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Gesundheit Gluten-Unverträglichkeit

„Bei manchen bricht es mit fünf Jahren aus, bei manchen mit 35“

Oberarzt Jens Berrang unterhält sich in der Kinderklinik des Klinikums Dortmund mit Zöliakie-Patient Jan Jonathan Oberarzt Jens Berrang unterhält sich in der Kinderklinik des Klinikums Dortmund mit Zöliakie-Patient Jan Jonathan
Oberarzt Jens Berrang am Klinikum Dortmund unterhält sich mit Zöliakie-Patient Jan Jonathan
Quelle: dpa
Verzicht ist derzeit die einzig wirksame Therapie der Zöliakie. Besonders Kindern fällt es aber schwer, bestimmte Lebensmittel strikt zu meiden. Warum es aber gerade für sie so wichtig ist – das erklären Experten und geben Tipps.
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Jan Jonathan ist zehn Jahre alt und hält schon mehr als sein halbes Leben lang konsequent eine Diät ein. Was für die Freunde normal ist, muss sich der Fünftklässler als Zöliakie-Erkrankter oft verkneifen. Sobald er etwas zu sich nimmt, in dem Gluten enthalten ist, drohen ihm schlimme Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen. Zöliakie ist keine Allergie, sondern wird als eine chronische und lebenslange Autoimmunerkrankung klassifiziert, ausgelöst durch das Kleberweiß aus verschiedenen Getreidearten.

Ignoriert man die Reaktion, kann das zu heftigen Beschwerden führen. Mit schweren Folgen gerade für Kinder und Jugendliche, etwa Wachstumsverzögerungen, Gedeih- und Entwicklungsstörungen, wie Experten betonen.

Oberarzt Jens Berrang vom Klinikum Dortmund checkt Jan Jonathan regelmäßig durch. Das Kind lässt sich Blut abnehmen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dieser Besuch ist bei Weitem nicht das erste Mal. „Manchmal ist es schon schlimm, wenn die anderen etwas Besseres zu essen haben“, erzählt der Zehnjährige dem Kindergastroenterologen.

Jens Berrang nimmt in der gastroenterologischen Ambulanz für Kinder am Klinikum Dortmund eine Blutprobe
Jens Berrang untersucht am Klinikum Dortmund den zehnjährigen Zöliakie-Patienten Jan Jonathan
Quelle: dpa


In die Schul-Mensa kann er nicht mitgehen, denn: Das Klebereiweiß Gluten steckt in Getreidearten wie Weizen, Hafer, Gerste, Dinkel oder Roggen – und ist versteckt in zahlreichen Lebensmitteln und Gerichten enthalten. Und schon kleinste Mengen sind tückisch.

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Wenn ihr Sohn Freunde besucht, auf Klassenfahrt geht oder zu Geburtstagen eingeladen ist, geben sie ihm glutenfreies Essen mit, erzählen seine Eltern. Sie haben sich von einer Ernährungsberaterin schulen lassen, daheim alles umgestellt.

Nach neueren Untersuchung ist laut Zöliakie Gesellschaft (DZG) davon auszugehen, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist. Aber viele Betroffene mit untypischen oder nur geringen Symptomen wüssten nichts von ihrer Autoimmunkrankheit. Zwar besteht eine genetische Veranlagung dazu, doch der Ausbruch ist in jedem Lebensalter möglich.

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Im Kindesalter bleibt Zöliakie nach DZG-Einschätzung jahrelang oder sogar jahrzehntelang unentdeckt, weil die Symptome nur schwach sind. Laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) erkranken die meisten im Alter zwischen ein und acht Jahren oder dann später zwischen 20 und 50 Jahren. „Bei manchen bricht es mit fünf Jahren aus, bei manchen mit 35 – wir wissen nicht, warum das so ist“, sagt Oberarzt Berrang. In die gastroenterologische Ambulanz der Kinderklinik kommen viele Betroffene im Grundschulalter.

Anzeichen für Zöliakie können Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit und Erbrechen sein, aber auch Gewichtsverlust und chronische Müdigkeit. Es gebe Patienten mit erhöhten Leberwerten, kreisrundem Haarausfall, chronischen Kopfschmerzen oder Migräne, erläutert die DZG.

Schon kleinste Mengen Gluten können zu einer Entzündung in der Darmschleimhaut führen: Der Körper bekämpft das eigentlich harmlose Klebereiweiß beziehungsweise dessen Teilstück Gliadin, bildet Antikörper dagegen – und diese greifen die Struktur des Dünndarms an.

