Ja, ich bin der Geiz-ist-geil-Mentalität verfallen. Meiner Hausbank habe ich den Rücken gekehrt, weil ich ihr keine Kontoführungsgebühren mehr in den Rachen werfen wollte. Statt in der Kantine acht Euro für eine Mini-Portion Nudeln zu latzen, mache ich lieber Reste-Partys. Und in Duisburg wohne ich nicht nur, weil es hier so schön ist, sondern auch, weil es günstig ist. Da ist es nur folgerichtig, dass ich mein Geld bei jenem Broker anlege, der mit dem Ein-Euro-Trade berühmt geworden ist: Trade Republic.
Kostenlose Sparpläne, niedrige Ordergebühren, unschlagbare 3,75 Prozent Zinsen für geparktes Geld und jetzt auch noch ein Girokonto: Binnen weniger Jahre ist aus dem kleinen Fintech ein wichtiger Player geworden, dessen Angebot für viele der rund vier Millionen Nutzer – mich eingeschlossen – attraktiver ist als die Angebote der oft biederen Altbanken. Wenn denn alles rund liefe.
Momentan aber mehren sich die Beschwerden von Nutzern. Anfang vergangener Woche berichtete die WirtschaftsWoche, dass Anleger in zwei Kleinst-Kryptowährungen mit einer Frist von nur rund 24 Stunden über das Delisting ihrer Coins informiert wurden – um kurz darauf zu erfahren, dass diese doch weiter handelbar sein würden. Wenige Tage später folgte der nächste Ärger: Die Auszahlung der Dividenden bei einigen Aktien stockte, Aktionäre warteten teils eine Woche lang auf ihre Ausschüttungen. Auf Nachfrage begründete Trade Republic dies mit einer „Systemumstellung“. Sogar die Finanzaufsicht BaFin will den Problemen bei Trade Republic nun nachgehen, berichtet das „Handelsblatt“.
Nun kann man es kleinlich finden, wenn sich Anleger in sozialen Netzwerken darüber aufregen, ein paar Euro Dividende einige Tage nach dem offiziellen Zahltag gutgeschrieben zu bekommen. Im Kern aber haben sie mit ihrer Entrüstung absolut recht.
Jetzt kommt der große Test für Trade Republic
Fehler passieren, selbst (oder gerade) bei großen Finanzinstituten – die Postbank grüßt. Eines aber ist noch schlimmer als Fehler selbst: Wenn ein Unternehmen seine Kunden nicht transparent und unverzüglich über Probleme informiert. Und hier hat Trade Republic ein großes Defizit offenbart. Der Kundensupport ist, höflich formuliert, ausbaufähig. Eine Telefonnummer gibt es nicht, der Kundenkontakt läuft nur über Mail – und eine Rückmeldung lasse oft lange auf sich warten, berichten genervte Kunden.
Nutzer fühlen sich mit ihren Problemen alleingelassen. Dabei könnte Trade Republic sie schnell und unkompliziert via Push-Nachricht in der App oder über ihre Internetkanäle erreichen. Dann müssten Kunden nicht in sozialen Netzwerken über die Gründe für das jüngste Chaos rätseln. Für Trade Republic wäre eine professionelle Kommunikation zudem deutlich gesichtswahrender.
Diese Baustelle muss das Fintech nun anpacken. Andernfalls droht das Unternehmen das Vertrauen der Kunden zu verspielen. Wer mit Akteuren aus der Finanzbranche spricht, hört dieser Tage immer wieder, dass sich Trade Republic vielleicht etwas zu viel vorgenommen hat. Ein großes Anlageuniversum mit allen erdenklichen Aktien, Anleihen ab einer Ordersumme von einem Euro und abseitigen Kryptowährungen wie SushiSwap ist toll, vor allem, wenn es Billig-Konditionen gibt. Aber eben auch nur, wenn alles funktioniert.
Der große Test für Trade Republic ist gerade angelaufen: Nach und nach rollt der Neobroker sein Girokonto aus. Geht dabei alles gut, macht das Fintech den etablierten Banken auch auf diesem Gebiet Konkurrenz. Gibt es aber auch hier größere Probleme, dürfte das fürs Image von Trade Republic nicht gerade förderlich sein.
Lesen Sie auch: So bauen Eltern für ihre Kinder Vermögen auf