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Bierreport Hopfen

Das bittere Gold aus der Hallertau

Wirtschaftskorrespondent
Mann mit Hopfen Mann mit Hopfen
Deutsche Brauer können beim Hopfen aus dem Vollen schöpfen
Quelle: Sascha Kreklau
Der Hopfen ist prägend für den ersten Eindruck eines Bieres. Unser Autor hat die Hallertau, das größte Anbaugebiet der Welt, besucht und ist dort dem Geheimnis der goldenen Dolden auf die Spur gekommen.

Andreas Kellner musste nicht lange nachdenken. „Ich bin in diese Welt reingewachsen“ sagt der 29-Jährige. „Daher kann ich mir gar nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.“ Also tritt der junge Bayer nun in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters und Urgroßvaters – und führt seit Mitte 2017 den familieneigenen Hopfenbaubetrieb. 51 Hektar bewirtschaften die Kellners in Pimmersdorf in der Gemeinde Rudelzhausen in der Hallertau, dem mit 2400 Quadratkilometer Fläche größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt. In normalen Jahren erntet die Familie rund 130 Tonnen Hopfendolden. Aber nicht jedes Jahr ist normal, weiß auch Kellner. „Klar ist das auch ein Risiko“ gibt der Landwirt zu. Noch mehr aber betont er die Chancen, die seine Arbeit mit sich bringt. Denn die Hopfenwirtschaft erlebt derzeit einen kräftigen Boom.

Ein Grund ist die global gesehen konstant hohe Bierproduktion. Zwar verlieren insbesondere die deutschen Brauereien seit etlichen Jahren deutlich an Volumen. Weltweit aber steigt in vielen Regionen der Ausstoß noch immer kontinuierlich an. Für 2016 meldet der sogenannte Barth-Bericht, der das Geschehen auf dem Weltmarkt jährlich zusammenfasst, eine Produktionsmenge von fast zwei Milliarden Hektolitern. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren waren es lediglich 1,4 Milliarden Hektoliter. Zum anderen ist Hopfen die wichtigste Zutat für Craft Beer. Und das liegt in der Bierwelt im Trend.

Hopfenanbau Kellner Pimmersdorf
Hopfen ist eine Kletterpflanze und wird in den Hopfengärten mit Hilfe von Hochgestängen, so genannten Gerüstanlagen, angebaut
Quelle: Carsten Dierig

Fans und Neugierige trinken Sorten wie Pale Ale und Stout, Wet Hop und IPA oder Porter und Neipa. Zwar schätzen Branchenexperten den Marktanteil der Pils- und Lager-Konkurrenten auf gerade mal 2,5 Prozent. „Trotzdem leben wir dadurch in einer Hopfenwelt, die wir uns vor zehn Jahren noch nicht haben vorstellen können“ beschreibt Stephan J. Barth, der geschäftsführende Gesellschafter der Barth-Haas-Gruppe aus Nürnberg, dem größten Hopfenhändler der Welt. Der Grund: Diese 2,5 Prozent verbrauchen allein 20 Prozent der globalen Hopfenernte.

Abseits des Massengeschmacks

Denn die Handwerksbrauer kreieren ausnahmslos Biere abseits des Massengeschmacks – mit mehr Alkohol, höherer Stammwürze und vor allem einer deutlich ausgeprägten Bitternote. Und die kommt über den Hopfen ins Bier. Beliebte Sorten wie IPA – die Abkürzung steht für India Pale Ale – kommen locker auf 50 bis 60 Bittereinheiten, einige Ausreißer liegen sogar bei über 100. Zum Vergleich: Ein klassisches deutsches Pils, für das im Durchschnitt 100 Gramm Hopfen pro 100 Liter Bier gebraucht werden, kommt im Normalfall auf 25 bis 40 Bittereinheiten. „In der Folge hat sich die Alphagabe pro Hektoliter in neun Jahren um 35 Prozent erhöht“ heißt es dazu im Barth-Bericht.

Hopfenanbau Kellner Pimmersdorf
Nach der Ernte Ende August werden die einzelnen Hopfenreben von Hand in Maschinen gehängt, welche die Dolden von den Reben und dem Blattwerk trennen
Quelle: Carsten Dierig

Davon profitiert auch Andreas Kellner. Sechs verschiedene Hopfentypen baut sein Familienunternehmen an, allen voran die klassische Hochalpha-Sorte Herkules, mit der Massenproduzenten wie hierzulande Krombacher, Radeberger oder Oettinger ihre Note ins Bier bekommen. Auf der restlichen Fläche wachsen mit Tradition, Perle und Smaragd drei Aroma- und mit Polaris und Hallertau Blanc zwei Flavour-Sorten, die auch teils ungewöhnliche Geschmacksrichtungen ins Bier bringen. Verkauft sind, abhängig von der Gattung, schon jetzt 92 bis 95 Prozent der Erntemenge – auch wenn in den Hopfengärten dieser Tage gerade mal die ersten Triebe der Cannabis-ähnlichen Pflanzen zu sehen sind. „Etliche Brauer sichern sich bestimmte Mengen lange im Voraus. Denn die Angst, später am freien Markt leer auszugehen, ist wesentlich größer als die Preissensibilität.“

Engpässe im Braujahr erwartet

Und 2017 waren die Brauer damit gut beraten. Ein ungünstiger Witterungsverlauf hat nicht nur die Erntemenge auf allenfalls noch durchschnittliche 41.300 Tonnen sinken lassen, wie der Deutsche Hopfenwirtschaftsverband (DHWV) meldet. Noch wesentlich schlimmer sieht es beim sogenannten Alphagehalt aus, mit dem die Verkaufsmengen gemessen werden, der also das wirtschaftlich entscheidende Merkmal für den Hopfen ist. 4000 Tonnen bedeuten einen Wert, der signifikant unter dem langjährigen Durchschnitt liegt – wodurch nun größere Hopfenmengen nötig sind, um die nötigen Bitternoten zu erreichen. „Bei einigen Sorten kann es daher im Braujahr 2018 zu Engpässen kommen“ warnt der DHWV.

