Die mittlerweile berühmten Abnehmspritzen „Ozempic“ und „Wegovy“ bekommen Konkurrenz. Am 9. November empfahl die Europäische Arzneimittelkommission EMA die Zulassung der nächsten Generation von Medikamenten. Das Mittel „Mounjaro“ stammt vom US-Pharmakonzern Eli Lilly und wirkt allen Studien zufolge noch besser als seine Vorgänger: sowohl um den Blutzucker zu kontrollieren als auch um Gewicht zu verlieren.
Nun aber zeigt eine aktuelle Studie: Der Erfolg hält nur so lange an, wie die Spritzen verabreicht werden.
Dabei übertrumpfen sich die neuen Abnehmmittel, die zur Behandlung von Diabetes entwickelt wurden, gegenseitig. Während stark Übergewichtige mit der ersten Generation der Abnehmspritzen etwa 15 Prozent ihres Ursprungsgewicht abnehmen, verlieren Menschen, die „Mounjaro“ nutzen, gleich 20 Prozent ihrer Kilos. Wer also 150 Kilogramm wiegt, reduziert sein Gewicht innerhalb von Monaten um 30 Kilogramm.
Bislang konnten nur wenige Übergewichtige mithilfe Magenverkleinerungen derartige Gewichtsverluste erreichen. Während ein Schlauchmagen oft dauerhaft schlanker werden lässt, scheint das für die Abnehmspritzen nicht zu gelten. Sobald man sie absetzt, kommt das verlorene Gewicht zurück.
Eine Studie in der Ausgabe des Fachmagazins „Jama“ bestätigt diese ernüchternden Ergebnisse nun auch für die Abnehmspritze 2.0. Das Team um den Mediziner Louis Aronne von der Universität Weill Cornell Medicine in New York hatte knapp 700 stark Übergewichtige für neun Monate „Mounjaro“ mit dem Wirkstoff Tirzepatid verabreicht. Danach trennten sie die Gruppe: Eine Hälfte spritzte den Wirkstoff des Eli-Lilly-Präparats, die andere bekam ein Placebo.
Während die Wirkstoffgruppe ihr neue Leichtigkeit beibehielt, hatten fast alle Teilnehmer der Placebogruppe nach einem Jahr das Ausgangsgewicht fast vollständig erreicht. Es sei sogar davon auszugehen, dass es weiter – über das Ausgangsniveau hinaus – steigen würde, glaubt Isabelle Mack, Bereichsleiterin Ernährung und Gewichtsregulation der Uniklinik Tübingen. Denn die Daten deuteten daraufhin, dass der Zunahmeprozess längst nicht abgeschlossen sei.
Dabei hatten Mediziner große Hoffnung auf die neuen Abnehmspritzen gesetzt. Anders als „Wegovy“ und „Ozempic“, deren Wirkstoff Semaglutid über den GLP-1 Rezeptor in Gehirn den Appetit eines Menschen zügelt, wirkt „Mounjaro“ noch über einen zweiten Weg. Es bindet darüber hinaus noch an sogenannte GIP-Rezeptoren, die den Effekt verstärken.
Aber: „Die Ergebnisse sind alles andere als überraschend“, sagt Stephan Martin, Diabetologe und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf. Bei Semaglutid gäbe es nahezu identische Ergebnisse. Und er glaubt, dass der Zunahmeeffekt im Alltag noch höher ausfallen würde. „Die Teilnehmer wurden zusätzlich auf eine Änderung ihres Lebensstils trainiert.“
In Alltagssituation sei die Betreuung deutlich geringer, sodass es vermutlich viel schneller zur Gewichtszunahme komme. Doch kann man nach nur 36 Wochen überhaupt einen nachhaltigen Effekt erwarten? Die Mittel wirken wie Psychotherapeutika auf den Hirnstoffwechsel. Neurologen gehen davon aus, dass sich dieser im Mittel erst nach etwa zwei Jahren umstellt.
Den Lebensstil ändern
Stephan Martin hält das im Fall der Abnehmspritzen für unwahrscheinlich. „Ich habe vielmehr die Befürchtung, dass durch einen längeren Einsatz die Wirkung des Medikaments nachlässt“, sagt er.
Diese Erfahrung habe er mit Personen mit Typ-2-Diabetes in der Praxis. „Dort wirkt Semaglutid am Anfang sehr gut, aber wenn sich der Lebensstil nicht ändert, lässt die Wirkung nach.“