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Auf Dauer kann die Dünndarmoberfläche so stark schrumpfen, weil die typischen Zotten verschwinden, dass sie ihre Funktion nicht ausreichend erfüllen kann. Weil der Körper dann nicht mehr genug Nahrungsbestandteile aufnimmt, können Mangelerscheinungen auftreten, erläutert der Kinderärzte-Berufsverband.

Jan Jonathan habe schon im Alter von vier Jahren unter extremen Bauchschmerzen gelitten und sich auf dem Boden gewälzt, schildert seine Mutter ein typisches Symptom. Ebenso ein großer Blähbauch, klebriger Stuhl, starker Durchfall – aber nicht immer macht sich das Leiden so deutlich bemerkbar, viel häufiger ist es unspezifisch.

Und das könne auch zu einer späten Diagnose führen, wie Jens Berrang erklärt. Reizbares bis aggressives Verhalten und depressive Veränderungen ließen sich ebenfalls beobachtet, ergänzt seine Kollegin, die Oberärztin Friederike Stemmann: „Zöliakie ist ein Chamäleon.“ Der Kinderärzte-Berufsverband nennt zudem Rachitis, Muskelschwäche, Schäden am Zahnschmelz oder Blutgerinnungsstörungen als mögliche Folgen einer unbehandelten Zöliakie.

Verständnis im Freundeskreis

Auch Erstklässlerin Carlotta, 7 Jahre, aus Düsseldorf hält Diät – seit sie vier ist. „Ihr fällt es sehr schwer, dass sie als einzige nie einfach so zugreifen darf, dass sie immer nachfragen und sehr oft verzichten muss. Es geht nicht ohne Tränen“, sagt ihre Mutter.

Durch die Erkrankung sei Carlotta – für ihr Alter – sehr vernünftig, wirke schon fast erwachsen, ihre fehle die kindliche Unbeschwertheit. Und sie Angst: „Dass sie aus Versehen etwas Glutenhaltiges isst und sich dann übergeben muss, in der Schule oder bei Freundinnen.“

Noch als Kleinkind habe Carlotta enorm viel geschlafen, auffallend wenig gegessen und war leichtgewichtig. Immer wieder hakte die Familie in der Kinderarztpraxis nach, dann kam die Diagnose. In der Uniklinik werde das Kind gut versorgt: „Man merkt Carlotta nichts mehr an. Sie hat inzwischen ein normales Gewicht, ist normal groß und schläft normal“, beschreibt die Mutter die Veränderung. In Kita, Schulumfeld und Freundeskreis werde ihr viel Verständnis entgegengebracht, und es seien immer mehr Produkte ohne Gluten erhältlich: „Wir versuchen, ihr so oft wie möglich Alternativen anzubieten.“

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Untersuchungen sind bei Zöliakie wichtig, auch Blutanalysen, weil sich nicht selten auch ein Mangel an lebenswichtigen Stoffen entwickelt hat. Eine Diagnose könne inzwischen recht einfach mit zwei Bluttests gestellt werden, erklärt Jens Berrang. Auch in der niedergelassenen Ärzteschaft nehme das Wissen über die genetisch veranlagte Erkrankung zu. Medikamente gebe es bisher nicht. „Die einzige Therapie ist der vollständige und lebenslange Verzicht auf Gluten“, hält der Kindergastroenterologe fest.

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Zöliakie ist ein komplexes Geschehen, und nicht alle Ursachen sind vollständig geklärt. Es wird geforscht, auch in der Hoffnung, den Betroffenen einmal mit Medikamenten helfen zu können. DZG-Sprecher Peter Wark weist darauf hin, dass mehr als ein Dutzend Kliniken und Studienzentren an der Entwicklung eines Mittels beteiligt seien, das die Folgen abmildern solle, wenn mal versehentlich etwas Glutenhaltiges verzehrt wurde. Wann es auf den Markt kommen könne, sei aber unklar.

Bis dahin heißt es für Zöliakie-Kranke wie Carlotta und Jan Jonathan, dass Lebensmittelprodukte für sie stets ein Risiko darstellen. Deshalb ist dem Schüler eines längst zur Gewohnheit geworden: „Ich lese mir immer erst die Zutatenliste durch“, erzählt der Zehnjährige. Und seine Mutter hält in einer Schublade besondere Leckereien für ihn bereit: sicher glutenfrei.

dpa, sk

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