„Der Bau profitiert von Diversität“

Baubranche muss weiblicher werden – aber wie?

Frauen in der Baubranche sind immer noch in der Unterzahl.

Frauen in der Baubranche sind immer noch in der Unterzahl.

Muskulöse Männer, schwere Maschinen und ein rauer Ton: Diese Vorstellungen vom Bauen sind noch weit verbreitet. Und tatsächlich entsprechen sie zumindest teilweise der Realität. Ob beim Rohrleitungsbau, dem Beton- und Stahlbau oder der Bodenverlegung – in den bauhauptgewerblichen Berufen ist der Anteil weiblicher Mitarbeitenden mit unter zwei Prozent verschwindend gering.

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Anders sieht es bei den akademischen Berufen aus: Bei den Bauingenieurinnen, die in Unternehmen tätig sind, beträgt der Anteil 28 Prozent, im Bereich Architektur ist sogar mehr als die Hälfte der Beschäftigten weiblich.

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Ein grundlegender Wandel im Bauhauptgewerbe ist zwar noch nicht abzusehen; aber immerhin steigt die Zahl der weiblichen Auszubildenden leicht an. Doch die Branche möchte die verschiedenen Berufe auch für Frauen deutlich attraktiver machen – nicht zuletzt wegen des drohenden Fachkräftemangels.

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Baubranche braucht Imagewandel

Bis 2030 werden voraussichtlich an die 100.000 Stellen in der Baubranche besetzt werden müssen. „Es ist geradezu absurd und töricht, die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in unsere Fachkräfteplanung und -gewinnung nicht mit einzubeziehen“, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB).

Erforderlich ist unter anderem ein Imagewandel. Noch bis 1994 war es Frauen in Westdeutschland verboten, auf dem Bau zu arbeiten. Das Klischee der klassischen Männerberufe hat sich seither gehalten.

Dabei seien die ursprünglich mit der Branche verknüpften Assoziationen wie die körperlich anstrengende Arbeit größtenteils nicht mehr zutreffend, sagt Fanny Stegemann, Sprecherin des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB): „Ferner erleichtert die fortschreitende Technisierung und Digitalisierung die Arbeit an vielen Stellen. Zudem wird zukünftig noch mehr fachliches Know-how im Vordergrund stehen, welches sowohl von Frauen als auch Männern gleichermaßen eingebracht werden kann.“

Rauer Umgangston und Sexismus

Müller verweist auf Studien, die belegen, dass es hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit weniger Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt als innerhalb der jeweiligen Gruppe. Als Problem sieht er eher, dass auf Baustellen oftmals ein rauer Umgangston herrsche und vereinzelt Sexismus zu beobachten sei: „Die Kritik an Umgangsformen ist real“, sagt der Verbandschef. Unternehmen sollten aktiv dagegen angehen und bei weiblichen Angestellten gezielt nachfragen. Außerdem sollten die Vorgaben der Arbeitsstättenrichtlinie konsequenter eingehalten werden, die etwa getrennte Sanitärbereiche vorsieht.

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Frauen als Exotinnen

In manchen baugewerblichen Berufen ist die Zahl der weiblichen Beschäftigten kaum messbar. Im Rohrleitungsbau etwa beträgt ihr Anteil nur 0,5 Prozent. Viel besser sieht es auch nicht im Beton- und Stahlbau oder in der Dachdeckerei aus. Immerhin war in den vergangenen zehn Jahren ein leichter Anstieg zu beobachten. Etwas häufiger arbeiten Frauen als Glaserin (3,5 Prozent) oder Malerin und Lackiererin (7 Prozent). Diese Berufe scheinen für sie zunehmend attraktiv zu werden. Hoffnung machen vor allem die Nachwuchszahlen: So beträgt der Anteil weiblicher Auszubildender im Maler- und Lackierbereich fast 20 Prozent, in der Bautischlerei sind es knapp 14 Prozent. Schwierig bleibt die Situation etwa im Straßen- und Asphaltbau oder im Maurerhandwerk: Hier absolvieren nur 1,8 beziehungsweise 2 Prozent Frauen eine Ausbildung.

