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Ab in die Arktis, Baby!

Viele Eltern wünschen sich, eine Zeit lang raus aus dem Alltag zu kommen. Doch sind Säuglinge gute Reisebegleiter? Unsere Autorin hat es ausprobiert und ist mit ihrer zehn Monate alten Tochter per Schiff und Zug 2500 Kilometer in die norwegische Mitternachtssonne gefahren.
Wer Oslo mit einer Fähre ansteuert, braucht von Kiel aus etwa 20 Stunden Wer Oslo mit einer Fähre ansteuert, braucht von Kiel aus etwa 20 Stunden
Wer Oslo mit einer Fähre ansteuert, braucht von Kiel aus etwa 20 Stunden
Quelle: Getty Images/Murat Taner

Es ist kurz nach Mitternacht, als die orangerote Sonne kurz den Horizont berührt, nur um gleich darauf wieder aufzusteigen. Der wolkenlose Himmel ist in ein zartes, lavendelfarbenes Licht getaucht, es ist unwirklich still, hell und unfassbar schön. Ich sitze mit meiner zehn Monate alten Tochter am Wasser der winzigen Insel Manshausen, die zum Steigen-Archipel südlich der Lofoten in der norwegischen Provinz Nordland gehört. Wir sind 160 Kilometer nördlich des Polarkreises, am Ziel unserer ersten gemeinsamen Reise. Und mir ist das Gefühl für Raum und Zeit völlig abhandengekommen.

Obwohl ich in den letzten Tagen viel zu wenig geschlafen habe, bin ich hellwach. Mein Baby ebenfalls. Es ist damit beschäftigt, ganz in sich versunken zwei Plastiklöffel auf einen Hocker zu platzieren und zurück auf den Boden zu legen. Immer wieder. Es ist zufrieden mit sich und der Welt. Ich bin es auch.

Es ist egal, wann und ob wir heute schlafen. Die Sonne scheint, die Natur leuchtet. Niemand ist hier außer meinem Baby, ein paar Schafen und mir. Für diesen friedlichen Moment haben wir fast 2500 Kilometer mit Zug und Schiff zurückgelegt. Von Berlin über Kiel, Oslo, Trondheim, Bodø bis Manshausen.

Norwegen: die Autorin mit Baby auf der Insel Manshausen
Mittsommerhell: die Autorin mit Baby auf der Insel Manshausen
Quelle: Friederike Ostermeyer

Ich wollte, wie so viele Eltern in Elternzeit, mit dem Baby eine Zeit lang raus aus dem Alltag, etwas anderes sehen und eine erste lange Reise unternehmen. Das erschien mir machbar – ob das Baby zu Hause oder unterwegs herumschreit und gewindelt wird, ist am Ende ja egal, und man braucht kein extra Kinderprogramm, weil das Baby noch nicht herumlaufen kann. Norwegen ist für so eine Baby-Reise gut geeignet. Erstens ist es eines der sichersten Länder der Welt. Zweitens ist es kinderfreundlich, vor allem in den Zügen – dazu später mehr. Drittens: Jetzt im Juni ist das Klima auch im hohen Norden dank des wärmenden Golfstroms mild.

Auf der Fähre fühlt es sich an wie eine Kreuzfahrt

Gemächlichkeit ist das Motto dieser Reise, weshalb eine Überfahrt mit der Fähre unbedingt zu empfehlen ist. 20 Stunden dauert die Tour von Kiel nach Oslo. Unterwegs, irgendwo auf dem Kattegat zwischen Dänemark und Schweden, sehe ich die Sonne auf dieser Reise zum letzten Mal richtig untergehen, um 21.34 Uhr. Mein Baby schläft neben mir, na ja, wie ein Baby. Seit fast drei Stunden.

