Ein kleiner Fluss umgeben von tropischen Urwaldpflanzen.
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Internationaler Tag der Tropen
Die grüne Lunge der Erde ächzt

2023 erlebte das Amazonasgebiet extreme Hitze. Im Kampf gegen den Klimawandel braucht es die Tropenwälder. Fühlt sich Berlin bald wie Bolognia an?

28.06.2024

Am 29. Juni, dem Internationaler Tag der Tropen, finden weltweit Aktionen zum Schutz der Tropenwälder statt – was nötig erscheint. Weltweit sind im vergangenen Jahr einem Bericht zufolge rund 3,7 Millionen Hektar (37.000 Quadratkilometer) tropischen Urwalds zerstört worden. Das sind rund 400.000 Hektar weniger als noch 2022, wie das World Resources Institute (WRI) im Frühjahr mitteilte. 

Dennoch ist die verlorene Waldfläche größer als Nordrhein-Westfalen. Der Rückgang geht zum Teil auf Brände zurück, hauptsächlich aber auf andere Entwicklungen wie Abholzung. 

Zehn Fußballfelder pro Minute verloren: mäßiger Urwaldschutz 

"Die Welt hat zwei Schritte vorwärts und zwei Schritte zurück gemacht, als es um die Waldverluste des letzten Jahres ging", erklärte Mikaela Weisse von der Umweltorganisation "Global Forest Watch" laut einer Mitteilung. Umgerechnet seien im vergangenen Jahr pro Minute Baumbestände in der Größe von zehn Fußballfeldern verschwunden. In Brasilien ging der Verlust 2023 zwar deutlich zurück, trotzdem ist es dem Bericht zufolge noch immer das Land mit dem größten Waldschwund. 

"Die Welt hat zwei Schritte vorwärts und zwei Schritte zurück gemacht, als es um die Waldverluste des letzten Jahres ging."
Mikaela Weisse, "Global Forest Watch"

Kolumbien habe seinen Waldverlust im Vergleich zum Vorjahr fast halbiert, hieß es. "Starke Rückgänge im brasilianischen Amazonasgebiet und in Kolumbien zeigen, dass Fortschritte möglich sind", sagte Weisse. "Aber der zunehmende Waldverlust in anderen Gebieten hat diese Fortschritte wieder weitgehend zunichtegemacht." Besonders stark schwanden Wälder demnach in der Demokratischen Republik Kongo, in Bolivien und in Indonesien.

Dürre, Trockenheit und Waldbrände als mögliche Ursachen 

Dem Amazonasbecken fehlte Ende letzten Jahres das, was es normalerweise reichlich hat: Wasser. Das wasserreichste Gebiet der Welt erlebte die schlimmste Trockenheit seit Beginn der Aufzeichnungen vor über 120 Jahren. Die Auswirkungen für die Menschen, die regionale Wirtschaft sowie die Flora und Fauna in Südamerika waren gravierend. "Im Amazonasgebiet sind Brände in der Regel mit der Entwaldung verbunden. Feuchte, gut erhaltene Wälder brennen nicht einfach so", erklärt Mariana Napolitano von der Umweltorganisation "World Wide Fund For Nature" (WWF). 

Der größte Regenwald und Heimat für zehn Prozent aller Arten auf der Welt ist ohnehin schon seit Jahrzehnten bedroht: durch Trockenzeiten, die Verschmutzung der Flüsse, Brände und Abholzung. In Brasilien hat in den vergangenen knapp vier Jahrzehnten fast ein Viertel des Staatsgebietes gebrannt, wie es in einem im Juni veröffentlichten Bericht der Initiative "MapBiomas" heißt. Das Netzwerk – bestehend aus Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Technologieunternehmen – untersuchte dazu unter anderem Satellitenbilder. "Das Erreichen des für 2030 versprochenen Ziels der Nullabholzung ist für die Bekämpfung des Klimawandels äußerst wichtig", sagte Larissa Amorim vom gemeinnützigen Amazonas-Umwelt-Institut "Imazon". 