Die Arbeitsbedingungen für Frauen zu verbessern, reiche aber allein nicht aus, so Müller weiter: „Es geht vielmehr auch um die gleichberechtigte Wahrnehmung von Frauen in Teams beziehungsweise die selbstverständliche Anerkennung als Führungskraft, die nicht immer gegeben ist.“ Er hofft darauf, dass es immer mehr Role Models geben wird, „also Frauen mit Vorbildfunktion, die von ihren Tätigkeiten und ihrem Werdegang berichten.“ Sie könnten vermitteln, welche Wege und Ziele Frauen in der Baubranche verfolgen und welche Hürden sie überwinden müssen.

Viele Frauen scheuen Verantwortung

Eine von ihnen ist die Bauingenieurin Heike Böhmer, die das Institut für Bauforschung (IFB) leitet. Ihrer Ansicht nach meiden viele Frauen die Baubranche, weil Familie und Beruf schwer zu vereinbaren seien. Außerdem sei es schwierig, in Teilzeit zu arbeiten und werde oft eine hohe Flexibilität erwartet.

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Vor allem aber scheuten ihrer Erfahrung nach viele Frauen unbewusst Verantwortung. Das ändere sich allerdings seit einigen Jahren – vor allem in der Bauleitung. Zunehmend zähle die fachliche Qualität, sagt Böhmer in einem Interview des RKW Kompetenzzentrums der Deutschen Wirtschaft: „Diese Rolle übernehmen immer mehr qualifizierte Frauen. Sie leiten mittlerweile die größten Projekte in verantwortlicher Position.“

Insbesondere Berufe wie Bauleiterin, Bautechnikerin, Stadtplanerin, Bau- und Wirtschaftsingenieurin böten viele Möglichkeiten, ergänzt Stegemann: „Dieses vielfältige Tätigkeitsspektrum von Frauen in Bauberufen muss mehr in den Vordergrund gerückt und sichtbarer gemacht werden.“ Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine Angleichung der Gehälter. Denn laut Arbeitsmarktreport 2024 der Bauindustrie liegen diese bei hochqualifizierten Frauen noch deutlich unter denen ihrer männlichen Kollegen.

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Netzwerke stärken Frauen in der Baubranche

Auch Unterstützung der Frauen untereinander ist hilfreich. Der HDB hat deshalb das FrauenNetzwerk-Bau ins Leben gerufen. Schirmherrin ist Bundesbauministerin Klara Geywitz. In Berlin gibt es zudem das Netzwerk n-ails für Architektinnen, Innenarchitektinnen, Ingenieurinnen, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplanerinnen. Diese Netzwerke bieten weiblichen Fachkräften eine Plattform für Austausch, Wissensvermittlung und Mentoring. Frauen können darüber Ansprechpartnerinnen finden, die sie beim Einstieg in die Branche unterstützen und ihre Karriere fördern.

Müller erhofft sich von der Vernetzung gar einen Kulturwandel in der Branche: „Denn der Bau profitiert von unterschiedlichen Blickwinkeln, von verschiedenen Arbeits- und Herangehensweisen, von Diversität auf der Baustelle“, betont er. Frauenführung sei geprägt von weniger Hierarchiedenken, ergänzt Böhmer. Im Fokus stehe vor allem das Ergebnis. Außerdem werde Verantwortung anders verteilt. „Frauen haben zudem ein ausgeprägtes Gefühl für soziale Probleme“, sagt sie.

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Stegemann ist davon überzeugt, dass weibliche Führungskräfte und Mitarbeiterinnen Teams mit ihren Perspektiven bereichern. Ihr Ministerium verfolgt mit der Förderung von Frauen in der Baubranche noch weitere Ziele: „Es werden gute Ideen gebraucht, wie wir unsere Städte zukünftig gestalten wollen. Dahingehend fördert das BMWSB Gender-Aspekte, zum Beispiel bei der Städtebauförderung oder auch bei Leuchtturmprojekten für die frauengerechte Stadtgestaltung“, erklärt sie.

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