Quelle: Infografik WELT

Getragen vom sanften Vibrieren der Schiffsmotoren der „Color Magic“ liegt es neben mir auf Deck 7 in der kleinen Kabine mit dem großen Bullauge und schnarcht leise. Draußen dunkle Wolken und eine ruhige See, während ein paar Decks unter uns zahlreiche Passagiere in feuchtfröhlicher Vorfreude auf ihren Urlaub günstigen Alkohol im Duty-free-Shop kaufen, sich eine Zaubershow ansehen oder im Casino zocken. Die Fährfahrt fühlt sich an wie eine Kreuzfahrt.

Am nächsten Morgen begrüßt uns Oslo mit 22 Grad und mein Baby mich mit Fieber. Aber es lacht mich aufmunternd an, bevor es wieder einschläft. Ich kontrolliere regelmäßig die Temperatur, zum Glück wird es nicht schlimmer. Viel sehe ich von Oslo nicht, denn bald schon fährt die Dovrebahn nach Trondheim im Osloer Hauptbahnhof ab. Ich habe uns einen Platz im Familienwagen des dunkelblau-silbernen Zugs reserviert, der für die nächsten sechseinhalb Stunden und 485 Kilometer bis Trondheim unser Zuhause sein wird.

Kinderfreundlich: Die Fernzüge in Norwegen verfügen über komplette Familienwaggons mit Spielplatz
Kinderfreundlich: Die Fernzüge verfügen über komplette Familienwaggons mit Spielplatz
Quelle: Friederike Ostermeyer

Mein Baby ist aufgewacht und erkundet krabbelnd und erstaunlich munter den Indoorspielplatz, der fast die Hälfte des Waggons einnimmt. Hier gibt es Bauklötze, eine Holzeisenbahn und sogar ein Klettergerüst. Es gibt Platz für Kinderwagen und einen Wickeltisch; sämtliche Sitze sind Eltern mit Kindern vorbehalten. Mit uns steigt eine vierköpfige Familie mit Baby und Kleinkind aus Frankfurt ein. „Wir machen unsere Elternzeitreise“, erzählen sie. Schon zum zweiten Mal. Norwegen sei „so ein traumhaftes Land“, und die Familienwaggons, die im ganzen Land unterwegs sind, seien unschlagbar für Urlaub mit Kindern.

In Oslo beginnt die Fahrt mit der Bahn

Pünktlich um 14.02 Uhr setzt sich der Zug ruckelnd in Bewegung. Die aufgeräumten Vororte Oslos gehen bald in eine grüne, hügelige Landschaft über. Zusammen mit den roten Holzhäusern mit ihren weißen Fensterrahmen hat die Szenerie etwas Puppenstubenhaftes. Ein interessanter Kontrast zu den betongrauen Sitzen.

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Wir fahren am Mjøsa-See vorbei, dem größten See des Landes, und als im Tal Gudbrandsdalen die Berge mächtiger und die Wälder üppiger werden, bricht die Sonne mit voller Kraft durch die Wolken. Mein Baby ist auf meinen Schoß geklettert und schaut fasziniert nach draußen. „Ga-dada“, sagt es und streckt den Zeigefinger aus. „Da-dada“, antworte ich und nicke. So oder so ähnlich laufen die meisten meiner Gespräche in diesen Tagen ab.

Norwegen: Mächtige Berge, üppige Wälder und Erdpyramiden im Tal Gudbrandsdalen
Mächtige Berge, üppige Wälder und Erdpyramiden im Tal Gudbrandsdalen
Quelle: picture alliance/blickwinkel/H. Baesemann

Wir machen einen Ausflug in den Speisewagen. Plötzlich macht der Zug eine heftige Kurve, fast wäre ich mit dem Baby auf dem Arm hingefallen. Schlimmer erwischt es einen Wikinger-Typen mit geflochtenem Bärtchen. Bedröppelt blickt er auf die Bierlache vor sich auf dem Boden und den umgekippten Becher auf dem Tisch. Umgerechnet 16 Euro sind futsch, das ist der normale Bierpreis in Norwegen.

