Zum Beispiel im Hotel. Frühstücksbuffet, alles ist da: Rührei, Spiegelei, gekochtes Ei, Bacon, Lachs natürlich, außerdem Pfannkuchen, Brot und Brötchen sowieso. Die Quellen der Speisen scheinen nie zu versiegen, bis 10.30 Uhr wird nachgefüllt, dann schließt das Restaurant. Und das restliche Essen? Landet größtenteils im Müll.

Wobei Hotels selbstverständlich nur einer von vielen Schauplätzen sind, an denen sich dieses Elend täglich zuträgt. Entlang der gesamten Ernährungskette, vom Feld bis zum Esstisch, werden genießbare Lebensmittel systematisch verschwendet. In der EU werden laut EU-Kommission im Jahr fast 59 Millionen Tonnen weggeschmissen – entspricht rund 131 Kilogramm pro Kopf oder, in Geld ausgedrückt: etwa 132 Milliarden Euro. Man muss gar nicht erst den Welthunger bemühen, um das irre zu finden. Es reicht ein Blick auf die immensen Begleitkosten, die unsere auf Masse ausgerichtete Lebensmittelproduktion verursacht. Die Hälfte ihrer weltweiten Treibhausgasemissionen geht allein auf Abfälle und Verluste zurück. Der hohe Pestizideinsatz der konventionellen Landwirtschaft schadet der Artenvielfalt, und vielen Tieren in den Ställen geht es alles andere als gut. Unter dem Schlagwort "Ernährungssicherheit" kann man Milchkühe mit Euterentzündungen und bedrohte Wildbienen vielleicht gerade noch rechtfertigen. Aber was, wenn ein Gutteil des so erzeugten Essens gar nicht dem hehren Ziel der Versorgung dient, sondern einfach in der Tonne endet?

Im heimischen Kühlschrank gilt: Trauen Sie Ihren Sinnen!

Dass es so nicht bleiben kann, ist in Europa prinzipiell Konsens. Am Montag verständigten sich nach Parlament und Kommission auch die 27 EU-Umweltminister auf Reduktionsziele: Die Lebensmittelverschwendung soll bis 2030 entlang der Kette um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Hinter den Nachhaltigkeitszielen der UN, die eine Halbierung der Verschwendung vorsehen, bleibt das allerdings zurück. Und wie genau man die verschiedenen Sektoren zur Müllvermeidung anhalten will, ist auch fraglich – zumal es in vielen Bereichen nicht einmal verlässliche Zahlen zum Status quo gibt.

Angefangen bei der Landwirtschaft. Für Deutschland geht das Agrarministerium davon aus, dass in diesem Bereich nur zwei Prozent der Lebensmittelverluste anfallen. Doch das bezieht lediglich Waren ein, die etwa auf dem Weitertransport beschädigt werden. Nach Schätzungen von Umweltorganisationen wie dem WWF verlassen weit größere Mengen an Essbarem gar nicht erst den Hof. Kleinere Kartoffeln zum Beispiel werden oftmals einfach untergepflügt, weil sie den Ansprüchen von Verarbeitern oder Handel nicht genügen. Denn die wiederum bevorzugen nach wie vor makellose Ware der Handelsklasse I, obwohl die allzu strengen EU-Normen (Stichwort: Gurkenkrümmung) schon im Jahr 2009 abgeschafft wurden. Aber, heißt es dann: Die schiefe Möhre lasse der Verbraucher im Supermarkt ja immer noch liegen.

Überhaupt, der Verbraucher: 59 Prozent und damit der Hauptteil der Lebensmittelabfälle fallen laut Agrarministerium in den privaten Haushalten an. Woran die Lebensmittelindustrie durchaus eine Mitschuld trägt. Riesige Packungen und Einkaufswägen verleiten zum Zuviel, das hinterher zu Hause übrig bleibt. Und dann ist da noch das Mindesthaltbarkeitsdatum, das von der Industrie vielfach bewusst früh angesetzt wird, um schneller Ware nachschieben zu können. Im heimischen Kühlschrank wird es dann zu oft als Verfallsdatum missverstanden, obwohl die allermeisten Produkte auch nach dem aufgedruckten Stichtag genießbar sind. (Hier gilt: Trauen Sie Ihren Sinnen!)

Gegen all diese Missstände ist Deutschland bislang zu zaghaft vorgegangen, im Wesentlichen bleibt es bei Aufrufen zur freiwilligen Selbstverpflichtung. Dabei gäbe es durchaus andere Wege. In Frankreich etwa bekommen Händler bei Lebensmittelspenden Steuergutschriften. In Tschechien drohen sogar hohe Geldbußen, wenn unverkaufte Lebensmittel nicht gespendet werden. Und in Italien sorgt ein Gesetz dafür, dass Organisationen, die Essensspenden entgegennehmen, rechtlich wie Endverbraucher behandelt werden; so müssen sie letztlich nicht für Hygienemängel haften. Womöglich müsste Deutschland also gar nicht auf neue EU-Gesetze warten, um auch so manche Hotelbuffetreste vor der Tonne zu retten. Letzte Idee: Die Ampel folgt dem Vorbild Österreichs, wo große Händler nun vierteljährlich zur transparenten Berichterstattung über ihre Lebensmittelentsorgung verpflichtet sind. Aber "Berichtspflicht" für Unternehmen – wie das wohl die FDP fände?