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Vor EM-Halbfinale: Engländer attackieren deutschen Schiedsrichter Felix Zwayer


Er pfeift das Halbfinale
Jetzt greifen Engländer deutschen EM-Schiedsrichter an


Aktualisiert am 09.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Felix Zwayer pfiff bereits das EM-Achtelfinale der Niederländer gegen Rumänien.Vergrößern des Bildes
Felix Zwayer: Er pfiff bereits das EM-Achtelfinale der Niederlande gegen Rumänien. (Quelle: IMAGO/MAURICE VAN STEEN)

Aufregung in England: Presse und Fans schießen gegen den deutschen Schiedsrichter, der das EM-Halbfinale pfeift. Grund ist dessen Vergangenheit. Die hat es in der Tat in sich.

Felix Zwayer macht seinen Job bei dieser Europameisterschaft bislang hervorragend. So beurteilen es jedenfalls Experten. Und deswegen betraute ihn die Uefa mit der Leitung des EM-Halbfinales zwischen England und den Niederlanden. Der Deutsche gilt derzeit als einer der besten Unparteiischen auf internationalem Parkett.

Dennoch ist die Empörung in England groß. Von einem "Schiri-Albtraum" schreibt die "Sun". Und die "Daily Mail" titelt: "Enthüllt: Englands Halbfinalschiedsrichter ist ein verurteilter Spielmanipulator".

Was das englische Boulevardblatt eine "Enthüllung" nennt, ist hierzulande seit mehr als einem Jahrzehnt bekannt. Dennoch entbrennt vor dem Halbfinale der Engländer gegen die Niederlande (Mittwoch, 21 Uhr, Signal Iduna Park Dortmund) auf der Insel eine Diskussion über die Ansetzung des Unparteiischen. Das Blatt zitiert Fans, denen die Nominierung Zwayers reichlich seltsam erscheint. Was sich denn die Uefa dabei nur gedacht habe, fragen sich einige Anhänger der "Three Lions" auf der Insel.

Zwayer soll Geld genommen haben

Und auch Englands Superstar Jude Bellingham wird als Kronzeuge für die Skepsis gegenüber dem 43-jährigen Berliner angeführt. Schließlich hatte Bellingham scharf gegen Zwayer geschossen, nachdem der das Spitzenspiel der Fußballbundesliga in der Hinrunde der Saison 2021/22 gepfiffen hatte, das Dortmund mit 2:3 gegen den FC Bayern München verlor. Bellingham spielte damals für den BVB und war ob der Niederlage bitter enttäuscht.

Nach dem Spiel fragte er, wie es denn möglich sei, dass ein Referee, der einmal in einen Manipulationsskandal verwickelt gewesen ist, so ein bedeutendes Spiel pfeifen könne. "Was will man da erwarten?", so der 18-Jährige. Für seine scharfe Kritik wurde Bellingham mit einer Geldstrafe belegt.

Tatsächlich war Zwayer in einen der größten deutschen Sportskandale verwickelt. Als 2005 die Spielmanipulationen Robert Hoyzers aufflogen, wurde auch gegen Zwayer ermittelt. Hoyzer hatte gemeinsame Sache mit der kroatischen Wettmafia gemacht und Spiele manipuliert. Zwayer wusste davon, meldete das Fehlverhalten seines Kollegen aber zunächst nicht. Auch soll er bei einem Spiel Geld von Hoyzer genommen haben. Absichtliche Fehlentscheidungen in dem fraglichen Spiel konnten ihm aber nicht nachgewiesen werden. 2006 wurde er dennoch mit einer sechsmonatigen Sperre belegt.

"Deckte" der DFB seinen Schiedsrichter?

Danach gab der DFB Zwayer eine zweite Chance, auch weil der junge Schiedsrichter geständig war und bei der Aufklärung geholfen hatte, wie es hieß. Das Urteil des DFB-Sportgerichts wurde allerdings erst 2014 durch einen Zeitungsartikel publik; bis dahin hatte der DFB es unter Verschluss gehalten – und damit auch die Tatsache, dass die Verbandsjuristen Zwayer durchaus für schuldig hielten.

