Stromnetz Der gescheiterte Tennet-Kauf wird Deutschland viel Geld kosten

Im Wasser, an Land, unter der Erde. Deutschland fehlen Stromautobahnen. Dass Berlin nun die deutschen Netze des Übertragungsnetzbetreibers Tennet nicht kauft, macht Lösungen absehbar komplizierter Quelle: Christian Charisius/dpa

Der Bund übernimmt das Tennet-Stromnetz doch nicht. Auch wenn sich wohl ein anderer Interessent finden wird: Viel Zeit geht verloren, die Deutschland in der Energiewende nicht hat – und die uns viel Geld kosten wird.

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Der Deal schien so gut wie sicher. Morgen, übermorgen, bald, so meldeten Nachrichtenagenturen zwischenzeitlich, würde der Verkauf des deutschen Teils des niederländischen Übertragungsnetzbetreibers Tennet an die Bundesregierung besiegelt. Das sei wichtig. Denn für die Energiewende sei nichts so notwendig wie Anschlüsse und HGÜ-Leitungen: Konverterstationen auf Nord- und Ostsee, Leitungen in der See, aber natürlich auch die Stromautobahnen von Nord nach Süd, allen voran der Suedlink. Der Investitionsbedarf, um die Lücke zu schließen, ist gewaltig.

Deswegen erschien es als eine gute Idee, fast zwingend, dass der Bund jenen Übertragungsnetzbetreiber übernimmt, der vor allem für das Küstengebiet Niedersachsens zuständig ist, die früheren E.On-Hochspannungsnetze betreibt – und auch am Suedlink beteiligt ist: Tennet. Der nächste Schritt schien auch vorgezeichnet. Eine engere Koordination der insgesamt vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber, möglicherweise, aber nicht ausschließlich in Form einer deutschen Netz AG. An den drei anderen Übertragungsnetzbetreibern ist der Bund über die Investitionsbank KfW bereits beteiligt: An 50Hertz mit 20 Prozent, an TransnetBW mit 24,95 Prozent. Und RWE erwägt offenbar, demnächst einen Anteil von 25,1 Prozent an Amprion zu verkaufen – auch hier würde der Bund als Käufer in Frage kommen.

Das alles kostet: Zeit

Für den Deutschland-Teil von Tennet stand ein Preis von etwa 20 bis 25 Milliarden Euro im Raum. Im nächsten Schritt sollte der Bund, so die Idee, den Großteil an Infrastrukturfonds verkaufen, selbst aber eine Sperrminorität behalten.

Aus. Vorbei. Daraus wird nun nichts. Die Bundesregierung, so heißt es offiziell, habe die Verhandlungen mit der niederländischen Regierung wegen „Haushaltsproblemen“ beendet. Das Desaster um den Klima- und Transformationsfonds (KTF) hat dazu geführt, dass nicht mehr ausreichend Geld in der Kasse ist – und auch der politische Wille in der Ampel offenbar, wie so oft, fehlt. 

Für das Projekt der Energiewende ist das Platzen des Tennet-Deals ein denkbar schlechtes Signal in einer schwierigen Phase. Konverterstationen – letztlich gigantische Steckdosen – und Leitungen für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) sind zentrale Voraussetzungen für Investitionen etwa in Offshore-Windparks, die in der deutschen See bis 2030 von einer Kapazität von derzeit rund acht Gigawatt auf 30 Gigawatt anwachsen sollen. Für die nächsten zehn Jahre, bis 2033, rechnet Tennet mit einem Investitionsbedarf von rund 160 Milliarden Euro, allein für das Gebiet der deutschen Tennet dürften rund 100 Milliarden Euro nötig sein. Es ist nicht unmöglich, nun neue Finanzierungsmodelle zu finden. Aber das wird Zeit kosten. Offenbar haben Infrastrukturfonds bereits ihr Interesse gegenüber dem niederländischen Staat bekundet. Die Umsetzung wird dauern und kompliziert werden. Die ganz neue Deutschlandgeschwindigkeit, das ist das Drama, nähert sich der ganz alten.

Die Posse mit den Freileitungen

Das ist schon bei der Kraftwerksstrategie so, die den Finanzierungsrahmen für den Bau zusätzlicher Gaskraftwerke schaffen soll. Die soll eigentlich seit dem vergangenen Jahr da sein, hängt aber – immer noch – in Brüssel. Dazu hat eine neue, reichlich absurde Debatte darüber eingesetzt, ob es nicht doch besser wäre, HGÜ-Leitungen über Stromtrassen in der Höhe, Freileitungen zu führen, anstatt Kabel in der Erde zu vergraben. Zugegeben, die Kosten mag das kurzfristig drücken, sogar erheblich. Aber der Schwenk dürfte gleichzeitig Jahre der Neuplanung fressen – und so ebenfalls kosten. Zudem wäre diese erneute Volte angesichts der erhitzten, seinerzeit vor allem von Horst Seehofers CSU betriebenen, Debatte reichlich absurd.

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Es ist eine Binse. Aber die negativen Folgen einer Hängepartie bei den Netze können nicht überschätzt werden. Nach dem Platzen des Tennet-Deals muss Berlin deshalb jetzt zügig klare und attraktive Rahmenbedingungen für Investoren schaffen. Dabei ist das, zugegeben, nicht einfach. Jeder Schritt, der zu einer weiteren Erhöhung der Netzentgelte führt, ist ein No-Go. Denn das mag zwar für Investoren attraktiv sein, vertreibt aber diejenigen, die am Schluss an diesen Netzen hängen und für den Strom zahlen sollen: Die Industrie.

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