Ein Becken mit Wasser in einer altertümlichen Badeanstalt oder Heilwasserquelle.
Susanne Benz/ KIT

Weltumwelttag
Klimawandel erzeugt zu viel Wärme – auch beim Trinkwasser

Die Erderwärmung bedroht Natur, Tier und Mensch. Die Trinkwasserqualität ist ebenfalls betroffen. Sind CO2-Entnahmetechniken die Lösung?

05.06.2024

Eine gestern in "Nature Geoscience" veröffentlichte Studie zeigt, dass bis zum Jahr 2100 voraussichtlich mehr als 75 Millionen Menschen in Gebieten leben werden, in denen das Grundwasser den höchsten von einem Land festgelegten Grenzwert für die Trinkwassertemperatur überschreitet. 

Grundwasser bildet das größte ungefrorene Süßwasserreservoir der Welt und ist für das Leben auf der Erde von entscheidender Bedeutung. Wie sich die globale Erwärmung auf dessen Temperatur auswirkt und was das für Mensch und Natur bedeutet, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in ihrer Studie "Global groundwater warming due to climate change" ("Globale Grundwassererwärmung aufgrund des Klimawandels") untersucht. 

Folgen der Erderwärmung für die Trinkwassertemperatur 

Das Klimasystem erwärmt sich. Grund dafür ist die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, welche die Wärmeabstrahlung einschränken. Einen großen Teil dieser Wärme nehmen die Ozeane auf, aber auch Böden und das Grundwasser wirken als Wärmesenken. Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt, wie sich diese Erwärmung der Erdoberfläche räumlich und zeitlich auf das Grundwasser auswirkt. 

"Um die Lücke zu schließen, haben wir die prognostizierten Veränderungen der Grundwassertemperatur bis zum Jahr 2100 auf globaler Ebene dargestellt", sagt Dr. Susanne Benz vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) des KIT, welche die Studie gemeinsam mit Dr. Kathrin Menberg und Professor Philipp Blum vom "Institut für Angewandte Geowissenschaften" (AGW) des KIT erstellt hat. "Wir stellen globale Temperaturkarten für Grundwasser in verschiedenen Tiefen unter der Erdoberfläche zur Verfügung. Diese zeigen, dass an Orten mit flachem Grundwasserspiegel und/oder hoher atmosphärischer Erwärmung weltweit die höchsten Grundwassererwärmungsraten zu erwarten sind." 

Millionen Menschen von zu warmem Trinkwasser betroffen 

Die Studie zeigt, dass die Grundwassertemperaturen bis zum Jahr 2100 je nach zugrundeliegendem Klimaszenario um 2,1 bis 3,5 Grad Celsius ansteigen werden. Solche Szenarien beschreiben verschiedene sozioökonomische Entwicklungen sowie unterschiedliche Verläufe des atmosphärischen Treibhausgasgehalts in der Zukunft. 

"Schon heute leben rund 30 Millionen Menschen in Gebieten, in denen das Grundwasser wärmer ist, als die strengsten Richtlinien für Trinkwasser vorgeben. Das bedeutet, dass das Wasser dort nicht bedenkenlos direkt getrunken werden kann, sondern zum Beispiel abgekocht werden muss. Denn auch das Trinkwasser in den Wasserleitungen wird durch die Wärme im Boden aufgeheizt", so die Wissenschaftlerin. "Je nach Klimaszenario werden bis zum Jahr 2100 bis zu mehrere Hundert Millionen Menschen betroffen sein." 

Nach einem "mittleren" Klimaszenario steige die Zahl auf 77 bis 188 Millionen Menschen, nach dem Szenario mit den höchstmöglichen Treibhausgasentwicklungen auf 59 bis 588 Millionen an, so die Studie. Die starken Schwankungen hängen mit der räumlichen Variabilität des Klimawandels und der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Die geringsten Erwärmungsraten prognostizieren die Forschenden für Gebirgsregionen mit tief liegendem Grundwasserspiegel wie die Anden oder die Rocky Mountains. 

