacht, die bei der globalen Verkehrswende vorneweg fährt. 2030 soll das kleine mitteleuropäische Land (9,6 Millionen Einwohner) drittgrößter Produzent von E-Autobatterien sein, nach China und Deutschland. Dafür gibt Fidesz Vollgas.

Drei Batteriewerke und rund drei Dutzend Zuliefererfabriken wurden bereits im Land errichtet, weitere Großprojekte sind in Planung. Der chinesische E-Auto-Weltmarktführer BYD hat entschieden, sein erstes europäisches Werk in der südungarischen Stadt Szeged zu bauen. Und vor den Toren von Ungarns zweitgrößter Stadt Debrecen zieht der chinesische Konzern CATL derzeit für rund sieben Milliarden Euro – die größte ausländische Investition in der Geschichte des Landes – ein Batteriewerk hoch, das über eine jährliche Produktionskapazität von 100 Gigawattstunden verfügen soll, genug für rund eine Million E-Autos.

Bis 2030 sollen Ungarns Batteriefabriken insgesamt 300 Gigawattstunden produzieren können. Im Vergleich zu den aktuell 87 Gigawattstunden wäre das mehr als eine Verdreifachung und fast so viel wie die 350 Gigawattstunden, die Deutschland bis dahin anpeilt. Viele ungarische Experten kritisieren das als größenwahnsinnig. Sie warnen nicht nur vor Umwelt- und Gesundheitsgefahren, sondern auch vor wirtschaftlichen Risiken.

Ständig neue Skandale

Zsuzsa Bodnár schlägt vor, eine Runde um das riesige Samsung-Fabrikgelände in Göd zu fahren. Die Türen ihres Kleinwagens quietschen beim Öffnen. Im Schritttempo fahren wir los und sind eine Weile unterwegs, so groß ist das Areal. 6.000 Menschen arbeiten derzeit hier, schätzungsweise die Hälfte davon Gastarbeiter. Die nächste Erweiterung ist bereits im Gange. Auf der Seite des Geländes, die dem Spielplatz gegenüberliegt, passieren wir ein Dorf aus dunkelblauen Wohncontainern.

Bodnár erzählt von den Skandalen, für die die Samsung-Fabrik in den vergangenen Jahren sorgte – zumindest in den wenigen verbliebenen unabhängigen Medien Ungarns. Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wurden demnach missachtet, wiederholt kamen Angestellte in Kontakt mit krebserregenden Substanzen. Und es muss wiederholt Brände auf dem Gelände gegeben haben; zumindest lege der Löschschaum das nahe, der gelegentlich aus der Kanalisation der Stadt quelle, sagt Bodnár. Die Zwischenfälle wundern sie nicht. "Mehr als fünf Jahre lang wurde die Fabrik ohne gültige Umweltzulassung betrieben", sagt die Aktivistin.

2022 wurde in Brunnen von Göd die gesundheitsschädliche Chemikalie NMP gefunden, ein in der Batterieproduktion gängiges Lösungsmittel, das die Fortpflanzung schädigen, Haut, Augen und Atemwege reizen kann. "Die Behörden unternahmen nichts", sagt Bodnár. "Sie sagten: Erst brauchen wir Beweise, dass das NMP aus der Fabrik stammt. Sonst gehen wir der Sache nicht nach." Offizielle Dokumente, auf deren Herausgabe Göd-ÉRT geklagt hatte, zeigten, dass es auf dem Werksgelände seit Jahren keinen funktionierenden Brunnen zur Überwachung des Grundwassers mehr gab.