Braucht es mehr Flexibilität?

Pilotstudie zur Viertagewoche: Firmen haben Schwierigkeiten mit deutlich kürzeren Arbeitszeiten

Wirklich nur an vier Tagen in der Woche zu arbeiten gelingt in vielen Firmen, die an der Studie teilnehmen, nicht. Stattdessen werden flexible Arbeitszeitmodelle bevorzugt. Eines davon ist, an fünf Tagen zu arbeiten – dafür aber weniger Stunden.

Wirklich nur an vier Tagen in der Woche zu arbeiten gelingt in vielen Firmen, die an der Studie teilnehmen, nicht. Stattdessen werden flexible Arbeitszeitmodelle bevorzugt. Eines davon ist, an fünf Tagen zu arbeiten – dafür aber weniger Stunden.

Bei der ersten Pilotstudie zur Viertagewoche in Deutschland werden erstmals die Schwierigkeiten bei der Umsetzung deutlich. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Zwischenbericht hervorgeht, gelingt es vielen der teilnehmenden Firmen nicht, die vorgesehene Arbeitszeitreduzierung umzusetzen. Auch die organisatorischen Veränderungen stellen die Teilnehmer vor Herausforderungen.

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Fast die Hälfte der Firmen (48 Prozent) hat die Arbeitszeit lediglich um 10 Prozent oder noch weniger reduziert. Zu Beginn des Projekts war noch die Rede davon, dass das bewährte 100-80-100-Modell erprobt werden soll. Das sieht vor, dass bei vollem Gehalt, aber in nur 80 Prozent der Zeit die gleiche Produktivität wie zuvor erreicht werden soll. Das Prinzip geht auf die Organisation 4 Day Week Global zurück, die das deutsche Pilotprojekt gemeinsam mit der Beratungsagentur Intraprenör koordiniert.

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Nun zeigt sich, dass nur 38 Prozent der Firmen ihre Arbeitszeit tatsächlich um 20 Prozent reduziert haben. 15 Prozent der Firmen verkürzten die Zeit um 11 bis 19 Prozent. Daneben zeigt sich, dass es nicht allen Beschäftigten gelingt, die vereinbarte Arbeitszeit einzuhalten. „In den meisten Unternehmen haben 50 Prozent der Mitarbeitenden angegeben, dass sie schon voll und ganz mit der verkürzten Arbeitszeit arbeiten. Bei einigen klappt es aber auch noch nicht, die verkürzte Arbeitszeit einzuhalten“, erklärt Julia Backmann, die wissenschaftliche Leiterin der Studie von der Universität Münster.

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Spürbare Arbeitszeitreduzierung bei gleichem Gehalt

„Die Viertagewoche scheint ein Synonym für kreative Arbeitszeitmodelle zu sein. Dabei sind wir in Deutschland konservativer mit der Arbeitszeitverkürzung als in anderen Ländern“, sagt Carsten Meier von der Beratungsfirma Intraprenör. Bisher seien zwölf unterschiedliche Modelle der Viertagewoche beobachtet worden. Diese Vielfalt sei nicht überraschend, sondern notwendig, um den individuellen Bedürfnissen der Organisationen entgegenzukommen, erklärt Meier, der das Pilotprojekt koordiniert. „Wir wollten es den Unternehmen ermöglichen, flexibel zu sein.“

Tatsächlich wurden auch in anderen Ländern unterschiedliche Modelle erprobt. In einem der frühestens Tests in Island wurde die Viertagewoche ausdrücklich eher als eine Art Etikett verstanden, während es eigentlich um eine Arbeitszeitreduzierung von vier bis fünf Stunden bei vollem Gehalt ging. Auch der deutsche Versuch zeigt jetzt, dass es für viele Beschäftigte attraktiver ist, selbstbestimmt über die Arbeitszeit zu entscheiden.

So zeigt das Beispiel eines Nürnberger Kita-Trägers, der an der Studie teilnimmt, dass sich zunächst nur 10 Prozent der Belegschaft für die Möglichkeit einer Viertagewoche entschieden haben. Für die meisten anderen war es weiterhin attraktiver, an fünf Tagen, aber dafür kürzer zu arbeiten.

Veränderungen wurden unterschätzt

Die Testphase läuft offiziell noch bis Ende Juli. Den ursprünglichen Start im Februar haben allerdings nur 52 Prozent der Firmen eingehalten. Die anderen starteten erst später oder sie testeten das Modell nur phasenweise. „Oftmals wurde die Umstellung von Arbeitsweisen und Prozessen, die für eine erfolgreiche Viertagewoche notwendig sind, unterschätzt“, heißt es im Bericht. Zwei Firmen haben den Test sogar vorzeitig beendet. Eine Organisation hat den Start auf 2025 verschoben.

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Manche Unternehmen hätten auch feststellen müssen, dass sie vor dem Start nicht genügend Anpassungen der täglichen Arbeit definiert hatten. Außerdem sei es nicht immer leicht, die tägliche Arbeit aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Zeit zu investieren, um Arbeitsprozesse zu optimieren, damit die Viertagewoche langfristig funktioniert.

Carsten Meier sieht darin ein klassisches Problem, wenn sich Unternehmen auf den Weg machen, bestehende Strukturen aufzubrechen. Es gehe bei der Viertagewoche nicht nur um eine Reduktion von Arbeitszeit. „Die Zwischenergebnisse zeigen, dass die Einführung der Viertagewoche ein Veränderungsprojekt ist. Deswegen sind immer wieder Anpassungen nötig, auch während des Pilotprojekts selbst.“

Höhere Bewerberzahlen und größere Autonomie

Der Zwischenbericht deutet aber auch die Potenziale der Viertagewoche an, beispielsweise bei der Arbeitgeberattraktivität und der Mitarbeitermotivation. So berichten Teilnehmende beispielsweise von erhöhten Bewerberzahlen bei gleichbleibender Qualität. Als weiterer Erfolgsfaktor wird die aktive Einbeziehung der Mitarbeitenden genannt. „Diese haben selbstständig Anpassungen im Alltag vorgeschlagen und umgesetzt, was ihre Verantwortungsübernahme und ihr Engagement verstärkt hat.“

Die teilnehmenden Firmen würden außerdem berichten, dass die vermehrte freie Zeit dazu führe, Themen tiefer und kreativer zu durchdenken und damit Arbeitsweisen zukunftsfähig weiterzuentwickeln.

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Der Zwischenbericht basiert auf den ersten quantitativen Befragungen und über 300 Interviews mit Geschäftsführern, Initiatoren, Führungskräften und Mitarbeitenden. Die Veröffentlichung des Abschlussberichts ist für Oktober geplant.

Info: 45 Firmen aus ganz Deutschland nehmen an der Pilotstudie teil. Die größte Teilnehmergruppe stellen IT-Unternehmen (14 Prozent) und Beratungsfirmen (12 Prozent), gefolgt von Einzelhandel und Gastronomie (11 Prozent) und der Immobilien- und Baubranche (10 Prozent). Daneben sind mehrere Handwerksbetriebe, Energieversorger, Anwaltskanzleien, Steuerberatungen, Industriebetriebe und Gesundheitsanbieter vertreten. Auch einige gemeinnützige Einrichtungen und Behörden nehmen an dem Test teil. Die Testphase läuft von Februar bis Juli 2024.

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