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Jetzt riecht es hier nach Kneipe und nicht mehr nach warmen Zimtschnecken. Ich nehme mir einen Kaffee mit und trippele mit dem Baby unterm Arm zurück in den Familienwagen. Dort klebt ein etwa zweijähriges Mädchen seelenruhig „Peppa Pig“-Sticker an die Wand der Spielecke. Andere Kinder schreien, rennen, toben und klettern, niemand beschwert sich über die Lautstärke oder über stillende Mütter.

Norwegen: In den Bergen von Dovrefjell leben auch Moschusochsen
In den Bergen von Dovrefjell leben auch Moschusochsen
Quelle: picture alliance/juniors/wildlife/Arndt, S.E.

Wilde Gewässer und schroffe Felsformationen ziehen am Zugfenster vorbei. Hier in den Bergen von Dovrefjell leben Moschusochsen. Bahnarbeiter haben sie 2013 angesiedelt, nachdem sie Fossilien von ihnen gefunden hatten. Mit etwas Glück kann man die zotteligen Tiere vom Zug aus sehen. Wir haben keins.

Die nördlichste und schönste Bahnstrecke in Norwegen

Gegen 22 Uhr kommen wir in Trondheim an, es ist noch hell und keine Wolke am Himmel. So richtig dunkel wird es ab jetzt gar nicht mehr. Gerne hätte ich noch mehr von der Handelsstadt mit ihren charakteristischen Hafenhäusern gesehen, aber ich bin hundemüde und ziehe das Hotelbett dem Sightseeing vor.

Im Dezember 2012 lief im norwegischen Fernsehen ein fast zehnstündiger Film, den angeblich ein Fünftel der Bevölkerung gebannt verfolgt hat. Er hieß „Nordlandsbanen – Minutt for Minutt“ und zeigt in Etappen minutengenau die nördlichste und offiziell schönste Bahnstrecke Norwegens aus der Sicht des Zugführers. Und genau in diesen Zug mit der berühmten knallroten Lokomotive steigen wir am nächsten Morgen ein.

Auch hier gibt es wieder den Familienwagen mit Spielecke. Während die üppigen Weiten Trøndelags vorbeiziehen, schläft das Baby in meinen Armen. Es schläft immer noch, als wir Stiklestad passieren, den Schauplatz der legendären Wikingerschlacht von 1030. Mit der Zeit wird die Natur rauer und karger, die Berge werden höher. Die wenigen Häuser haben pechschwarze Fassaden, grüne Grasdächer und bunte Fensterläden.

Norwegen: Die Zugstrecke der Nordlandsbahn hinter Trondheim
Die Zugstrecke der Nordlandsbahn hinter Trondheim
Quelle: Fredrik Ahlsen/ Visit Norway/ Maverix Media AS
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Vor dem Zugfenster zieht norwegisches Landschaftskino vom Feinsten vorbei: eisblaue Fjorde, reißende Flüsse, tiefe Täler, dichte Wälder. Alles ist grün, hell und weit. So vergeht Stunde um Stunde. Mit uns ist wieder eine Elternzeitfamilie eingestiegen, diesmal mit drei kleinen Kindern. „Bevor die Große in die Schule kommt, sind wir vier Monate in Skandinavien unterwegs“, erzählen sie. „Hier kann man sich einfach darauf verlassen, dass alles nach Plan läuft.“ Inzwischen haben die Kinder mein Baby in ihre Mitte genommen und tollen mit ihm durch das Abteil. Es lacht. Die Reise scheint meinem Töchterchen zu gefallen.

Bodø ist 2024 Kulturhauptstadt Europas

Die Welt draußen hat sich inzwischen in eine zum Teil noch schneebedeckte, baumlose Landschaft verwandelt. „Wir überqueren jetzt den Polarkreis“, tönt es aus den Lautsprechern. „Achten Sie auf die pyramidenförmigen Wahrzeichen links und rechts.“ Der Zug wird langsamer und ich bekomme eine Gänsehaut, als wir durch das Tor zur Mitternachtssonne fahren. Ab jetzt sind wir in der Arktis! Nach zehn Stunden, 293 Brücken und 154 Tunneln haben wir mit Bodø die Endstation erreicht. Mein Kopf brummt von den vielen Eindrücken. Draußen riecht es nach Frühling.

