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Reise Mobilitätsdienst

Als Gehbehinderter mit der Bahn – ein Selbstversuch

Wegen eines verstauchten Knöchels an Krücken zu gehen, ist keine ideale Voraussetzung für eine Bahnreise von Berlin nach Hamburg. Unser Autor hat es dennoch gewagt und schildert seine Erfahrungen.
Ein Bahn-Mitarbeiter beobachtet im Berliner Hauptbahnhof einen einfahrenden ICE Ein Bahn-Mitarbeiter beobachtet im Berliner Hauptbahnhof einen einfahrenden ICE
Ein Bahn-Mitarbeiter beobachtet im Berliner Hauptbahnhof einen einfahrenden ICE
Quelle: picture alliance / dpa

Ein verstauchter Knöchel und zwei Krücken nach einem Fehltritt sind keine idealen Voraussetzungen für eine Hamburg-Reise. Diese wurde aber längst geplant und lässt sich nicht verschieben.

Doch die Bahn macht’s möglich, verspricht eine freundliche Mitarbeiterin des Kundendienstes. Beim „Mobilitätsdienst“ bietet man den Versand des Gepäcks über einen Partner-Kurierdienst von Haus zu Haus an. Diesen Service müsse man allerdings spätestens drei Tage zuvor bestellen und den gepackten Koffer abgeben.

Als Last-Minute-Packer lehne ich diese Offerte höflich ab, auch den angebotenen Rollstuhl. Mit einem kleinen Rollkoffer ausgestattet, reicht mir die „Hilfe beim Ein- und Aussteigen“, die die Eisenbahnerin kostenlos und nach Voranmeldung spätestens am Abend vor der Abreise anbietet, vollkommen aus.

Ich reserviere die Sitzplätze und vereinbare über die Mobilitätszentrale die Zeiten und Treffpunkte mit deren Mitarbeitern in Berlin und Hamburg. Vorsichtshalber notiere ich auch die Telefonnummer der Kollegen am Berliner Bahnhof. Nun kann es – langsam - losgehen.

Kein „Mobilitätshelfer“ in Sicht

Am Berliner Bahnhof komme ich etwas früher an, dank des netten Taxifahrers, der auch mein Gepäck aus der Wohnung in der vierten Etage abholt. Der „Mobilitätsdienst“ am Bahnhof ist zwar telefonisch nicht erreichbar, doch eine freundliche Dame mittleren Alters erscheint am Haupteingang pünktlich und begleitet mich zum Zug. Sie prüft, wo genau mein Wagen halten wird und bringt den Trolley bis zu meinem Sitzplatz.

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Unterwegs erzählt sie von ihrem Albtraum: Die umgekehrte Wagenreihung, die für die von ihr betreuten gehbehinderten Fahrgäste, aber auch für sie, besonders stressvoll sei. Ich hingegen kann mich entspannen und fahren, denn sie sagt zum Abschied: Die Kollegen in Hamburg würden ja meinen Sitzplatz kennen.

Zwei Überraschungen erwarten mich am Hamburger Hauptbahnhof. Zum einen kommt mein Zug pünktlich an, zum anderen ist kein „Mobilitätshelfer“ zu sehen. Alle Passagiere steigen aus, ich gehe etwas aufgeregt zur Eingangstür und bitte um Hilfe.

Trotz des Andrangs wird ein junger Bahnmitarbeiter angehalten, der gerade am Wagen vorbeiläuft. Ob er einsteigen könnte, um mit dem Gepäck zu helfen? In den Zug steige er keinesfalls ein, er habe ja schließlich seine Vorschriften.

Zum Glück leistet ein Fahrgast die von der Bahn versprochene „Hilfe beim Aussteigen“. Immerhin begleitet mich der Uniformierte zum Taxistand, wo mich drei Tage später ein Kollege zur vereinbarten Zeit wieder abholen werde.

Zeit und Geduld braucht man

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Hamburg auf einer Krücke – die andere habe ich zu Hause gelassen – war eine angenehme Übung in „Slow Motion“. Im Hotel „Arcotel Rubin“ bot man mir eine begehbare Dusche an, eine freundliche Mitarbeiterin half am hart umkämpften Frühstücksbüffet.

Auch mit einer Gehhilfe lässt sich einiges unternehmen: Die Fotoausstellung an den Deichtorhallen und am Bucerius-Kunstforum erkunden, ein Boot auf der Außenalster lenken und sogar auf dem Fahrrad entlang des Elbufers radeln.

Nur Zeit braucht man, und Geduld, denn Treppen säumten meinen Radweg, und in „barrierefreien Bahnstationen“ rollten die Rolltreppen, wenn überhaupt vorhanden, in die falsche Richtung.

Vergeblich nach einem Blinden gesucht

Mit neuen Kräften trete ich die Rückreise an und finde wieder freundliche Eisenbahner, die beim Ein- und Aussteigen jedoch nur begrenzt Hilfe leisten. Die Uniformierte in Hamburg bahnt mir zwar den Weg zum passenden Wagen, eine große Hilfe am vollen Bahnsteig.

Doch einsteigen darf sie nicht, weil die Zeit zu knapp sei. Stattdessen erzählt sie von einem Kollegen, der kürzlich eine ungewollte Reise antreten musste. Zum Glück leistet wieder ein netter Fahrgast trotz des Gedränges Hilfe, eine sympathische Dame reserviert für mich einen begehrten Platz für den Koffer hinter dem Sitzplatz.

In Berlin kommen wir mit 20-Minuten-Verspätung an. Wieder hilft ein Fahrgast beim Aussteigen, wieder muss ich nach dem Eisenbahner auf dem Bahnsteig rufen. Dieser hatte mich übersehen, weil er einen Blinden suchte: Auf seinem Hinweiszettel las er „sehbehindert“ statt „gehbehindert“.

Immerhin begleitet er mich geduldig zum Taxistand und wartet mit, bis sich nach langwierigen Verhandlungen endlich ein junger Taxifahrer bereit erklärt, den Koffer in die Wohnung zu tragen.

Bitten Sie Mitreisende um Hilfe!

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Bahn-Pressesprecherin Birgit Pörner bestätigte auf Anfrage, dass die Mobilitätshelfer wegen der knapp bemessenen Zeit die Züge nicht besteigen sollen, dass der Zwei-Minuten-Aufenthalt zu kurz sei und die Gefahr zu groß, sie würden nicht rechtzeitig aussteigen können. Dies sei auch nicht ihre Aufgabe. Als Fahrgast müsse man sein Gepäck selbst händeln können, oder halt andere Mitreisende um Hilfe bitten.

Immerhin hat die Bahn allein 2012 rund 550.000 Hilfestellungen für „mobilitätseingeschränkte Reisende“, wie zum Beispiel Familien mit kleinen Kindern oder ältere Menschen organisiert. An 81 Standorten helfen die Mitarbeiter Fahrgästen mit Handicap sicher und bequem umzusteigen. Zum Glück tun das auch manche Fahrgäste – freiwillig.

Zurück in Berlin, fragt mich die Bahn per E-Mail, ob ich „ein Stück Mobilität“ verschenken möchte. Mit einem Geschenkgutschein von bahn.de gehe das ganz leicht.

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