Anzeige

Klimaanpassungsgesetz startet Mit diesen Strategien hat sich Deutschland bisher gegen Hochwasser und Hitze gewappnet

Einsatzkräfte der Feuerwehr versuchen Fluten mit Sandsäcken aufzuhalten
Einsatzkräfte der Feuerwehr versuchen Fluten mit Sandsäcken aufzuhalten 
© Davor Knappmeyer / DPA
Am 1. Juli tritt das Klimaanpassungsgesetz der Ampel-Regierung in Kraft. Strategien gibt es in Ländern und Kommunen aber schon seit Langem. Was haben sie gebracht? Eine Bestandsaufnahme.

Der Osten Deutschlands dörrt vor sich hin, während der Süden unter Wassermassen verinkt: Die Folgen des Klimawandels sind in Deutschland für alle spürbar. Extremwetterereignisse treten immer häufiger auf. Darauf muss sich Deutschland einstellen. Doch aus Katastrophen wie im Ahrtal haben Bund und Länder bis heute kaum gelernt. Ein Konzept, um künftigen Überschwemmungen vorzubeugen, gibt es in Rheinland-Pfalz bis heute nicht. Auch in Süddeutschland fehlen solche Maßnahmen und Pläne. Im Onlinedienst X kursieren sogar Gerüchte, wonach Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf Drängen des Koalitionspartners Freie Wähler beim Hochwasserschutz gespart haben soll.

Anfang des Jahres verkündete die Ampel-Regierung unter dem selbsternannten Klimakanzler Olaf Scholz das Klimaschutzgesetz aufweichen zu wollen.

So passen sich die Bundesländer an den Klimawandel an

Die Liste der Versäumnisse ist lang. Doch Berlin weiß: Ohne langfristige Maßnahmen geht es auch in Deutschland nicht. Deshalb hat die Ampel-Koalition ein Klimaanpassungsgesetz beschlossen, das am 1. Juli in Kraft getreten ist. Damit verpflichtet sie sich, messbare Ziele und eine Umsetzungsstrategie vorzulegen. Wie das alles aussehen soll, bleibt allerdings den Ländern überlassen. Möglichkiten, sich vorzubereiten gibt es viele. Bisher haperte es jedoch vor allem an der Umsetzung.

Das zeigt die Suche nach Strategiepapieren der Länder zur Anpassung an den Klimawandel. Mit Ausnahme des Saarlandes liegt für jedes Bundesland mindestens seit 2009 ein solcher Strategiekatalog vor, der wiederholt überarbeitet wurde. Brandenburg, das trockenste der Länder, stellte seine Ideen 2021 fertig – und ist damit das letzte Bundesland, das ein Papier zur Anpassung an den Klimawandel erarbeitet hat. In Schleswig-Holstein und Hamburg wird seit ein paar Jahren an einer Neuauflage getüftelt. Im Saarland arbeitet die Regierung nach Angaben eines Sprechers noch an Strategien und Umsetzungsmaßnahmen. Ein erstes Klimaschutzkonzerp soll demnach im Sommer 2024 vorgestellt werden.

Vielleicht braucht es das aber auch gar nicht, denn dass die Konzepte den beschworenen Erfolg bringen, lässt sich bisher nicht belegen. Zumindest die Flut im Ahrtal oder die Überschwemmungen in Süddeutschland konnten die Katastrophen weder verhindern noch abschwächen. Viele Papiere sind mittlerweile veraltet. Das Konzept für Sachsen-Anhalt wurde zuletzt 2019 aktualisiert. Bremen hat seine Ideen in einem Dokument aus dem Jahr 2018 gesammelt, Bayerns Strategiepapier stammt aus dem Jahr 2016 und Baden-Württemberg überarbeitet derzeit sein Dokument von 2015.

Wie stark sind die Bundesländer vom Klimawandel betroffen?

Bei den teils mehrere hundert Seiten langen Dossiers handelt es sich überwiegend um Vorschläge und Ideen ohne rechtliche Verpflichtungen. Das ist umso problematischer, weil die Länder offenbar sehr genau wissen, wie sich die Erderwärmung auf ihr jeweiliges Land auswirkt. Zumindest ist in den Strategiepapieren eindeutig aufgeschlüsselt, ob eine Region künftig eher mit Dürren oder Überschwemmungen rechnen muss. Die Erkenntnisse basieren auf Ergebnissen und Auswertungen von Klima- und Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) oder von Beobachtungsprogrammen der Länder.

