Frankreich-Legende im Interview

Welt- und Europameister Petit: „Momentan ist Mbappé eines Kapitäns unwürdig“

Emmanuel Petit bestritt zwischen 1990 und 2003 insgesamt 63 Länderspiele für Frankreich.

Emmanuel Petit bestritt zwischen 1990 und 2003 insgesamt 63 Länderspiele für Frankreich.

Emmanuel Petit weiß, wie man große Titel gewinnt. 1998 wurde er mit der französischen Nationalmannschaft Welt-, zwei Jahre später Europameister. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), zu dem auch der Sportbuzzer gehört, spricht der frühere Weltklasse-Mittelfeldspieler über die bisher überschaubaren Leistungen der aktuellen Equipe Tricolore bei der laufenden EM und blickt auf das Halbfinale am Dienstag (21 Uhr/ZDF und MagentaTV) in München zwischen den Franzosen und Deutschland-Bezwinger Spanien voraus.

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Monsieur Petit, warum hat Frankreich trotz der zahlreichen Top-Stars in der Offensive im bisherigen Turnierverlauf kein Tor aus dem Spiel heraus erzielt?

Emmanuel Petit (53): Diese mangelnde Offensiv-Wucht bei der Equipe Tricolore ist ein ewiges Thema in Frankreich. Sie hat mit der vorsichtigen Spielweise von Nationaltrainer Didier Deschamps zu tun. Es handelt sich dabei um die ewige Debatte zwischen den Pragmatikern und den Romantikern. Am Ende werden einzig und allein die Sieger in Erinnerung bleiben - nur das zählt. Die Art und Weise, wie Erfolge zu Stande gekommen sind, interessiert niemanden mehr. Die Spieler und der Trainerstab denken völlig anders als die Medien und die Fans. Insofern gehen sie weiterhin ihren Weg und sind von sich komplett überzeugt.

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Trotz der unattraktiven Spielweise steht Deschamps in Frankreich kaum in der Kritik.

Er ist seit zwölf Jahren Frankreichs Nationaltrainer. All seine Erfolge hat er stets mit einer starken Abwehr gebaut. Seine Philosophie lautet: Erst muss die Null stehen und anschließend wird versucht, selbst ein Tor zu erzielen. Sobald die Basis geschaffen wurde, werden die individuellen Stärken ins Spiel gebracht. Bei dieser Europameisterschaft klappt die Defensivarbeit wahnsinnig gut, Frankreich lässt kaum Chancen der Gegner zu, Die Offensive funktioniert hingegen so gut wie gar nicht.

Wo sehen Sie die Hauptgründe für diese mangelnde Durchschlagskraft?

Seit zehn Jahren ist Antoine Griezmann ein Eckpfeiler dieser Mannschaft, aber bei der EM wirkt er kraftlos. Er ist nie in der Lage, den entscheidenden Pass zu spielen - was eigentlich seine große Stärke ist. Bei Kylian Mbappé ist es genau dasselbe. Er ist alles andere als effektiv im Abschluss. Außerdem wissen die Gegner, wie man ihn stoppt. Frankreich unter Deschamps ist aber nur erfolgreich, wenn diese Spieler ihre individuelle Klasse ausspielen, was momentan zu selten der Fall ist.

Wäre es angesichts seiner Probleme sogar eine Option, Mbappé gegen Spanien zunächst auf der Bank zu belassen?

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Mbappé muss gegen Spanien spielen. Aber nur, weil der Gegner Spanien heißt. Sonst hätte ich ihn tatsächlich auf der Ersatzbank gelassen. Dass er im Viertelfinale gegen Portugal erst in der Halbzeit der Verlängerung ausgewechselt wurde, war eigentlich viel zu spät. Er hätte spätestens nach einer Stunde raus gemusst. Seit Beginn dieser EM ist er nicht auf der Höhe. Er ist körperlich nicht fit, zudem behindert ihn seine gebrochene Nase. Momentan ist er eines Kapitäns unwürdig, er übernimmt zu wenig Verantwortung auf dem Platz. Ich traue ihm jedoch zu, dass er im Halbfinale plötzlich explodiert.

Frankreich kommt bei großen Turnieren immer dann weit, wenn die Mannschaft als Einheit auftritt. Ist dies bei dieser Europameisterschaft der Fall?

Auch wenn die Equipe de France gerade spielerisch wenig überzeugt, ist die Stimmung in der Kabine richtig gut. Dieser Mannschaftsgeist kann diese Elf sehr weit tragen. Wenn sie unter Druck gerät und vor dem Aus steht, schafft sie es jedes Mal, wieder aufzustehen und das Spiel zu drehen. Das ist die DNA dieser Mannschaft.

Was hat Sie bei den Franzosen während des Turnierverlaufs neben den offensiven Problemen noch negativ überrascht?

Dass beim Elfmeterschießen gegen Portugal nur Spieler Verantwortung übernommen haben, die meistens auf der Bank sitzen oder wenige Länderspiele auf ihrem Konto haben - wie etwa Bradley Barcola oder Youssouf Fofana. Wo waren eigentlich die gesetzten Spieler, die Bosse dieses Teams?

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Was für eine Partie kann man gegen Spanien erwarten ?

Dieser Gegner ist stärker einzuschätzen als Portugal oder Belgien. Spanien war bisher mit der DFB-Elf die Mannschaft, die rein spielerisch am meisten überzeugen konnte. Auf jeder Position ist dieses Team stark besetzt. Zwar sind Dani Carvajal und Robin Le Normand gelbgesperrt, Pedri verletzt - aber die Spanier verfügen über eine ungemeine Qualität auf der Ersatzbank. Jeder ihrer Spieler kann Frankreich weh tun. Meiner Meinung nach sind sie als Mannschaft stärker und besser eingespielt als die Equipe Tricolore. Nichtsdestotrotz erwarte ich eine enge Partie und auf Seiten der Franzosen eine deutliche Steigerung, insbesondere von Mbappé und Griezmann.

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