Wenig liebt Deutschland so sehr wie die klamme Frage, was man denn in diesem Land überhaupt noch darf, vor allem in der Zukunft. Und da wir uns in diesem Feuilleton erstens für Modalverben und zweitens für den Frieden dieser lieben Menschheit zuständig fühlen, wollen wir hier einmal perspektivisch die drängendsten Verbotsfragen klären, auch wenn unsere Sicht auf die kommende Gegenwart etwas von malerischem norddeutschem Bodennebel getrübt ist. Ganz klar verboten wird jedenfalls der Satz "Nur für den Hinterkopf" in geschäftlichen Konferenzen, weil der die künftige Hutmode vor Probleme stellt, sollte sich dahinten täglich mehr und mehr anhäufen, ebenso wird die Anrede "Huhu" in E-Mails arbeitsrechtlich relevant, und "Hi, ihr Lieben" in Internetvideos wird mit sofortiger Profillöschung beantwortet. 

Da aber Gesellschaft ein ständiger Austausch von Erlauben und Verbieten ist, ein sanfter Fluss von Sanktion und Belohnung, wird im Gegenzug Instagram als Fern-Uni für die Fächer "Psychotherapie" und "Nudelgerichte" anerkannt, was zum Beispiel Lara (22) und Marius-Leon (17) endlich für den regulären Arbeitsmarkt interessant macht. Vermutlich wird sich, und das begrüßen wir, auch ein Moratorium für Romane durchsetzen, in denen literarisch durch Berlin flaniert wird, ebenso eine Deckelung sozialrealistischer Problemfilme, in denen sich sorgerechtsradikale Eltern an der Kochinsel anschreien, und ein Verbot von Essgeräuschen in Kinos und öffentlichen Verkehrsmitteln, mit besonders scharfen Sanktionen gegen Rohkost, außer Knollensellerie, weil der das einzige Gemüse ist, das aussieht, als habe es interessante Gedanken. 

Als Landesernährungsausgleich führen Schulkantinen bundesweit das Winnetouschnitzel ein, um Kinder "knusprig und spielerisch" in Leitkultur zu unterweisen, was im wütend gebohnerten Meinungskorridor der Republik ein wenig Aufruhr erzeugt, unter anderem, weil die neuen Kantinenspeisekarten nicht landesweit verbindlich laminiert sind und in Deutschland Dinge erst verbindlich sind, wenn sie laminiert wurden. 

Der sogenannte Berliner Szenebezirk Kreuzberg-Friedrichshain erlaubt probeweise als Antwort auf gestiegene Energiepreise, dass sonntags mit brennenden Autos und Matratzen die Straßen geheizt werden dürfen, aber erst ab drei Grad Außentemperatur, im Sommer erhalten zugereiste Tigermücken Eintrittsverbot in jeglicher Außengastronomie und auch für Privatwohnungen, sollten sie sich mehrfach mit "Straßenhose" aufs Sofa setzen, unterdessen wird es Hunden erlaubt oder vielleicht auch verboten, Aktiendepots bis 200.000 Euro zu besitzen, da sind wir nicht ganz sicher. Was wir allerdings sicher wissen, ist, dass die Frage "Darf man denn noch?" zum immateriellen Kulturerbe angemeldet wird, sehr vermutlich noch in diesem Jahr.