Eine bröckelnde Wand zu tapezieren, ist zwar noch keine Renovierung, aber im Moment offenbar die bevorzugte Problemlösungsstrategie der Bundesregierung. Die neueste angepappte Rolle: Bundesinnenministerin Nancy Faeser will Personen abschieben, die Hasspostings ins Internet schreiben. "Islamistische Hetzer, die geistig in der Steinzeit leben, haben in unserem Land nichts zu suchen", sagte sie dazu den Zeitungen der Funke Mediengruppe.  

Hintergrund dieses Vorhabens ist die rapide gestiegene Zahl antisemitischer Posts und solcher, die den Terror der Hamas in Israel verherrlichen. Die angestrebte Verschärfung, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschloss, ist auch eine Reaktion darauf, dass ein mutmaßlich islamistischer Afghane vor wenigen Wochen in Mannheim den Polizisten Rouven Laur niederstach

Zwei Dinge sind absolut zwingend und richtig: Erstens darf es nicht folgenlos bleiben, wenn ein Beamter in der Ausübung seines Dienstes getötet oder verletzt wird. Und die Angriffe auf Polizeibeamte sind im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Dass die Politik nun handelt, ist also ohne Alternative.  

Zweitens ist es längst überfällig, entschiedener gegen Gewalt im Internet vorzugehen. Plattformen wie X, TikTok und Telegram sind voll von Hass und Hetze, von Propaganda, Beleidigungen und offenen Drohungen. Und der digitale Raum ist nicht schalldicht, was dort passiert, findet Widerhall in der realen Welt. Israelfeindliche, islamistische Beiträge riefen zu Demonstrationen auf, die Besetzung der Humboldt-Universität in Berlin von Israelhassern wurde bei Instagram live übertragen. Rechtsextreme vernetzen sich in einschlägigen Gruppen, ihre Parolen im Netz haben Folgen auf der Straße – zum Beispiel, als Neonazis den SPD-Politiker Matthias Ecke ins Krankenhaus prügelten. Die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr wurde 2022 von einem Mob der Impfgegner und Coronaleugner aufs Heftigste angefeindet, kurz darauf nahm sie sich das Leben.  

Am falschen Ende angesetzt

Kann das Vorhaben der Regierung solche Gewalt künftig verhindern? Vermutlich nicht. Einerseits lassen sich komplexe Probleme nicht mit einer einzelnen Maßnahme lösen. Andererseits setzt sie am falschen Ende an.  

Sicher, wer andere in Deutschland bedroht oder angreift, darf damit nicht davonkommen. Das gilt für Deutsche genauso wie für Ausländer, dafür gibt es den Rechtsstaat, und der regelt auch präzise, wer bleiben darf und wer nicht. Wer einen Polizisten mit einem Messer angreift, verwirkt sein Recht auf Schutz und muss bestraft werden.  

Bei Hasspostings ist die Sache schon etwas komplexer. Schon ein einzelner Beitrag soll künftig ausreichen können, um eine Person auszuweisen. Man muss dieses Detail zusammen denken mit der Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Regierungserklärung nach der Messerattacke von Mannheim. Scholz sagte, dass bei Terrorverherrlichung in besonders schweren Fällen keine gerichtliche Verurteilung abgewartet werden müsse, bevor eine Ausweisung erfolgen kann. Recht dystopisch ist die Vorstellung, künftig könnten die Behörden ohne juristische Prüfung Menschen für die falsche Wortwahl in einem Social-Media-Posting bereits nach Afghanistan oder Syrien zurückschicken. So aber will es das Kabinett.

Nein, das relativiert solche Hetze nicht. Aber wer schon einmal selbst Drohungen und Beleidigungen im Netz angezeigt hat, weiß, wie langsam die Ermittlungen oft vorangehen und wie kleinteilig die juristische Bewertung abgewogen wird. Ein Beispiel: Der Satz "Man sollte dir deinen Schädel einschlagen" wurde gerichtlich für nicht strafrechtlich relevant befunden, da darin keine Absichtserklärung stecke. Strafbar im Sinne einer Drohung wäre der Satz "Ich will dir deinen Schädel einschlagen". Ohnehin wird ein großer Teil der Verfahren eingestellt, weil beispielsweise die Urheber von Hasspostings gar nicht ermittelt werden können. Das bedeutet keineswegs, dass man nicht hart und noch härter gegen Hass im Netz vorgehen könnte. Realistisch betrachtet ist allerdings weder zu erwarten, dass die Zahl der Abschiebungen krimineller Ausländer dadurch signifikant steigt, noch dass die Menge der Hetze im Netz signifikant sinkt.  

Eine schnelle Lösung, die keine ist

Man kann natürlich trotzdem dafür oder dagegen sein. Das Ärgerliche an dem Vorhaben ist nicht die Sache selbst, noch nicht einmal ihre absehbare Wirkungslosigkeit. Das wirklich Ärgerliche ist die Tischfeuerwerkhaftigkeit dieser Politik. Hier wird eine schnelle Lösung versprochen, die keine ist.  

Stattdessen täte die Bundesregierung gut daran, sich ein tragfähiges, realistisches und ressentimentfreies Migrationskonzept zu überlegen. Sie täte gut daran, sich dem Hass im Netz und auf der Straße entgegenzustellen, und sie täte gut daran, Strafverfahren effizienter zu gestalten, vor allem schneller. Alle drei Probleme sind ernst und komplex, für alle drei erwartet die Bevölkerung zu Recht Lösungen. Das hat sie bei den jüngsten Wahlen deutlich gemacht. Und auch wenn die jüngste Abschiebungsverschärfung nur ein Teil eines größeren Pakets sein sollte, dann wäre es wünschenswert, die Bundesregierung teilte ihren Masterplan dahinter einmal mit.  

Doch so verengt sie die drei großen Komplexe zu einem Vorurteilscocktail. Aber die große Mehrheit der Geflüchteten ist nicht kriminell oder extremistisch. Lösungen für die Unterbringung, Integration und Finanzierung wären viel drängender. Die meisten Hasspostings kommen nicht von Islamisten, sondern von Rechtsextremen, eindämmen lässt sich das bislang kaum. Darüber hinaus verschwindet der Hass nicht, indem man ihn verbietet, egal aus welcher Richtung er kommt. Das Strafrecht kann das nicht lösen, denn es ist ein politisches Problem. Und eine Strafrechtsverschärfung beschleunigt die träge Justiz auch nicht, da müssten Versäumnisse aus Jahrzehnten aufgearbeitet werden. Es fehlt an praktisch allen Stellen an qualifiziertem Personal und funktionalen Prozessen. Das schreckt Kriminelle nicht ab und greift das Sicherheitsempfinden vieler an. Es wäre schön, die Bundesregierung entwickelte Lösungen, die sich an den realen Problemen orientieren. Eine blumige Tapete hält die Wand nicht vom bröckeln ab.