"Das Erreichen des für 2030 versprochenen Ziels der Nullabholzung ist für die Bekämpfung des Klimawandels äußerst wichtig."
Larissa Amorim, Forscherin bei "Imazon"

Das Zusammenspiel von Klimawandel, El Niño und zunehmender Abholzung führe zu einer Negativspirale aus immer schlimmer werdenden Dürren und Bränden, sagt Edegar de Oliveira vom WWF. Greenpeace-Experte Batista ergänzt: "Wir wissen, dass diejenigen, die am meisten unter der Klimakrise leiden, genau diejenigen sind, die die globale Erwärmung am wenigsten verursacht haben." 

Ende von El Niño zeichnet sich ab - La Niña könnte kommen 

Das für vielerorts hohe Temperaturen mitverantwortliche Wetterphänomen El Niño dürfte nach einem Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) demnächst enden. Stattdessen werde es mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 70 Prozent in den Monaten August bis November von La-Niña-Bedingungen abgelöst, teilte die WMO Anfang Juni mit. Diese gehen einher mit kühleren Wassertemperaturen an der Oberfläche des zentralen und östlichen Pazifik in Äquatornähe. Die Auswirkungen von La Niña sind in den Tropen und Subtropen deutlicher als zum Beispiel in Europa. 

Das Ende von El Niño bedeute keine Pause im langfristigen Klimawandel, da sich die Erde aufgrund der wärmespeichernden Treibhausgase weiter erwärmen werde, so die WMO. "Unser Wetter wird aufgrund der zusätzlichen Hitze und Feuchtigkeit in unserer Atmosphäre weiterhin extremer sein", sagte die stellvertretende Generalsekretärin der Weltwetterorganisation, Ko Barrett. Nach der aktuellen Prognose müssten zu Beginn von La Niña unter anderem der äußerste Norden Südamerikas, Mittelamerika, die Karibik und Teile Ostafrikas mit überdurchschnittlich viel Regen rechnen. 

 "Unser Wetter wird aufgrund der zusätzlichen Hitze und Feuchtigkeit in unserer Atmosphäre weiterhin extremer sein."
 Ko Barrett, stellvertretende Generalsekretärin der Weltwetterorganisation

2023 war bezogen auf die globale Durchschnittstemperatur mit Abstand das wärmste Jahr seit der Industrialisierung. Unter dem Einfluss von El Niño, der sich im Juni 2023 entwickelte, wurde seitdem für jeden Monat eine Rekordtemperatur registriert. 

Klima-Zeitsprung ins Jahr 2080 

Berlin könnte sich künftig anfühlen wie die italienische Emilia Romagna – und Miami wie Saudi-Arabien: Eine interaktive Karte zeigt jeweils die Stadt oder Region, deren heutiges Klima dem erwarteten künftigen des eigenen Wohnortes am ähnlichsten ist. Ausgearbeitet hat die "Future Urban Climates" genannte Anwendung der Umweltforscher Professor Matthew Fitzpatrick von der US-amerikanischen Universität Maryland. Die Karte zeigt, dass sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit durch das Fortschreiten der Klimakrise bis 2080 Werten angenähert haben könnten, wie sie derzeit für näher am Äquator liegende Regionen typisch sind. Einbezogen sind Daten für mehr als 40.500 Städte und über 5.000 Metropolregionen, wie die Universität mitteilte. 

"In 50 Jahren werden die Städte der nördlichen Hemisphäre den Städten im Süden sehr viel ähnlicher sein", sagte Fitzpatrick. Es gebe derzeit allerdings keinen Ort auf der Welt, der repräsentativ dafür sei, wie sich das Klima in äquatornahen Gegenden wie Mittelamerika, Südflorida und Nordafrika künftig anfühlen werde.#

"In 50 Jahren werden die Städte der nördlichen Hemisphäre den Städten im Süden sehr viel ähnlicher sein."
Professor Matthew Fitzpatrick, Universität Maryland

Infobox: Urwald 

Urwald, also vom Menschen weitgehend unberührter Wald, hat eine große Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt und für die Speicherung von Kohlendioxid (CO2). Mithilfe der Plattform "Global Forest Watch" beobachten zahlreiche Umweltorganisationen unter Leitung des Weltressourceninstitut (WRI) seit 2014 unter anderem mit Satellitentechnik Veränderungen von Waldgebieten weltweit. Das WRI erstellte den darauf basierenden Report jährlich gemeinsam mit Forschenden der US-amerikanischen Universität von Maryland. Der Amazonas-Regenwald gilt als CO2-Speicher und hat eine wichtige Funktion im internationalen Kampf gegen den Klimawandel.

dpa/cva