Kommentar zum Bundeswehr-Etat

Die Ampel verpasst ihre letzte Chance auf Lehren aus der Zeitenwende

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, muss mit dem arbeiten, was ihm der Haushalt für 2025 zuschreibt. Das ist weniger als erwartet und zeigt, dass die Ampelkoalition die Zeitenwende immer noch nicht verinnerlicht hat, kommentiert RND-Hauptstadtkorrespondent Steven Geyer.

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, muss mit dem arbeiten, was ihm der Haushalt für 2025 zuschreibt. Das ist weniger als erwartet und zeigt, dass die Ampelkoalition die Zeitenwende immer noch nicht verinnerlicht hat, kommentiert RND-Hauptstadtkorrespondent Steven Geyer.

Berlin. Wenn es nach dem absehbaren Ende der Ampelregierung darum gehen wird, warum ein solches Bündnis jenseits der CDU/CSU gescheitert ist, werden die Beteiligten vor allem auf den Krieg verweisen: Dass Russland die Ukraine überfallen hat, habe alle vorherigen Annahmen über den Haufen geworfen, alle gemeinsamen Pläne zerstört, wird es dann heißen – vor allem von SPD und Grünen.

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Da ist zwar etwas dran. Mit Mitleid wird man die Scholz-Regierung trotzdem nicht überschütten müssen. Denn alle drei Koalitionsparteien haben vor der Bundestagswahl 2021, die die SPD zur Kanzlerpartei machte, Entscheidungen getroffen, die sie in ihrer Amtszeit auslöffeln mussten: Die SPD, indem sie jahrelang alle Warnungen vor den Gefahren in den Wind schlug, die von Wladimir Putin ausgingen, und Deutschland in eine Abhängigkeit von Russland manövrierte, durch die der Krieg hierzulande erst so schwere Folgen hatte. Die Grünen, indem ihnen die interne Frauenquote wichtiger war als die externen Erfolgsaussichten, sodass Annalena Baerbock ihre Kandidatur verstolperte und das Wahlergebnis so sehr drückte, dass man die FDP an Bord holen musste. Und die FDP, weil sie sich vier Jahre zuvor einer Regierungsbeteiligung verweigert hatte und nun in ein Bündnis eintreten musste, in das sie nie gepasst hat.

Es mangelt an Weitsicht

Was all diese Fehlentscheidungen eint, ist der Mangel an Weitsicht. Das ist erwähnenswert, weil der Generalangriff auf die Ukraine ja als Augenöffner gilt: Der Bundeskanzler attestierte eine Zeitenwende, halb Deutschland musste umdenken. Was allerdings für die Ampel nicht daraus folgte, war ein Neustart. Alle drei Parteien versuchten, ihre Vorkriegsziele mit den neuen Aufgaben zu verbinden – und scheiterten daran.

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Am vorigen Freitag erweckten Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister zwar den Eindruck, das nun endlich doch noch begriffen zu haben: „Das waren nicht Haushaltsberatungen“, sagte FDP-Chef Lindner, „wir haben uns neu der gemeinsamen Grundlagen unseres Regierungshandelns verständigt.“ Aber hätten sie das wirklich, hätte die zentrale Frage für ihren Haushalt sein müssen, was Putins Krieg und seine fortlaufende Aufrüstung für Deutschland und Europa bedeuten.

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Analysten beobachten, dass die russische Kriegswirtschaft gezielt dafür eingesetzt wird, die Waffenlager zu füllen. Bis 2029 dürfte die russische Armee ausreichend Waffen und Soldaten haben, um nach der Ukraine auch die Nato an der Ostflanke herausfordern zu können: 1,5 Millionen Mann sollen dann in Russland unter Waffen stehen – mehr als in der gesamten EU. Schon im nächsten Jahr könnte Donald Trump erneut US-Präsident werden – und der größte Nato-Geldgeber nur noch Staaten helfen, die 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für ihre Armeen ausgeben.

Olaf Scholz weiß, dass er sich beim Nato-Gipfel in dieser Woche nur damit brüsten kann, das derzeit zu schaffen, weil er den einmaligen 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bundeswehr hineinrechnet. Doch der ist längst verplant und bis 2028 ausgegeben. Dann müsste eine künftige Bundesregierung auf einen Schlag zusätzliche 28 Milliarden Euro für die Bundeswehr aufbringen.

Der Etat der Bundeswehr reicht bei Weitem nicht

Von der heutigen Ampel hat sie dabei leider keinerlei Hilfe zu erwarten: Weil die FDP die Macht hat, die Koalition zu sprengen und sich zugleich neuen Schulden und Steuern verwehrt, soll der Etat der Bundeswehr im kommenden Jahr nur um schmale 1,2 Milliarden Euro steigen. Das geht in der SPD vielleicht als Pazifismus durch, in der FDP als Sparsamkeit und bei den Grünen als ausgleichende Gerechtigkeit für die gestrichene Kindergrundsicherung. Von Weitsicht kann aber keine Rede sein.

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Denn klar ist, dass sich damit weder neue Marschflugkörper kaufen noch ein neues Raketensystem entwickeln lassen – obwohl beides zur Erfüllung von Nato-Zusagen gebraucht wird und zur Abschreckung Putins geboten wäre. Über einen allmählichen Wiederaufbau von Strukturen für eine neue Wehrpflicht braucht man gar nicht erst zu sprechen.

Kurz: Die Lehre daraus, dass Putins Krieg eine Zeitenwende für Europa darstellt, hat die Ampel immer noch nicht gezogen. Es wäre, gute zwei Jahre nach Russlands Generalangriff, ihre letzte Chance gewesen.

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