DIE ZEIT: Frau Kefalogianni, in Griechenland haben die Anwohner in den Küstenregionen im vergangenen Jahr gegen den zunehmenden Tourismus demonstriert. Sie forderten freien Zugang zu den Stränden. Auch auf Mallorca und den Kanaren gingen die Menschen jetzt auf die Straße. Warum beschweren sich gerade diejenigen über den Tourismus, die von ihm leben?

Olga Kefalogianni: Ich denke nicht, dass diese Beobachtung in der Breite auf Griechenland zutrifft. Der Tourismus hat uns in den schwierigen Jahren der Schuldenkrise sehr geholfen. Er hat uns Stabilität verschafft, obwohl ab 2012 viele Gäste dem Land ferngeblieben sind. Schließlich brachte die Situation im Land auch einen gewaltigen Imageschaden mit sich. Es hat dann große Anstrengungen gebraucht, Griechenland wieder stärker auf die touristische Landkarte zu bringen. Aber seitdem haben wir die Zahl der Gäste nahezu verdoppelt. 2023 war ein Rekordjahr mit 33 Millionen Ankünften im Land.

ZEIT: Aber über diese Massen beklagen sich die Leute doch.

Kefalogianni: Wir haben einen zehnjährigen Entwicklungszyklus im Tourismus hinter uns. Der ist jetzt abgeschlossen. Unser nächstes Ziel muss sein, mehr Ausgewogenheit zu finden. Wir müssen die Natur und die kulturellen Ressourcen besser schützen. Und wir brauchen mehr Gleichgewicht zwischen der Entwicklung des Tourismus und dem täglichen Leben der Menschen in den Gebieten, die im Moment am beliebtesten sind.

ZEIT: Was bedeutet das konkret?

Kefalogianni: Die Kykladeninsel Santorini beispielsweise ist ein einzigartiger Ort mit einem breiten Angebot an Unterkünften von sehr hohem Standard. Aber es darf nicht sein, dass im Sommer drei oder vier gigantische Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen der Insel anlegen. Das kann nicht funktionieren. Daher diskutieren wir gerade mit den Schifffahrtsbehörden und den Anbietern, wie wir ein strengeres System für die Vergabe der Slots an den Häfen schaffen.

Olga Kefalogianni, 49 © imago images

ZEIT: Kann Tourismus überhaupt nachhaltig sein, wenn es doch vor allem darum geht, eine große Menge an Menschen in das Land zu bringen?

Kefalogianni: Ich denke schon. Griechenland geht beispielsweise voraus bei der Überwachung der Meeresküsten im Mittelmeerraum, um Verschmutzung zu verhindern. Die Konsequenz muss auch sein, dass wir touristische Aktivitäten in einigen Bereichen einschränken. Die griechische Regierung hat bereits vergangenes Jahr damit begonnen, die Strände zentral und mit digitalen Mitteln zu überwachen. An 200 Stränden des Landes wird es keine kommerziellen Aktivitäten mehr geben.

ZEIT: Keine kostenpflichtigen Liegen, keine Schirme, keine Strandbars?

Kefalogianni: Exakt! Jeder soll Zugang zum Strand haben, ein Handtuch hinlegen und die Sonne und das Meer genießen können.

ZEIT: Die Demonstranten aus dem vergangenen Jahr hatten mit ihren Forderungen also recht?

Kefalogianni: So würde ich das nicht sagen. Dennoch ist es wichtig, dass wir als Regierung die Anliegen der Zivilgesellschaft im Blick behalten und gleichzeitig nicht die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft zu sehr beschränken.