Norwegen: Mit Festivals, Street-Art, Konzerten, Kunstausstellungen und kreativer nordischer Küche will die Stadt Bodø zeigen, was in ihr steckt
Mit Festivals, Street-Art, Konzerten, Kunstausstellungen und kreativer nordischer Küche will die Stadt Bodø zeigen, was in ihr steckt
Quelle: picture alliance/dpa/dpa-tmn/---

Bodø wurde 1940 durch deutsche Luftangriffe fast vollständig zerstört. Die Stadt, die einst ganz Europa mit Trockenfisch versorgte, ist mit ihrer 50er-Jahre-Wiederaufbau-Architektur nicht im klassischen Sinne schön, aber bei näherem Hinsehen reizvoll. Die meisten Touristen bleiben nur kurz, um von hier aus weiterzuziehen, auf die Lofoten oder mit dem Kreuzfahrtschiff ins arktische Eis.

Schade eigentlich, denn Bodø ist 2024 eine der europäischen Kulturhauptstädte – die erste nördlich des Polarkreises. Mit Festivals, Street-Art, Konzerten, Kunstausstellungen und kreativer nordischer Küche zeigt die Stadt, was im Norden steckt. Sogar Schwedens Königin Silvia hat sich angekündigt. Und dann dieses Licht! Der britische Künstler David Hockney kam in die Region, um die Mitternachtssonne in unzähligen Variationen zu malen.

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Für meine Tochter und mich geht es noch ein Stück weiter. Wir gehen an Bord des Schiffes, das uns hinauf zur eingangs erwähnten Insel Manshausen bringt. Es ist inzwischen ununterbrochen hell, der Himmel klar wie eine geputzte Glaskuppel. Ich bin überhaupt nicht müde. Dafür entspannt und glücklich, so wie meine Reisebegleitung. Das Experiment Baby-Reise ist gelungen.

Tipps und Informationen:

Die Route: Die Fähre Kiel–Oslo legt täglich um 14 Uhr ab, Fahrtdauer rund 20 Stunden, Preis mit Kabinenübernachtung ab 284 Euro für zwei Personen (colorline.de). Die Fahrt mit der Dovrenbahn zwischen Oslo und Trondheim kostet rund 110 Euro pro Person, das Ticket für die Nordlandbahn Trondheim–Bodø kostet rund 120 Euro (sj.no).

Unterkunft: Das neu eröffnete „Smarthotel“ liegt direkt am Bahnhof von Bodø, alle Sehenswürdigkeiten sind zu Fuß erreichbar, Doppelzimmer mit Frühstück ab 120 Euro (smarthotel.no). Das „Scandic Bakklandet“ in Trondheim wurde 2011 eröffnet, es liegt zentral in der Altstadt und in Bahnhofsnähe, Doppelzimmer mit Frühstück ab 110 Euro (scandichotels.de). Die 14 Hektar kleine Insel Manshausen ist ein ehemaliger Handelsposten und wurde vom Polarforscher Børge Ousland gekauft. In den über dem Wasser schwebenden, mit Architekturpreisen ausgezeichneten Seekabinen mit viel Holz und großer Fensterfront können Gäste abgeschieden von der Außenwelt im Sommer die Mitternachtssonne und im Winter Polarlichter bewundern, ab 500 Euro pro Nacht für zwei Personen inklusive Frühstück, an Wochenenden gilt ein Mindestaufenthalt von zwei Nächten (manshausen.no).

Auskunft: visitnorway.de, visitoslo.com, visitbodo.com, visittrondheim.no

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Visit Norway. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

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