Im Gegensatz zum Fall Hoyzer wurden Zwayers Verfahren, das Urteil gegen ihn sowie die anschließende Sperre aber so diskret wie möglich behandelt. Der junge Referee galt als Hoffnungsträger.

Die Wochenzeitung "Die Zeit" schrieb bereits 2014 von einem "Fleck" auf Zwayers Weste. Und dass der Verband einen seiner inzwischen erfolgreichsten Schiedsrichter "decke". Damit gefährde der DFB "Zwayers Integrität und die des Verbands", so "Die Zeit". Da war Zwayer gerade zum "Schiedsrichter des Jahres" in der Bundesliga gekürt worden.

Zehn Jahre später steht Zwayer im Rahmen der EM an einem nächsten Karriere-Höhepunkt. Nach Einschätzung von Experten zu Recht.

Die IG Schiedsrichter, ein unabhängiges Fachportal für das Schiedsrichterwesen, sah bei Zwayer bislang "die mit Abstand beste und souveränste Leistung", bezogen auf den bisherigen Turnierverlauf. Bis auf einen kleinen Fehler im letzten Spiel, dem 3:0 der Niederlande gegen Rumänien, als er einen rumänischen Konter wegen eines vermeintlichen Fouls im Mittelfeld abpfiff, konnte Zwayer die Experten mit einer "fantastischen Leistung" überzeugen. Das Fazit der IG Schiedsrichter: "Entspannt und in so gut wie jeder Entscheidung korrekt sowie sehr angenehm in der Linie."

Gräfe lässt kein gutes Haar an Zwayer

Dennoch sieht sich Zwayer nun mit den alten Vorwürfen konfrontiert. Das liegt auch daran, dass den Job des Schiedsrichters eine besondere Aura umgibt: Er hat um jeden Preis neutral zu sein. Nichts beschädigt sein Image so sehr wie ein Wettskandal. Kein Wunder, dass selbst Kollegen sich verwundert zeigten ob der steilen Karriere, die Zwayer trotz seiner Vergangenheit im Verband hinlegte.

Und auch die englische Revolverpresse schießt genüsslich gegen den Unparteiischen. "Zwayers Schande wurde von deutschen Funktionären unter der Decke gehalten und vier Jahre später wurde er zum Bundesligaschiri befördert, dann sogar auf die Liste der Fifa-Schiedsrichter aufgenommen", schreibt die "Sun".

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Das Urteil blieb dem Boulevard nicht verborgen

"Wer einmal Geld angenommen und Hoyzers Manipulation ein halbes Jahr verschwiegen hat, sollte keinen Profifußball pfeifen", sagt auch Manuel Gräfe. Der Ex-Fifa-Schiedsrichter arbeitet inzwischen als Experte für das ZDF. Er lässt kein gutes Haar an der Entscheidung der Uefa. Demnach sei die Ansetzung Zwayers für das EM-Halbfinale eine reine "Machtdemonstration, unabhängig von Leistung/Vergangenheit. Wahnsinn". Noch mehr: Zwayer gehöre nicht mehr auf den Platz. "Schon gar nicht zu einer Euro", schreibt Gräfe bei X.

Erstaunlich, wie hellsichtig "Die Zeit" schon vor zehn Jahren kommen sah, was am Mittwoch nach dem Spiel eintreten könnte: eine intensive Diskussion um den deutschen Schiedsrichter, sollten die Engländer aufgrund einer umstrittenen Entscheidung aus dem Turnier ausscheiden. "Was wäre zum Beispiel, wenn das DFB-Urteil (Anm. d. Red.: von 2006) dem englischen Boulevard in die Hände fallen würde, nachdem Zwayer in einem WM-Halbfinale einen Elfmeter gegen England gegeben haben würde?"

Nun, das Urteil ist dem englischen Boulevard natürlich längst in die Hände gefallen. Und er macht keine Anstalten, es unter Verschluss zu halten. Ganz anders als einst der DFB.

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