Temperaturänderungen beeinflussen Ökosysteme 

Die Temperatur des Grundwassers spielt eine entscheidende Rolle für die Wasserqualität. Sie beeinflusst eine Vielzahl chemischer, biologischer und physikalischer Prozesse. "Wenn die Bedingungen stimmen, können steigende Grundwassertemperaturen indirekt dazu führen, dass sich schädliche Stoffe wie Arsen oder Mangan im Grundwasser anreichern. Diese erhöhten Konzentrationen können sich negativ auf die menschliche Gesundheit auswirken, insbesondere wenn das Grundwasser als Trinkwasserquelle genutzt wird", sagt Benz. 

Zudem beeinflusse wärmeres Grundwasser den Temperaturhaushalt von Flüssen, grundwasserabhängige Ökosysteme, aquatische biogeochemische Prozesse und das geothermische Potenzial. Dies stelle eine Herausforderung für die biologische Vielfalt dar und berge das Risiko, dass Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe gestört werden. 

Darüber hinaus könnten die erhöhten Temperaturen im oberflächennahen Boden und im Grundwasser kritische Schwellenwerte in den Wasserverteilungsnetzen überschreiten. Dies könnte gesundheitliche Folgen haben, beispielsweise durch das Wachstum von Krankheitserregern wie Legionella spp. "Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Maßnahmen zum Schutz der Grundwasserressourcen zu ergreifen und nachhaltige Lösungen zu finden, um den negativen Auswirkungen des Klimawandels auf das Grundwasser entgegenzuwirken", appelliert Benz. 

"Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Maßnahmen zum Schutz der Grundwasserressourcen zu ergreifen."
Dr. Susanne Benz, KIT

Löst das Entziehen von CO2 aus der Atmosphäre alle Probleme? 

Der Ausstoß an Kohlendioxid steigt unentwegt. Die menschengemachte Erderwärmung nimmt dem Bericht "Indicators of Global Climate Change" ("Indikatoren des globalen Klimawandels", IGCC) zufolge so schnell zu wie nie seit Start der instrumentellen Aufzeichnungen. Allein im vergangenen Jahrzehnt (2014 bis 2023) sei die Temperatur durch Aktivitäten des Menschen um rund 0,26 Grad gestiegen, schreibt das Forschungsteam im Bericht, der heute veröffentlicht wurde. 

Das sei ein Rekord bei der Aufzeichnung mit Messgeräten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreiche, berichtet die internationale Gruppe um Piers Forster von der Universität Leeds im Journal "Earth System Science Data". Ein Jahrzehnt zuvor (2004-2013) waren es nach Angaben der Universität rund 0,20 Grad Erwärmung. Der Anstieg sei einerseits auf den hohen Treibhausgas-Ausstoß zurückzuführen – im Schnitt habe der Mensch im vergangenen Jahrzehnt pro Jahr Treibhausgase mit der Klimawirkung von rund 53 Gigatonnen Kohlendioxid produziert. Andererseits sei die Menge an kühlenden Aerosolen in der Atmosphäre gesunken. Beispielsweise war infolge einer neuen Verordnung für sauberere Schiffskraftstoffe der Gehalt an Sulfat-Aerosolen stark zurückgegangen – mit dem unerwünschten Nebeneffekt, dass diese die Atmosphäre nicht mehr kühlen können. 

Viele Staaten haben zwar begonnen, das Treibhausgas aus der Atmosphäre zu ziehen. Doch für einen ausreichenden Klimaschutz genügt das dem internationalen Bericht "State of Carbon Dioxide Removal 2024" zufolge noch nicht. Am wichtigsten beim Klimaschutz bleibe es weiterhin, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu vermindern, betont das Team um Erstautor Stephen Smith von der Universität Oxford laut der Deutschen Presseagentur. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müsse die CO2-Entnahme und Speicherung auf 7 bis 9 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr steigen. Nur dann könne die Erderwärmung wie in Paris vereinbart möglichst auf 1,5 Grad, zumindest aber auf deutlich unter zwei Grad, begrenzt werden. 

Die Bundesregierung hat erst in der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf zur Speicherung von CO2 vor allem in der Nordsee beschlossen. Dabei soll es um derzeit technisch schwer vermeidbare Emissionen gehen, etwa in der Kalk- und Zementproduktion sowie der Abfallverbrennung. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht in diesem Speicherungsverfahren massive Gefahren für das Ökosystem Nordsee. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Der Gesetzentwurf zur Kohlenstoffspeicherung ist ein gefährlicher Schnellschuss. Die Speicherung von CO2 in geologischen Formationen darf nur unter strengen Rahmenbedingungen für diejenigen Industriezweige zugelassen werden, die ansonsten nicht dekarbonisiert werden können". 

"Der Gesetzentwurf zur Kohlenstoffspeicherung ist ein gefährlicher Schnellschuss."
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH

Moderne Verfahren der CO2-Entnahme erst am Anfang 

Derzeit würden weltweit 2,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr hauptsächlich durch konventionelle Methoden wie Wiederaufforstung aus der Luft entfernt, heißt es in dem internationalen Bericht "Stand der CO2-Entnahme 2024". In der ersten Ausgabe des Reports 2023 waren es noch 2 Milliarden Tonnen. Moderne Verfahren wie die CO2-Entnahme etwa durch Filter machen bislang nur 1,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus und damit weniger als 0,1 Prozent der entzogenen Menge. 

"Wir sind so ein bisschen da, wo wir bei den erneuerbaren Energien vor 30 Jahren waren", sagte Professorin Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig gegenüber der Deutschen Presseagentur. "Wir müssen uns heute überlegen, wie man gerade die neuen technischen Lösungen sozusagen auf die Straße bekommt." Nötig sei es, Demonstrationsanlagen zu bauen, wie es die USA bereits machten, und Lager für CO2 auszuwählen. 

"Wir sind so ein bisschen da, wo wir bei den erneuerbaren Energien vor 30 Jahren waren."
 Daniela Thrän, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

Moderne Verfahren, um der Luft CO2 zu entziehen 

  • Biokohle:
    Dabei werden Pflanzenreste erhitzt und als kohlenstoffreiches Substrat in den Boden gebracht, das kaum abgebaut wird. 
  • Verbesserte Verwitterung von Gestein: 
    An der Oberfläche nehmen viele Steine beim Verwittern CO2 auf. Werden sie zerkleinert, dann entsteht mehr Oberfläche. 
  • Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (DACCS): 
    Große Maschinen entziehen der Luft CO2 und speichern es im Boden. 
  • Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS): 
    Pflanzen entziehen beim Wachsen der Luft CO2. Sie werden bei dem Verfahren verbrannt und das entstehende CO2 wird gespeichert. 

Island-Projekt: ein "Mammut" für die CO2-Abscheidung 

Als bemerkenswertes Projekt nennt der Report die Anlage "Mammoth" (Mammut) des Züricher Unternehmens "Climeworks", die 2024 in Island eröffnet wurde. Sie sei für eine jährliche CO2-Abscheidung von 0,036 Millionen Tonnen ausgelegt, was fast neunmal so viel sei wie bei der bislang weltweit größten Anlage "Orca" derselben Firma. 

Für ihren Bau und Betrieb ist jedoch Energie nötig. "Die Anlage steht natürlich deswegen in Island, weil da in erheblichen Mengen erneuerbare Energien vorhanden sind", sagte Thrän. Für Länder wie Deutschland würden solche Verfahren erst dann interessant, wenn ausreichend grüner Strom verfügbar sei. Für Deutschland gibt es laut Thrän kurzfristig nur eine sehr begrenzte Auswahl an Möglichkeiten, auch weil eine CO2-Infrastruktur und Demonstrationsanlagen fehlten. Sie nannte die Aufforstung, die Kohlenstoffanreicherung im Boden wie etwa Biokohle oder ganzjährige Bodenbedeckung. "Und es geht auch um die Frage, inwieweit man im Rahmen von Moorwiedervernässung auch CO2-Entnahme erreichen kann." 

CO2-Ausstoß steigt weltweit weiter an 

Nach Annahmen des "Global Carbon Project" stieg der globale CO2-Ausstoß 2023 auf den Rekordwert von 40,9 Milliarden Tonnen. