Etwa ein Fünftel (22 Prozent) des Strompreises, den Haushalte in Deutschland zahlen, entfällt auf die so genannten Netzentgelte. Das sind die Gebühren, die Verbraucher nicht für die Erzeugung des Stroms zahlen, sondern für den Transport, also für die Nutzung von Stromleitungen. Und bei der Höhe dieser Entgelte gibt es, wie spätestens seit der heftigen Debatte um ihre Höhe den meisten Menschen bewusst sein dürfte, erhebliche regionale Unterschiede.
Denn die Investitionskosten der etwa 900 Verteilnetzbetreiber in Deutschland schwanken stark. In Ostdeutschland etwa musste lange deutlich mehr in neue Leitungen investiert werden, aber auch die Industrie- und die Bevölkerungsdichte sind Faktoren. Vor allem aber war zuletzt entscheidend: Wie viel muss ein Netzbetreiber in den Anschluss neuer Anlagen für Erneuerbare Energien investieren, in Windräder, aber auch in Solarparks?
Im Ergebnis hat das dazu geführt, dass Verbraucher ausgerechnet in jenen Bundesländern höhere Netzentgelte zahlen müssen, die sich beim Ausbau der Windkraft hervorgetan haben, also etwa in Schleswig-Holstein, in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Brandenburg. Das Vergleichsportal Verivox hat berechnet, dass ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden in Schleswig-Holstein im Schnitt derzeit 480 Euro netto für Netzentgelte zahlt, in Brandenburg 477 Euro, in Mecklenburg-Vorpommern 447 Euro. In Nordrhein-Westfalenbeträgt der durchschnittliche Preis 360 Euro.
In Baden-Württemberg sind es dagegen nur 321 Euro, in Bayern 323 Euro, im dicht besiedelten Bremen 254 Euro. Der bundesweite Schnitt bei den Stromnetzentgelten liegt bei 350 Euro. Mit einem Preis von 360 Euro liegt Nordrhein-Westfalen knapp über dem Durchschnittswert. Die Regierungschefs aus den norddeutschen Bundesländern prangern die Systematik der Netzentgelte schon länger an. Es könne doch nicht sein, argumentieren sie, dass die Erneuerbaren-Pioniere auch noch bestraft werden.
Die Netzagentur will reformieren
Klaus Müller, der Chef der Bundesnetzagentur in Bonn, hat nun angekündigt, an dieser ungleichen Verteilung der Kosten etwas ändern zu wollen, die Höhe der Netzentgelte fairer gestalten zu wollen. Die Netzagentur spielt bei der Festlegung der Entgelte die entscheidende Rolle. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2021 zudem verfügt, dass die Behörde künftig eigenständiger entscheiden können soll, unabhängiger von politischen Vorgaben, vor allem aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium. Eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes, die diese Vorgabe umsetzen soll, liegt derzeit im Bundestag. Bis zum Herbst soll sie beschlossen sein. Das ist die rechtliche Grundlage, auf der Müller dann einen umfassenden Vorschlag zur Reform der Netzentgelte vorlegen will. Wie der genau aussehen soll, ist noch offen.
Verivox hat nun auch berechnet, was eine Angleichung auf die bisherigen bundesweiten Durchschnittskosten für die Verbraucher in einzelnen Bundesländern bedeuten würde. Demnach müssten Haushalte in Schleswig-Holstein und Brandenburg im Schnitt 27 Prozent weniger bezahlen, sie würden sich 130 und 127 Euro im Jahr sparen, in Mecklenburg-Vorpommern würden die Kosten um 22 Prozent sinken. In Bremen dagegen würden sie um 38 Prozent steigen (96 Euro), in Baden-Württemberg um 9 Prozent (29 Euro), in Bayern um 8 Prozent (27 Euro). Im Bundesdurchschnitt sind die Netzentgelte in den vergangenen fünf Jahren laut Verivox um 28 Prozent gestiegen. Dieser Trend, so heißt es bei Verivox, werde sich auch bei einer Angleichung in den nächsten Jahren wohl fortsetzen – vor allem, weil der Investitionsbedarf in den „Umbau der Energieinfrastruktur“ hoch bleibe.
Eine andere Diskussion: Die Stromgebotszonen
Eine von der Diskussion über die Struktur der Netzentgelte losgelöste Diskussion ist der Streit über die genaue Struktur des Strommarktes in Deutschland. Bisher gibt es für den Großhandel eine so genannte Stromgebotszone, in der die Preise für Strom gleich sind. Allerdings gibt es Vorschläge, das zu ändern und mindestens zwei Stromgebotszonen zu schaffen. Dort, wo bislang weniger Strom erzeugt wird – etwa in den südlichen Bundesländern – wäre er dann teurer als dort, wo viel Strom erzeugt wird, vor allem grüner Strom, also in den nördlichen Bundesländern.
Die Logik hinter diesen Überlegungen sieht so aus, dass es sich dann lohnen würde, in die Erzeugung von Strom – etwa in Bayern – zu investieren, dass also Anreizstrukturen geschaffen würden. Ungewöhnlich wäre das nicht, Italien und Schweden etwa haben mehrere Gebotszonen. Aber vor allem die süddeutschen Länder sperren sich gegen einen solchen Schritt. Sie fürchten unter anderem eine Abwanderung von Industrie.
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