Hopfenanbau Kellner Pimmersdorf
Die Dolden werden in der Darre getrocknet und dann gepresst und gekühlt
Quelle: Carsten Dierig

Die hohe Kontraktquote hat aber nicht nur Vorteile für die Brauereien. Auch Landwirt Kellner verschafft sie Sicherheit. „Dadurch können wir investieren“ sagt der Unternehmer. Gerade erst hat die Familie für einen sechsstelligen Betrag eine neue Anlage zum Trocknen der geernteten Hopfendolden installiert – mit einer höheren Leistung bei gleichzeitig niedrigerem Energieverbrauch. Und das ist wichtig. „Energie ist neben dem Personal für die Ernte der teuerste Posten für einen Hopfenbauern“ beschreibt Kellner.

Extrakt und Pellets

20 Prozent seiner Ernte verkauft Kellner direkt an Brauereien, 80 Prozent an Händler, allen voran an die Barth-Haas-Gruppe. Deren Weiterverarbeitung findet nur wenige Kilometer weiter in St. Johann statt, im größten Hopfenwerk der Welt. Dort wird die Rohware üblicherweise zu Pellets oder Extrakt verarbeitet. „Das vollmundigste Bier erhält man zwar durch die Beigabe von Rohhopfen, also von kompletten Dolden“ erklärt Händler Barth. Danach müsse das Bier aber aufwendig gefiltert werden, noch dazu sei eine Reproduzierbarkeit kaum möglich. „Und das Bier altert schneller, zudem saugen sich die Dolden voll und verringern damit die Flüssigkeit.“

Hopfenanbau Kellner Pimmersdorf
Je nach Erntejahr und Sorte bieten die einzelnen Hopfenarten ganz verschiedene Aromen und prägen damit den Charakter des Bieres
Quelle: Carsten Dierig

Barth weiß praktisch alles über Hopfen und Bier. Und was er noch nicht weiß, lässt er von seinem Stab herausfinden. Dafür gibt es in St. Johann eigens eine Versuchsbrauerei, in der unter wissenschaftlichen Bedingungen Bier gebraut wird, mit anschließender Analyse von Schaum, Trübung, Alkoholgehalt, Dichte, ph-Wert, der Bitterstoffe und nicht zuletzt des Geschmacks. Auch Hopfenkombinationen werden dort ausprobiert und in neue Rezepturen gegossen, die Brauereien dann kaufen können. Zuletzt wurde dabei Phantasia entwickelt, ein Bier mit dem Geschmack von tropischen Früchten. Wobei dahinter weder Chemie noch Gentechnik steckt. Die Fruchtnoten im Hopfen sind vielmehr Resultat der langjährigen Arbeit von Pflanzenzüchtern. Andreas Kellner will dennoch auf absehbare Zeit bei seiner bisherigen Auswahl von Hopfensorten bleiben.

Fünf bis sieben Euro je Kilogramm

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Schließlich stimmt für ihn der Preis. Nachdem es über viele Jahre hinweg zu viel Hopfen gab, kehren sich die Verhältnisse mittlerweile um. Fünf bis sieben Euro bekommt ein Bauer heute für ein Kilogramm Naturhopfen. Vor einigen Jahren noch lag der Preis nicht mal halb so hoch. Viele Pflanzer konnten in dieser Zeit nicht mal mehr die Betriebskosten einfahren. Denn der Hopfenanbau ist teuer. Neue Gerüstanlagen mit dem bis zu sieben Meter messenden, charakteristischen Hochgestänge, an dem die Pflanzen emporranken, kosten gut 20.000 Euro pro Hektar. Kaum verwunderlich also, dass die Zahl der heimischen Hopfenpflanzer, die 70 Prozent ihrer Ernte exportieren, von 4000 im Jahr 1990 auf heute noch gut 900 eingebrochen ist. Zusammen bewirtschaften sie rund 19.000 Hektar in bundesweit fünf Anbaugebieten: der Hallertau, dazu Tettnang, Elbe-Saale, Spalt und Rheinpfalz/Bitburg/Hochdorf. Angebaut werden in diesen Regionen insgesamt 30 der weltweit 260 bekannten Hopfensorten.

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Im aktuellen Welt-Bier-Report 2018 stecken noch weitere spannende Themen: The-BossHoss-Drummer Ansgar Freyberg zeigt, wie er sein eigenes Bier braut, Berlin hat sich zur Metropole der Craft-Szene entwickelt und der Weltmeister der Bier-Sommeliers gibt Tipps, welches Bier zu welchem WM-Spiel passen könnte. Ausgang ungewiss. Doch lesen Sie selbst!

Eine Auswahl an Bier-Festen für 2018 finden Sie hier.

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