Carola Lentz' Ankündigung, auf eine zweite Amtszeit als Präsidentin des Goethe-Instituts zu verzichten, kommt nicht wirklich überraschend, so bedauerlich diese Entscheidung auch sein mag. Ihre Arbeit für Goethe, erklärte die emeritierte Professorin für Sozialanthropologie, kollidiere mit ihren künftigen Vorhaben in der wissenschaftlichen Forschung. Lebensgeschichtlich ist das ein vollkommen plausibler Grund, ein Ehrenamt abzugeben, Lentz war seit 2020 Präsidentin – für diese besondere Institution jedoch ist ein Rückzug der Präsidentin im November 2024 nach nur vier Jahren Amtszeit schon ein wenig aufsehenerregend.

Irgendetwas, so macht es den Anschein, hat dann doch auf Dauer eine harmonische Schwingung zwischen der Präsidentin Lentz und dem Institut mit all seiner Eigen- und Einflussdynamik behindert. Trotz anfänglichem Enthusiasmus, trotz Wohlwollen und Kompetenz und sogar vor dem Hintergrund der wichtigen Akzente, die Carola Lentz in Sachen Dekolonisierung oder Erinnerungspolitik setzte: In dieser Hinsicht ist sie eine unbestechliche Wissenschaftlerin, die beiden Themen ins Spektrum der praktischen Arbeit Einlass verschaffte, aber diese Arbeit auch vor der politischen Hysterie und den polemischen Spitzen jener Debatten schützte. Diese Mäßigung ist ein hohes Gut, und manches spricht dafür, dass die Zeitläufte, genauer gesagt das Massaker der Hamas im Oktober 2023 und die davon ausgelösten Zwiste, Lentz am Ende davon überzeugten, dass eine auswärtige Kulturpolitik im Geiste des Ausgleichs und der Offenheit kaum noch in gewohnter Art fortzuführen möglich sei.

Carola Lentz hat als Präsidentin eine schwierige Zeit erwischt, aber wer unter ihren Vorgängerinnen und Vorgängern hatte schon eine leichte Zeit? Eine Struktur- und Finanzkrise ereilt das Goethe-Institut etwa alle zwanzig Jahre, das Interesse der jeweiligen Außenminister an Kultur ist schwankend, und die weltpolitische Lage zwingt die Bundesrepublik immer wieder, sich in ihrer kulturellen Austauscharbeit anders und vor allem präziser zu positionieren. Die Zeit eines idealistischen Multilateralismus in den auswärtigen Beziehungen ist ebenso vergangen, wie die Erwartungen an einen gleichsam natürlich wachsenden Kulturstaat mit mehr und mehr Goethe-Instituten illusorisch geworden sind.

Es fiel Carola Lentz erkennbar schwer, die angekündigten Institutsschließungen im westlichen Teil der Welt zu rechtfertigen, ebenso ein ehrgeiziges Sparprogramm, das viele Goethe-Mitarbeiter den Job kosten wird. Diese Haltung ist moralisch achtbar, hilft letztlich der Einrichtung aber wenig. Verglichen mit ihren Vorgängerinnen und Vorgängern – mit dem realpolitischen Stoizismus Jutta Limbachs oder dem unermüdlichen konstruktiven Eigensinn eines Klaus-Dieter Lehmann – verfügte Lentz anscheinend über weniger Willen, sich mit Parlamentariern und Diplomaten in engen Zeiten über kleine Lösungen zu streiten, auch kaum über jene Unerschrockenheit, sich in der Öffentlichkeit ungefragt mit kulturpolitischen Belangen einzumischen.

Als Lentz sich im Januar in einem Beitrag für den Spiegel dann doch programmatisch zu Wort meldete, erntete sie nicht nur Beifall. Sie sprach darin von einem "zunehmend intoleranten Debattenklima, das auf der Straße, in den Feuilletons und vor allem in den sozialen Medien zu spüren ist." Während heftig über einen israelbezogenen Antisemitismus in der Kulturszene und über die Probleme einer "Kontextualisierung" des Hamas-Angriffs gestritten wurde, positionierte sich Lentz im Sinne jener, die in diesen Debatten eher Versuche wahrnahmen, propalästinensische Haltungen zu unterdrücken. Sie wollte auf einen "'neuen McCarthyismus in der Kulturwelt" aufmerksam machen und nutzte dazu das von der israelkritischen Philosophin Susan Neiman geprägte Schlagwort.

Eine solche Haltung einzunehmen ist ihr Recht, und vermutlich ist es sogar Carola Lentz mitzuverdanken, dass das Goethe-Institut bisher nicht zum Schlachtfeld dieses Kulturkampfes geworden ist. Trotzdem bleibt die Frage, wie weit sie in ihrem Beitrag für ihre Institution redete. Mit der vielsagenden Frage "Wird die viel zitierte 'Staatsräson' mit Bezug auf das Existenzrecht Israels über die Kunstfreiheit gestellt?" warf sie jedenfalls einen Gegensatz auf, der für eine Goethe-Präsidentin so nicht existieren kann. An dieser Stelle wäre die Kulturdiplomatin zu erklären aufgerufen gewesen, dass die historische Verantwortung der Bundesrepublik und eines ihrer grundgesetzlichen Güter zwar in Spannung geraten können, aber nie in einen absichtlich geschürten oder gar unversöhnlichen Konflikt geführt werden. Wer, wenn nicht Goethe wäre das Gegenbeispiel?

Wem an diesem entscheidenden Punkt Zweifel über den inneren Gleichgewichtssinn der eigenen Einrichtung und an der Selbstregulation der diskutierenden Öffentlichkeit kommen, fällt es wahrscheinlich schwer, die auswärtige Kulturarbeit von heute zu repräsentieren. Der Austausch mit arabischen Partnern wird für die Institute vor Ort konflikthaft bleiben, auch der mit afrikanischen oder den chinesischen Partnern. Die Präsidentin oder der Präsident des Goethe-Instituts muss überzeugend vermitteln, dass dies alles – diese Auseinandersetzung über Israel, das koloniale Erbe, den Westen oder den Talmiglanz des Autoritären – nicht vergebens sei, sondern nötig und sinnvoll. Und dass diese Auseinandersetzung mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen in Gestalt kooperativer Kulturarbeit auch möglich ist.

Der Zuwahlausschuss des Goethe-Präsidiums sei bereits aktiviert, ließ die Münchner Zentrale unterdessen verlauten. Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Carola Lentz soll am 19. November das Amt antreten.