Wenn’s am schönsten ist, sollte man rennen. Deshalb widme ich den 50. und letzten Blitz, also diese Kolumne, dem komplizierten Thema Laufen in Zeiten der Klimakrise. Das Geniale an diesem Sport ist die Einfachheit. Alles, was man braucht, ist Luft zum Atmen, sicheren Boden unter den Füßen und, nun ja, passables Wetter. Neuerdings sind diese drei Grundvoraussetzungen immer häufiger bedroht.
Als vergangenes Jahr Waldbrände in Kanada den Himmel über New York in dystopisches Orange tauchten, in dem schwarz-glitzernde Partikel tanzten, wurde nicht nur vom Sport, sondern kategorisch vom Aufenthalt in Freien abgeraten. Ich flanierte mit Atemschutz über die Brooklyn Bridge – alles sah aus wie in „Dune“ – und lud mir eine App für Luftqualität herunter. Was würde ich tun, wenn das Klima oder alles, was wir liebevoll als Zukunft bezeichnen, den Sport unmöglich macht? Fahrradfahren kann man bei Hagelstürmen auch nicht. Alles aufs Laufband verlegen? Schwimmen?
Meine Freundin J. war gerade freiwillig nach Texas gezogen. Sie gab das Laufen auf. „Bei der Luftfeuchtigkeit ist es selbst um Mitternacht noch zu heiß.“ B. in Bangkok warf nach dem mit 41 Grad heißesten Tag im Mai 2023 das Handtuch. V. empfand den klebrigen New Yorker Juni milde im Vergleich zu Neu-Delhis Backofen und sah darin sogar einen Trainingsvorteil: „Höhenluft für Arme!“ Er verwies damit auf Athleten aus Ostafrika, deren exzellente Lungenkapazität der dünnen Luft auf den Plateaus zugeschrieben wird.
Neben schwindelerregenden Temperaturen und Waldbränden bringt der Klimawandel sintflutartige Überschwemmungen, dramatische Erdrutsche, Hagelkörner wie Golfbälle und Jahrhundertstürme. Die atemberaubenden Gletscherpfade der Dolomiten verschwinden schneller als meine Willenskraft in einer Eisdiele.
Erinnern Sie sich an die Olympischen Spiele in Tokio? Wegen des Onsen-Sauna-Klimas wurde die Marathonstrecke nach Sapporo verlegt. Gastgeber Paris zeigt sich dieses Jahr stoisch angesichts zu erwartender Sommertemperaturen und rät amerikanischen Athleten, ihre Klimaanlagen selbst mitzubringen.
Was kann man als Läufer tun? Sich anpassen, flexibel sein. Schattige Routen suchen, früher morgens laufen oder nachts, im romantischen Schein der Straßenbeleuchtung. Anstatt zu katastrophisieren, könnten wir die Chance ergreifen, Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu werden. Inspirieren! Theoretisch ist der CO₂-Fußabdruck eines Läufers eher gering, wären da nicht die Klamotten, die Reisen zu den Veranstaltungen wie den großen Marathons und die Schmutzies, die ihre Plastikflaschen in die Natur werfen. Wir könnten umweltfreundlichere Ausrüstung viel länger tragen, uns auf Lokaltermine konzentrieren und Müll und Lärm reduzieren. Die Disziplin, Ausdauer und Entschlossenheit, die wir uns unterwegs angeeignet haben? Perfekt, um den Klimawandel zu bekämpfen. Sehen Sie es als Ultramarathon für einen guten Zweck.
Noch hilft Laufen, wenn das Klimagrauen die Psyche entführt. Entschuldigen Sie mich nun, ich muss eine umweltfreundliche Runde drehen, um mir den Kopf freizumachen. Wir sehen uns Ende September zum 50. Marathon in Berlin. Ciao!