Die Pflege von Angehörigen in Heimen wird immer teurer. Mittlerweile werden im Schnitt 2.871 Euro pro Monat aus eigener Tasche fällig. Das sind 211 Euro mehr als vor einem Jahr. Wer kann das bezahlen? Martin Moritz von der Hamburger Angehörigenschule berät seit 20 Jahren Familien, die pflegebedürftige Angehörige haben. Und er weiß Rat, wie man eine finanzielle Katastrophe verhindern kann.

ZEIT ONLINE: Gerade warnen die Ersatzkassen, dass die Kosten fürs Pflegeheim immer teurer werden. Wen betrifft dieses Problem – und wie groß ist es?  

Martin Moritz: Es kann jeden treffen. Aktuell leben in Deutschland gut 800.000 Menschen in Pflegeheimen. Alle, die noch so viel Vermögen haben, dass sie den Eigenanteil zahlen können, sind von der Kostensteigerung betroffen. Bei etwa einem Drittel der Heimbewohner muss das Sozialamt einspringen. Da wird dann geguckt, ob die Angehörigen etwas dazuzahlen können. 

ZEIT ONLINE: Wann ist das der Fall? 

Moritz: Wer mehr als 100.000 Euro im Jahr verdient, muss sich an den Heimkosten der Eltern beteiligen. Anders ist die Situation, wenn der direkte Lebenspartner oder die Partnerin pflegebedürftig wird. Da gilt diese Grenze nicht, sondern es wird genau geguckt: Was braucht die Person zu Hause als Selbstbehalt, und wie viel muss sie abgeben fürs Pflegeheim? 

ZEIT ONLINE: Warum ist die Eigenbeteiligung an so einem Heimplatz so hoch? Immerhin zahlt man jahrzehntelang in die Pflegeversicherung ein. 

Moritz: Bei der Abrechnung der Kosten im Pflegeheim gibt es den Pflegeanteil, der von der Pflegeklasse bezuschusst wird. Der reicht manchmal aus, aber längst nicht immer. Dazu kommt eine Summe, die man als sogenannten Hotelkostenanteil zusammenfasst: Da stecken Essen, Trinken und Betriebskosten drin. In vielen Bundesländern werden da auch Investitionskosten und eine Ausbildungsumlage mit reingepackt. All das zusammen ergibt diese hohen Summen, die oft das Vermögen der Pflegebedürftigen aufbrauchen. Viele rutschen über die Jahre im Pflegeheim in die Sozialhilfe.  

ZEIT ONLINE: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Investitionskosten? 

Moritz: Da sind Posten enthalten wie Modernisierung und Inventar. Aber eine richtig gute Definition dafür habe ich auch noch nicht gefunden. Letztlich geht es darum, die Rahmenbedingungen in den Heimen aufrechtzuerhalten, und man kann sich schon fragen, ob dafür wirklich die zu Pflegenden aufkommen sollten. Genau darüber wird gerade diskutiert, und die Bundesländer handhaben das unterschiedlich. Für die Kurzzeitpflege beträgt der Hotelkostenanteil in Hamburg rund 60 Euro am Tag und in Schleswig-Holstein nur 35 bis 40 Euro. 

ZEIT ONLINE: Sie beraten seit zwanzig Jahren Angehörige von Pflegebedürftigen. Was ist deren größte Sorge, wenn sie zum ersten Mal zu Ihnen kommen? 

Moritz: Die größte Sorge ist immer das Heim. Die allermeisten möchten sich zu Hause um ihre Mütter, Väter und Partner kümmern, solange es irgendwie möglich ist. Und das tun sie ja auch: Von den rund fünf Millionen Pflegebedürftigen werden fünf Sechstel zu Hause gepflegt. Nur jeder Vierte von ihnen nimmt einen Pflegedienst in Anspruch. Oft kommen die zu Pflegenden erst in ein Heim, wenn die Angehörigen überhaupt nicht mehr können. Hier müsste man ansetzen und sich viel stärker um Zwischenlösungen bemühen. Das würde das gesamte Pflegesystem entlasten.  

ZEIT ONLINE: Welche Zwischenlösungen könnten das sein?  

Moritz: Im Moment entscheiden sich die meisten Familien zwischen einer vollstationären Pflege im Heim mit Dreischichtmodell und der Pflege zu Hause. Dabei gibt es auch die Möglichkeit einer Tagespflege. Das sind Einrichtungen, vergleichbar mit Tagesstätten, in die Menschen je nach Pflegegrad zwei, drei, vier Tage die Woche gehen können. Sie werden dann zum Beispiel morgens mit dem Auto abgeholt und am Nachmittag wieder nach Hause gebracht. Tagsüber werden sie dort versorgt, bekommen Essen, Therapie- und Beschäftigungsangebote und haben Gesellschaft. Nicht mal fünf Prozent der Pflegebedürftigen greifen auf dieses Angebot zurück.