Die Weserkompensation

Ich bin dieses Jahr schon zweimal geflogen, nach Paris und nach Venedig. Darauf bin ich nicht stolz, aber schön war’s trotzdem. Für die Sommerferien werde ich mich jedoch CO2-neutraler verhalten, mit einer Bahnfahrt im Vierstundenradius und einer auf das Fahrrad beschränkten Fortbewegung am Zielort. Geplant ist ein Aufenthalt in einem gemütlichen und individuell eingerichteten Zimmer mit Vollpension, ach, was sag ich: Essen à la carte mit ökologisch angebautem Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten, mit Hausbar, jederzeit Süßigkeiten, Bad zur Alleinbenutzung und Sportgeräten aus verschiedenen Jahrzehnten.

Man kann dieses Pensionszimmer auch mein Kinderzimmer nennen, das irgendwie so geblieben ist, wie ich es mit 19 verlassen habe: Ich werde nämlich im Juli Urlaub bei meiner Mutter machen. Sie kann nur noch nicht so richtig glauben, dass all die Ausschnitte des Täglichen Anzeigers, die sie mir über die Jahre geschickt hat, etwas bewirkt haben. Diese befassten sich ausschließlich mit den Erfolgen des Weserberglandtourismus, den smoothen Radwegen, den Schönheiten der Weser, den Annehmlichkeiten dieser Region zwischen Weserrenaissance-Schlössern und ausufernden Gewerbegebieten mit größeren Supermärkten, als man sie in Berlin je gesehen hat.

Der Plan ist: Mit meiner Mutter den Fluss entlangradeln, mit meinem ältesten Freund darauf paddeln auf der Oberweser, voraussichtlich vorbei an Boffzen und Rinteln, die übrigens in einer Geschichte von Wiglaf Droste vorkommen, in der er aus den Ortsnamen unanständige Verben gemacht hat.

Als ich diesen Plan meiner Mutter mitteile, sagte sie zunächst nur sehr erstaunt: "Ach?!", mit einer leichten Zweifelsschleife am Ende. Damit hatte sie nicht gerechnet – denn ansonsten sind Gespräche über meine Urlaubsziele stets nach demselben Muster verlaufen. Ich nenne ein Ziel, und sie übersetzt, bislang erfolglos, dessen Vorzüge in die Gegebenheiten des Weserberglandes. Eine Reise nach Bhutan? "Wir haben hier doch auch sehr schöne Berge." Eine Woche auf Kreta? "Du könntest statt ans Meer ja auch mal hier ins Freibad, das ist gerade fertig renoviert." Wandern in Südtirol? "Im Solling kann man ja auch sehr schön wandern, aber das ist dir wohl nicht exotisch genug." Yogaurlaub an der lykischen Küste? "Du könntest stattdessen auch mal mitkommen in meine Gymnastikgruppe dienstags!"

Ich falle jetzt also zurück in die Zeit, in der fünf Tage in Cuxhaven mit der ganzen Familie den Höhepunkt des Urlaubsjahres dargestellt haben. Und zwar mit Vorfreude. Denn die Vorstellung einer übersichtlichen Sommerfrische mit begrenztem Radius finde ich gerade sehr erfrischend. Und nach dem Paddeln bestelle ich mir dann zu Hause Kartoffelpuffer!

Carmen Böker

Kontoschonend unterwegs

Auf ungezählten Zugfahrten zwischen meinem Wohnort Heidelberg und meiner Heimatstadt Hamburg hatte ich mir jedes Mal erträumt, die Strecke einmal aus eigener Kraft zurückzulegen. Irgendwann sackte die Idee vom Kopf in die Beine und ich fuhr los: 900 Kilometer, erst am Rhein entlang bis Duisburg, dann über Haltern am See und Münster zur Porta Westfalica, von dort über Verden nach Hamburg. Acht Tage nahm ich mir dafür Zeit, für die Planung leider keinen einzigen. Ich besaß weder gepolsterte Radlerhosen (Jeans) noch eine praktische Lenkertasche (Rucksack auf dem Gepäckträger) noch ein Tourenrad (Baumarkt-Bike). Aber einen Tacho hatte ich.

Geschlafen habe ich in Jugendherbergen der billigsten Kategorie, bei Geschwistern oder Freunden. Ressourcenschonend sollte meine Reise vor allem für mein Konto sein. Sie war es aber auch für die Umwelt – abgesehen vielleicht von ein paar Garnituren Jugendherbergsbettwäsche.

Meine Nerven dagegen hat die Fahrt nicht geschont. Bei Gegenwind und Regen fährt man am Rhein doch eher 13 Stundenkilometer als die optimistisch veranschlagten 20. Weil ich mein Tagespensum schaffen musste, hielt ich so gut wie nie für Sehenswürdigkeiten. Die Altstadt von Mainz habe ich auf dem Weg zu einem Fahrradgeschäft nur gestreift, die Herde Wildpferde bei Dülmen habe ich gesucht, aber nicht gefunden. Die vorbeirollende Landschaft war sehenswürdig genug.

Dennoch habe ich mich selten so entspannt und gleichzeitig dynamisch gefühlt. Das Beste: Ich kann diesen Zustand jederzeit wieder erreichen. Es braucht nur ein Fahrrad mit funktionierenden Bremsen – und den Entschluss, loszufahren und nicht mehr anzuhalten.

Friederike Mayer-Lindenberg

Ferienhäuser sind das Größte

Vielleicht mag ich Ferienhäuser vor allem deshalb, weil ich im Urlaub – mit Ausnahme der Menschen, die ich liebe oder kennenlernen möchte – gern so wenig wie möglich kommuniziere.

Ich kann es nicht genießen, wenn man mich im Hotel dauernd bedient und hinter mir herräumt. Wenn ich ab 11 Uhr ein schlechtes Gewissen habe, weil es mir noch zu früh ist, um raus in die Sonne zu gehen, die Reinigungskräfte auf dem Flur vor meiner Tür aber seit einer Stunde mit dem Staubsaugerrüssel scharren. Wenn Wildfremde beschließen, dass meine Bücher auf den Nachttisch gestapelt sein sollten und mein Schlafanzug zusammengelegt auf das Kopfkissen gehört. Und warum eigentlich ist der internationale Code für Würden-Sie-bitte-meine-Handtücher-austauschen-sehr-nett-vielen-Dank, sie wie Putzlumpen auf dem Badezimmerboden liegen zu lassen, damit das Zimmermädchen sich auch ganz bestimmt bücken muss, um sie einzusammeln?

Ferienhäuser sind das Größte. Und sie entbinden den Reisenden nicht nur von diesen Sorgen zwischenmenschlicher Natur. Wer im Urlaub die Umwelt schonen möchte, kann diesem Wunsch in einem Ferienhaus genauso gut nachkommen wie zu Hause, ohne sich vorher durch seitenlange Ausstattungshinweise scrollen zu müssen. Man lebt einfach genau so nachhaltig, wie man es für notwendig und richtig hält.

Statt sich lange mit dem Restaurant-Chef über die Zubereitung des Essens und die Herkunft der Zutaten auszutauschen, schlappen Sie auf dem lokalen Wochenmarkt vorbei, kaufen ein, was Sie anlacht, und bereiten es sich am Abend in der eigenen Küche zu, manchmal sogar unter freiem Himmel. Statt sich über Plastikflaschen aufzuregen, kaufen Sie Ihre Getränke in der Darreichungsform, die Ihnen zusagt.

Statt sich über übertrieben große oder überhaupt vorhandene Pools und lärmende Klimaanlagen (die sich, seien wir ehrlich, nie wirklich mit der hoteleigenen Fernbedienung regulieren lassen) zu echauffieren, wählen Sie ein Haus ohne Pool, dafür vielleicht mit Gartenschlauch. Und auf den Kykladen in Griechenland zum Beispiel macht der Meltemi im Sommer ohnehin jeden Ventilator überflüssig.
Bettwäsche? Wechseln Sie, so oft Sie es für nötig halten. Handtücher? Dito. Die allermeisten Ferienhäuser verfügen inzwischen über eine Waschmaschine, die Sie in Gang setzen, wenn sie halt voll ist. Genau wie zu Hause. Nur dass Sie, während sie läuft, der Sonne mit einem Mythos-Bier in der Hand beim Untergehen ins ägäische Meer zusehen können. 

Karin Ceballos Betancur