An dem Gymnasium in Lauttasaari,
einem Außenbezirk von Helsinki, endet der erste Schultag nach den Sommerferien.
Fünf Monate lang war die Schule geschlossen, wegen Corona. Draußen lockt ein
hellblauer finnischer Spätsommertag. Lehrerin Marjaana Ajanto fährt per Fernbedienung das Smartboard an
der Stirnseite des Klassenraums herunter, ein fast zwei Quadratmeter großer
Touchscreen, direkt verbunden mit den Computern der Schüler. Jeder Schüler
bekommt hier einen Laptop von der Schule gestellt. Dabei ist die Schule keine
besondere, in den Räumen stehen einfache Holzstühle und Tische, von den Wänden
blättert schon ein wenig die Farbe. Die Ausstattung der Schüler mit
elektronischen Arbeitsgeräten ist in Finnland ganz normal.
In Deutschland sieht das ganz anders aus: Hier kommen einer Studie der Gesellschaft für digitale Bildung zufolge 68 Schüler auf einen Laptop. Nur in einem Viertel der deutschen
Schulen gibt es WLAN für alle. Und nur vier Prozent der
in der Studie befragten Achtklässlerinnen berichten, dass ihre Lehrer digitale
Mittel im Unterricht einsetzen würden. Im Umgang mit
Apps für den Unterricht sind nur die wenigsten Lehrer ausgebildet. Als im März die Schulen schließen
mussten, war die schlechte digitale Ausstattung der Schulen für Familien ein Problem. Schüler wurden nicht richtig gefördert und viele Eltern haben unter der Doppelbelastung, sowohl die Kinder zu betreuen als auch den eigenen Job zu erledigen, gelitten. Dass in Deutschland vieles nicht funktioniert habe, hat auch die Regierung erkannt und Angela Merkel verkündete nun, man wolle die Schulen "mit Hochdruck digitalisieren". Auf dem aktuellen Schulgipfel wurde als Sofortmaßnahme beschlossen, dass 800.000 Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland noch in diesem Jahr Dienstlaptops erhalten sollen. In Finnland lässt sich schon jetzt beobachten, wie technische Hilfsmittel und eine digitale Ausbildung das Leben von
Eltern, Schülern und Lehrern erleichtern. Und warum Laptops allein nicht reichen werden.
Im finnischen Lauttasaari sitzen ein paar Schüler noch in der
Kantine über ihren leeren Tellern. Das Schulessen ist in Finnland, auch das ist hier selbstverständlich, für alle Kinder kostenlos.
Marjaana Ajanto winkt einer Kollegin zu und eilt zum Auto, sie muss
zu Hause den Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten. Bis vor ein paar
Jahren noch beriet sie Microsoft bei der Entwicklung von Lernprogrammen für die
Schule, bis sie sich entschied, in die Praxis zu wechseln und Englisch und
Wirtschaft zu unterrichten. Papier, abgesehen von ein paar Büchern, benutze sie
im Unterricht nur noch ganz selten, sagt sie. Matheaufgaben,
Chemietests oder Zeichenübungen, für alles gibt es ein Computerprogramm. Für
die Kommunikation mit den Eltern und Schülern nutze sie selbstverständlich
Wilma, einen Messenger-Dienst speziell für Schulen. "Ihr habt kein Wilma in
Deutschland?", fragt Ajanto amüsiert. "Wir wissen gar nicht, wie wir ohne jemals
arbeiten konnten." Seit mehr als zehn Jahren gibt es die App in Finnland schon.
Wilma ist so eine Art Schlüsseltechnologie, wenn man wissen
will, warum in Finnland der Unterricht auch in Corona-Zeiten fast reibungslos
weiterlief und den Eltern ihre eigene Arbeit erleichterte. Marjaana Ajanto zeigt die App auf ihrem Smartphone. Anstatt
jedes Elternteil einzeln anzurufen oder mühsam Antworten auf Gruppenmails
einzufordern, schreibt sie ihre Nachrichten in die verschiedenen Kanäle der
App, an ihre Klasse, an einzelne Schüler oder an die Eltern. Hat eine Schülerin
gefehlt, ein Schüler den Unterricht gestört, soll morgen eine Englischtest
geschrieben werden oder leidet eine Schülerin unter Mobbing oder zu viel
Stress, die Eltern werden darüber von den Lehrern per Wilma-Nachricht informiert.
Auch Zensuren und ihre Lernstatistik können die Schüler in der App sehen, ihre
Eltern lesen mit. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil es in Finnland überall, auch
auf der entlegensten Rentierfarm, Highspeed-Internet gibt.
Tanja Huutonen ist finnische Botschaftsrätin in Berlin und
kennt beide Seiten, die deutsche und die finnische. Sie kann es kaum glauben,
wenn ihr Freunde in Deutschland berichten, wie das Homeschooling die Tage durcheinanderbrachte und wie sehr ihre eigene Arbeit
darunter gelitten habe. "Eine deutsche Bekannte hat mir erzählt, bei ihrer
Tochter hätte der Klassenlehrer einmal in der Woche angerufen und 30 Seiten
Aufgaben im Mathebuch durchgegeben, das war's." Andere erzählten ihr, manche Lehrer
hätten nicht mal eine dienstliche Mailadresse oder wohnen im Funkloch. Die
Betreuung der Schulaufgaben sollte dann von den Eltern zu Hause erledigt werden. Das könne sie überhaupt nicht verstehen.
"Bei uns in Finnland gilt: Eltern dürfen keine Lehrer sein. Das Unterrichten
ist Sache der Schule und dieser Verantwortung müssen die Lehrer auch gerecht
werden. Und dafür gibt es digitale Unterstützung."
An dem Gymnasium in Lauttasaari,
einem Außenbezirk von Helsinki, endet der erste Schultag nach den Sommerferien.
Fünf Monate lang war die Schule geschlossen, wegen Corona. Draußen lockt ein
hellblauer finnischer Spätsommertag. Lehrerin Marjaana Ajanto fährt per Fernbedienung das Smartboard an
der Stirnseite des Klassenraums herunter, ein fast zwei Quadratmeter großer
Touchscreen, direkt verbunden mit den Computern der Schüler. Jeder Schüler
bekommt hier einen Laptop von der Schule gestellt. Dabei ist die Schule keine
besondere, in den Räumen stehen einfache Holzstühle und Tische, von den Wänden
blättert schon ein wenig die Farbe. Die Ausstattung der Schüler mit
elektronischen Arbeitsgeräten ist in Finnland ganz normal.