Deutschland-Trikot Gratis Check24 sollte seine Trikot-Aktion besser nicht wiederholen

Quelle: imago images

Was auf den ersten Blick wie eine sensationelle Marketingaktion aussieht, ist unter Experten höchst umstritten. Die Urheber haben ihre Kampagne offensichtlich nicht zu Ende gedacht. Eine Kolumne.

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Manche halten die Kampagne für einen „unglaublichen Coup“, möglicherweise den Marketing-Coup des Jahres. Die Rede ist von Check24 und ihrer Trikot-Aktion zur EM 2024: Im Zusammenhang mit Check24 ist in diesen Tagen vom vielleicht größten PR-Coup dieser Monate die Rede. Und wer sich auf Fanfesten oder Public-Viewing-Veranstaltungen umschaut, weiß, worum es geht. Check24 hat in den vergangenen Wochen fünf Millionen Trikots im Deutschland-Design verschenkt. Ganz kostenlos sind die Jerseys nicht, Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass man dafür mit seinen Daten bezahlen muss. Trikots hat erhalten, wer sich die Check24-App heruntergeladen und angemeldet hat.

Die Presse überbietet sich darin zu wissen, wie der Coup gelang: Auf den Fanmeilen und in der Straßenbahn sind sie nicht zu übersehen, selbst Tiktok ist voll davon, heißt es. Mit seinen Deutschland-Trikots, die Check24 millionenfach verschenkt hat, ist dem Vergleichsportal schon jetzt der größte Marketing-Coup der Europameisterschaft geglückt. Marke und Trikot sind derzeit Gesprächsthema; zahlreiche Memes kursieren rund um das Shirt. Ebenso möglich ist allerdings, dass nur die Marketing-Blase darüber redet – und die Menschen weiter unaufgeregt ihrem Leben nachgehen.

Erdacht haben die Werbe-Aktion die beiden Check24-Firmengründer Heinrich Blase und Eckard Juls selbst, die Entscheidung dafür ist wohl schon im vergangenen Herbst gefallen. In einem Jahr mit einer Europameisterschaft im eigenen Land, die noch dazu als „EM 24“ Ähnlichkeiten zur eigenen Marke aufweise, wollte Check24 auffallen. Die Aktion mit einem kostenlosen Trikot habe man ausgeheckt, um einen „Extra-Booster“ zu bekommen, so Blase. Ähnliche Aktionen hat es von anderen Unternehmen schon gegeben, „aber es war nicht die Qualität von einem Hersteller wie Puma“.

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von Lisa Ksienrzyk, Alexander Voß

Check24: Umstrittene Kampagne

Tatsächlich ist die Idee alt. Die Deutsche Telekom hatte bereits mehrfach Trikot-Aktionen durchgeführt. 2006 und ebenso auch in diesem Jahr zur EM zusammen mit Adidas und RTL.

Die Kampagne von Check24 ist in vielerlei Hinsicht umstritten. Das vermeintlich kostenfreie Shirt ist für Fans nämlich keinesfalls vollkommen kostenlos. Experten warnen sogar vor den Gratis-Trikots, so übten etwa Verbraucherschützer deutliche Kritik: „Das Trikot gibt es natürlich nicht umsonst, man zahlt mit seinen Daten“, erklärt eine Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen laut WirtschaftsWoche.

Verbraucherschützer warnen sehr konkret vor den Folgen derartiger Marketingaktionen. „Persönliche Daten werden von vielen Unternehmen verwendet. Verbraucherschützer empfehlen aber, möglichst vorsichtig zu sein, welche persönlichen Daten man preisgibt – denn es ist unklar, was Unternehmen wie Check 24 damit machen. Fakt ist: Das Unternehmen ist an eine Fülle neuer Kundendaten gekommen. Für das Unternehmen ist das ein Coup. Denn eigentlich kosten neue Kundendaten viel Geld. Unter dem Strich ist Check24 durch die Trikot-Kampagne höchstwahrscheinlich günstiger an die Daten gekommen – und wird auch noch dafür gefeiert. Das Finanzmagazin „Finance Forward“ schätzt die Kosten für Produktion, Versand und Werbung auf 100 Millionen Euro.

Es gibt einen weiteren Aspekt, den Christoph Breuer, Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln, ins Spiel bringt: „Das Unternehmen Check24 zahle nicht für Sponsoring-Rechte, werde aber mit der Nationalmannschaft assoziiert.“ Solche Aktionen stellten auch eine zentrale Geschäftsgrundlage des Sport-Business auf den Prüfstand und gefährdeten sie möglicherweise. Die auf Gegenleistung basierende Beziehung zwischen Sponsor und Gesponsertem werde unterlaufen.