Insgesamt müssen sich alle Regionen in Deutschland auf weiter steigende Temperaturen und Starkregenereignisse einstellen, sagen Meteorologen und Klimaforscher. "Die mittlere Jahrestemperatur wird in ganz Deutschland weiter ansteigen – mehr oder weniger stark je nach weltweiten Klimaschutzmaßnahmen", sagt Klimawissenschaftlerin Diana Rechid vom Climate Service Center Germany (Gerics). Allerdings würden die Schwellwerte für Sommer- (25 Grad Celsius) und Hitzetage (30 Grad Celsius) im Süden des Landes schon jetzt deutlich häufiger überschritten als im Norden. Das hängt einerseits mit der Verteilung von Land- und Wassermassen zusammen. Über Gewässern erhitzt sich die Luft langsamer, deshalb sind die Ausgangstemperaturen in Norddeutschland grundsätzlich etwas niedriger. Die Zahl besonders heißer Tage wird demnach verglichen mit dem Süden verzögert ansteigen.

Die Grafik des Deutschen Wetterdienstes zeigt die Entwicklung der Hitzetage in Deutschland seit 1993
Seit den frühen 1990er Jahren ist die Zahl der heißen Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 30 Grad gestiegen. Besonders häufig werden die Werte mittlerweile in Ostdeutschland und im Südwesten erreicht
 
Legende: blau: 0 Hitzetage, grün bis gelb: zwei bis zwölfe Hitzetage, rosa bis rot: 14 bis 26 Hitzetage
© Deutscher Wetterdienst

Weniger eindeutig verhält es sich bei den Niederschlägen. Die Daten der DWD-Messstationen und Klimamodelle für Deutschland zeigen zwar, dass extreme Niederschläge häufiger werden. "Allerdings handelt es sich dabei um eine Tendenz, die in vielen Fällen noch nicht signifikant ist", betont DWD-Wissenschaftler Frank Kaspar. Die Starkregenauswertungen aus dem Radarnetzwerk stehen der Behörde erst seit 2001 für das gesamte Bundesgebiet zur Verfügung – der Zeitraum ist nach Einschätzung des Physikers zu kurz, um eindeutige Schlüsse zu ziehen. Belastbare Bewertungen seien mit diesen Daten erst in einigen Jahren möglich. Klimamodelle zeigten aber schon jetzt, dass Extremwetterereignisse zunehmen. 

Jährliche Niederschlagshöhe in Deutschland im Referenzzeitraum 1961–1990
Deutschlandweit fallen durchschnittlich 789 Liter pro Quadratmeter und Jahr. Im Nordosten und der Mitte des Landes sind die Werte mit unter 600 l/m2 am niedrigsten, in den höheren Lagen der Alpen und
des Schwarzwaldes mit über 1500 l/m2 am höchsten.
© Deutscher Wetterdienst

Deutliche Unterschiede zwischen den Regionen gibt es allerdings bei der Betroffenheit. Wie gravierend die Schäden bei Überschwemmungen sind, hängt von den Gegebenheiten im Gelände ab. Wissenschaftler sprechen auch von "topografischer Gliederung". Als das Ahrtal 2021 nach Starkregen in den Fluten versank, gab es auch in der Uckermark in Ostdeutschland ähnlich starke Regenfälle. Während das Wasser in Rheinland-Pfalz allerdings durch die hügelige Landschaft Richtung Tal schoss und von den versiegelten Böden behindert wurde, versickerte es in Ostdeutschland in den sandigen Böden. Im norddeutschen Flachland verteilen sich die Wassermassen dagegen weiträumig und vor allem dann, wenn sich der Boden schon vollgesogen hat.

Kann sich Deutschland noch an den Klimawandel anpassen?

Wie stark ein Land unter den Folgen des Klimawandels leidet, hängt allerdings auch davon ab, ob ein Land politisch und finanziell ausgerüstet ist. In politisch zerrütteten Staaten und armen Ländern leiden die Menschen stärker unter der Erderwärmung als beispielsweise in reicheren Industrienationen, weil unter anderem das Geld für Anpassungsmaßnahmen fehlt. 

In Ländern wie Deutschland mangelt es derweil vor allem am politischen Willen, um die nötigen Maßnahmen umzusetzen. Klimaforscherin Rechid plädiert deshalb für mehr gesetzliche Regelungen. Einen Vorreiter gibt es immerhin schon: Nordrhein-Westfalen ist seit 2021 das erste und bisher einzige Bundesland, das ein Klimaanpassungsgesetz verabschiedet und damit alle öffentlichen Entscheidungsträger dazu verpflichtet hat, die Folgen der Erderwärmung bei Planungen zu berücksichtigen.

 

Quellen: Climate Service Center, Klimaanpassungsstrategien der Länder, Deutscher Wetterdienst, Bundesumweltministerium

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel