Neue Kreativitätsmethode

„Wir spielen nicht, wir arbeiten“: Wie Unternehmen mit Lego und Playmobil Teambuilding lernen

Mit Lego kreativ werden – dieses Ziel verfolgen die „Lego Serious Play"-Workshops.

Mit Lego kreativ werden – dieses Ziel verfolgen die „Lego Serious Play"-Workshops.

Manchmal muss Jens Dröge rote Köpfe kaufen. „Rote Köpfe drücken Wut aus“, sagt der Unternehmenscoach. Im Spielzeugladen findet er, was er sucht: rote Köpfe für Lego-Figuren. Der Berater und Workshopleiter aus Metzingen nutzt die Klemmbausteine des dänischen Herstellers für seine Arbeit mit den Beschäftigten in Firmen und Behörden. Wut spielt dort offenbar häufig eine große Rolle.

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Seit gut 20 Jahren treibt Lego das Geschäft mit seinen Steinen in der Erwachsenenbildung voran. Lego Serious Play (LSP) nennt sich der markenrechtlich geschützte Zweig, der offenbar gut läuft. Vier Kästen bieten die Dänen zu Preisen von 25 Euro (für 234 Teile) bis 700 Euro (für 2808 Teile) an. Bausätze sind das nicht. Es gibt keine Anleitung, wie die Steine zu einem Modell zusammenzufügen sind. Es sind reine Teilesammlungen, die Fantasie und Kreativität anstacheln sollen.

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Lego kehrt damit zurück zu seinen Wurzeln in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, als man ähnliche Kästen für Kinder anbot. Längst hat man aber auch am Firmensitz in Billund gelernt, dass sich mit Modellen, die einmal gebaut im Regal verstauben, mehr Geld verdienen lässt, weil ja Nachschub hermuss. Wohl deshalb sind die Steinesammlungen heute eine Ausnahme im Programm.

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LSP-Workshops haben ihren Preis

Lego-Figuren finden sich in den LSP-Kästen, verschiedene bunte Steine, Verkehrszeichen, Absperrgitter, Boote und vieles mehr. Nur rote Köpfe sind eben nicht dabei. Dafür aber Tiere, vor allem große, graue Elefanten. Workshopteilnehmende griffen gern zu den Dickhäutern, um Langsamkeit oder Bürokratie darzustellen. Das sei ihm aber zu einfach, betont Dröge. Man solle lieber selbst etwas aus Steinen zusammenbauen, das sei kreativer. Und wie: Nur sechs klassische Lego-Steine mit je acht Noppen lassen sich auf sagenhafte 915.103.765 verschiedene Arten zusammenfügen. Kreativität – genau darum geht es bei Lego Serious Play.

Natürlich läuft so ein Workshop deutlich anders ab als ein Vormittag in der Spielecke einer Kita. Auch wenn das Werkzeug dasselbe ist. Entscheidende Bedeutung kommt dem Moderator zu, der die Stunde leitet. Und der hat seinen Preis: Je nach Dauer eines Workshops und je nach Anbieter werden zwischen etwa 1000 und 4000 Euro pro Tag aufgerufen. Der Moderator müsse den Teilnehmenden vor allem eins klarmachen, betont Dröge: „Wir spielen nicht, wir arbeiten.“

Unausgesprochenes wird sichtbar

Die Methode LSP sei unter anderem gut geeignet, um Werte und Ziele zu entwickeln, Veränderungen zu gestalten oder die Teamarbeit zu verbessern, indem alle einbezogen werden. Die gebauten Objekte sind oft Metaphern. Sie können Unterbewusstes sichtbar machen, Unausgesprochenes begreifbar. Dröge berichtet von einer Mitarbeiterin eines Kunden, die ihre Situation im Unternehmen mit Lego darstellen sollte. Am Ende stand ein Klumpen aus schwarzen Steinen vor ihr. Das war auch für sie selbst erschreckend. Manchmal sind rote Köpfe nicht genug.

Dem geschulten und zertifizierten LSP-Moderator komme die Aufgabe zu, die Stimmung in der Gruppe zu erspüren und teilnehmende Chefs nötigenfalls zu zügeln, damit sie nicht die Meinungsführerschaft übernehmen. „Wer zu mir kommt, hat Schmerzen“, weiß Dröge, es laufe bei seinen Kunden nicht rund, es stünden Aufgaben an, die man noch nicht zu bewältigen weiß.

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„Wir beobachten, dass solche Angebote ganz besonders relevant für Kolleginnen und Kollegen sind, die in den Hochphasen der Covid-19-Pandemie zu uns gestoßen sind.“

Unternehmenssprecherin von Visa

Auch Großkonzerne setzen auf Lego

Lego kann da offenbar helfen: Es lockere „traditionellere Organisationen von innen auf und etabliert ein spielerisches Gefühl in ihnen: die Fähigkeit, in jeder Situation Potenzial zu erkennen und darauf zu antworten“, schreibt Pat Kane in seinem Buch „The Play Ethic“. So ist im Management vieler Unternehmen der Stein mit Noppen schwer zu toppen. Von Coca-Cola und SAP, Microsoft, Allianz, Siemens, Google und Visa bis hin zu den SOS-Kinderdörfern reicht die Liste derer, die mit Lego den Stein der Weisen für ihre Probleme zu finden hoffen. Selbst andere Spielzeughersteller wie Schleich greifen in diesem Fall ausnahmsweise mal zu Lego.

Was sie im Einzelnen damit erreicht haben, bleibt oft Firmengeheimnis. Der Kreditkartenanbieter Visa immerhin ließ gegenüber der „Wirtschaftswoche“ durchblicken, dass Lego-Workshops genutzt würden, um Teams zu stärken und neue Mitglieder besser einzubeziehen. „Wir beobachten, dass solche Angebote ganz besonders relevant für Kolleginnen und Kollegen sind, die in den Hochphasen der Covid-19-Pandemie zu uns gestoßen sind“, sagte eine Visa-Sprecherin gegenüber der Zeitschrift.

Lego bekommt Konkurrenz

Auf etwa 2000 bis 5000 schätzt David Hillmer die Zahl der zurzeit zertifizierten LSP-Trainer in Deutschland. Mit seinem Wiesbadener Unternehmen Helloagile bildet er selbst rund 500 pro Jahr aus. Eine Sättigung befürchtet er nicht. „Das wird ein Nischenthema bleiben“, sagt Hillmer, „aber ein langfristiges.“ LSP liege im Trend, und der Höhepunkt sei noch nicht erreicht.

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Auch ein großer Lego-Rivale hat längst eine Antwort auf LSP gefunden: Bei Playmobil Pro stehen die Figuren im Vordergrund. Sie eigneten sich gut für Rollenspiele oder um Abläufe darzustellen. Wertschätzendes Verhalten und Szenen, die zeigen, wie etwas im Unternehmen gut oder schlecht gelaufen ist, ließen sich als Dioramen aufbauen, erläutert Dröge. Er könne inzwischen aber auch ganze Playmobil-Baustellen mit Kränen und Lastwagen ausstatten, die er für einen Unfallverhütungsworkshop besorgt habe. „Playmobil Pro macht dort weiter, wo Lego Serious Play an seine Grenzen kommt“, sagt Dröge. Er sieht die Spielwelten in seiner Arbeit als gute Ergänzung.

Lego und Playmobil entdecken die Erwachsenenwelt

Ob hier allerdings am Ende doch nur Konzerne in schweren Zeiten neue Absatzmärkte für ihr Spielzeug gesucht und gefunden haben? Und wenn schon. Es wird ja niemand gezwungen, LSP oder Playmobil Pro auszuprobieren.

Klar, Playmobil durchlebt gerade eine Krise, und Lego ging es in den Neunzigerjahren nicht gut, die Kinder griffen lieber zum Gameboy. Der Firmengeschichte zufolge soll der damalige Chef Kjeld Kirk Kristansen Lego vor dem Verderben bewahrt haben, indem er selbst unternehmerische Probleme spielerisch anging. Zwei Professoren der privaten Wirtschaftshochschule in Lausanne unterstützten ihn dabei. Das Experiment gelang – und wurde als Lego Serious Play auch noch zum Geschäftsmodell.

Dass man mit Lego ältere Zielgruppen ansprechen kann, hatte der Familienbetrieb aus Billund recht früh bemerkt. So gab es 1972 die Spielesammlung „Denken mit Lego“ für „Kinder und Erwachsene“. Letztere hatten die Dänen aber auch schon vorher im Blick, schließlich waren in der Regel sie es, die das Geld für die noch nie günstigen Baukästen lockermachen mussten.

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Seit den Fünfzigerjahren zeigten Fotos in den Lego-Katalogen neben Kindern auch immer wieder Erwachsene, die nicht nur die Bauwerke der Kleinen bewunderten, sondern auch selbst Stein auf Stein setzten. „Ein Spielzeug für jedes Alter“, stand darunter. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Und vielleicht entspannen die Klötzchen den einen oder anderen Erwachsenen heute auch schon, bevor mal wieder rote Köpfe knapp werden.

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