Jule Peters, Content Creator bei der Agentur The People Banding Company, schreibt bei LinkedIn: „Betrachtet man den Hype um das Check24 Trikot, lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Check24 macht Fußball für alle zugänglich – das Trikot ist kostenlos erhältlich und von einer renommierten Marke (Puma). Check24 verstärkt den Hype und begrenzte den Bestellzeitraum bis zum ersten Tag der EM. Inzwischen werden die Trikots auf eBay angeboten.“

Unqualifizierten Leads und immense Umweltschäden

Wie man der Diskussion auf LinkedIn unschwer entnehmen kann, gehen die Meinungen in der Kommunikationsbranche weit auseinander. Entscheidend ist jedoch immer das Kosten-/Leistungsverhältnis. Zu den Kosten der Aktion äußert sich Check24 nicht, doch sie werden inklusive Shirt-Produktion, Versandkosten und der Werbekampagne selbst zwischen 50 und 100 Millionen Euro liegen. Es ist damit eine der teuersten Werbe-Kampagnen des Jahres. Jede Kampagne auf diesem Niveau muss eine gewaltige Aufmerksamkeit und Wirkung erzeugen.

Wiebke Dreyer (HdK und UI Internationale Hochschule Berlin) bringt es auf den Punkt: „Was den ROI angeht – mit über 50 Mio. Euro eine hohe Sichtbarkeit zu erzeugen ist keine Kunst. Und 10 Euro pro Kundenadresse auszugeben ist ebenfalls nicht gerade billig, zumal diese Kunden kein Interesse an Check24 haben, sondern an einem Fußballtrikot, das heißt es handelt sich um unqualifizierte Leads. Das einzig Bemerkenswerte an der ganzen Sache ist, dass ein Unternehmen so viel Geld in die Hand nimmt, um fünf Millionen Werbegeschenke rauszuhauen.“

Auch das Thema Nachhaltigkeit können wir hier nicht einfach ausblenden. In einem Land, das sich bemüht, nicht nachhaltig und extrem billig produzierte Textilien zu vermeiden, darf man sich nicht damit brüsten, fünf Millionen Billig-T-Shirts unters Volk gebracht zu haben. Alleine die Produktion der Check24-Trikots dürfte nach Angaben von Jan Kratochvil, CEO von Winqs Sports, 13,5 Milliarden Liter Wasser verbraucht und 30.000 Tonnen CO2 verursacht haben. Er ergänzt: „Ich liebe gute Marketing-Kampagnen. Aber die besten von ihnen verzichten darauf, die Menschheit noch schneller in den Abgrund zu reißen.“

Unter Umwelt- und Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten ist die Aktion indiskutabel. Man muss hoffen, dass die Check24-Gründer eine solche Aktion nicht wiederholen.

Abschied vom Fernsehen?

Das bringt uns zum Thema des Sponsorings von Events wie einer Fußball-EM. Coca-Cola ging als bekanntester Sponsor der Euro 2024 in das Turnier. Gleichzeitig setzen sie ihre digitalste Sportkampagne aller Zeiten um und sind offenbar dabei, sich vom Fernsehen als Hauptmedium ihrer Kampagne zu verabschieden.



Die Fachzeitung „Horizont“ wittert für TV ein Problem. „Digital First wird als Media-Strategie immer häufiger zu einer realen Konkurrenz für klassische TV-Kampagnen. Coca-Cola liefert zur Fußball-Europameisterschaft aktuell ein besonders radikales Beispiel für den Trend. Hinter dem Medientrend steckt eine langfristige Veränderung der Rolle von Marken. Bisher schienen gerade die Genuss-Produkte der FMCG-Kategorie mit dem Werbekanal verheiratet. Denn bei diesen Produkten ist der Aufbau einer emotional geprägten Awareness entscheidend, wenn bei der Kaufentscheidung am Regal die Wahl auf die eigene Marke fallen soll.“

Coca-Cola experimentiert derzeit mit Live-Erlebnissen in der Musikwelt und versucht, seine eigenen Dosen über QR-Codes zum Medienkanal zu machen. Für Marketing-Experimente ist der Brause-Champion berühmt. Ein Abschied vom Fernsehen könnte jedoch ordentlich nach hinten losgehen. Alle Marken, die am Fernsehen sparen wollten, kehrten bisher reumütig zurück. Ein besonders eklatantes Beispiel hierfür ist ausgerechnet Adidas. Der gute, alte Flimmerkasten erzeugt bis heute die Reichweite, Öffentlichkeit und Sichtbarkeit, die eine Marke braucht, um überhaupt zur Marke zu werden – und eine zu bleiben.

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Wenn sich Coca-Cola eines Tages aber doch aus der Werbung im Fernsehen verabschieden sollte, bleiben den Sendern immer noch treue Werbekunden wie Check24, die den Wert des Mediums schätzen. Das Vergleichsportal ist eines der mit Abstand größten TV-Werbekunden in Deutschland – deutlich größer selbst als Coca-Cola – auch ohne Trikot-Aktionen. Auf Check24 ist Verlass.

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst am 2. Juli 2024. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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