Harry Kane schleppte sich nur noch über den Platz. Der Kapitän der englischen Nationalmannschaft quälte sich im Viertelfinale der Europameistertäterschaft gegen die Schweiz noch einige Minuten durch die Verlängerung, ehe seinem Trainer Gareth Southgate anzeigte, dass er ausgewechselt werden muss.
Kane hat in der abgelaufenen Saison 45 Pflichtspiele für den FC Bayern München absolviert, dazu noch die Partien mit der Nationalmannschaft – der Akku des Stürmers scheint vor dem EM-Halbfinale einfach leer zu sein. Damit ist Kane nicht allein. Viele Profis klagen über die immer größer werdende Belastung durch die Ausweitung der Spielpläne mit immer mehr Wettbewerben und immer mehr Partien. Die Klub-Weltmeisterschaft, die Weltmeisterschaft und die Champions League werden in den kommenden Jahren weiter aufgebläht. In Europa gibt es mittlerweile drei internationale Pokalwettbewerbe mit Gruppenphase.
Zeitgleich zur Europameisterschaft findet in den USA die Copa America statt. Auch dort laufen die Profis zum Abschluss einer langen Saison auf dem Zahnfleisch. Nach dem überraschenden Sieg Uruguays gegen Brasilien im Viertelfinale (4:2 nach Elfmeterschießen) setzte Uruguays Nationaltrainer Marcelo Bielsa zu einer Grundsatzrede an. In einem zweiminütigem Monolog auf der Pressekonferenz nach dem Sieg feierte er nicht den großen Erfolg über Brasilien, sondern kritisierte die Entwicklung, die der Fußball in den vergangenen Jahren genommen hat. „Der Fußball bekommt immer mehr Anhänger, aber er wird immer unattraktiver. Was das Spiel zum besten Spiel der Welt gemacht hat, steht heute nicht mehr an erster Stelle“, sagte Bielsa.
„Die Spiele werden nicht mehr so attraktiv sein“
Der Argentinier ist seit 1995 Trainer, war schon für die Nationalmannschaft seines Heimatlandes verantwortlich und trainierte Spitzenklubs in Spanien, Frankreich, Italien und England. Der 68-Jährige weiß also, wovon er spricht: „Egal, wie viele Menschen Fußball schauen – wenn nicht sichergestellt wird, dass es ein schönes Erlebnis ist, dann steht nur das Geschäft im Vordergrund. Beim Geschäft interessiert nur, wie viele Menschen das Spiel schauen. Aber in einigen Jahren werden die Spiele nicht mehr so attraktiv sein.“
Die künstlich nach oben geschraubte Anzahl an Zuschauern werde so nicht zu halten sein: „Fußball besteht nicht aus fünf Minuten Höhepunkten. Fußball ist viel mehr als das, es ist ein kultureller Ausdruck, er ist ein Weg der Identifikation. Wir sollten den Weg, den sie uns vorgeben, ignorieren.“
Uruguay trifft im Halbfinale am kommenden Mittwoch auf Kolumbien, das sich im Viertelfinale 5:0 gegen Panama durchgesetzt hatte. Im zweiten Halbfinale treffen Argentinien und Kanada aufeinander.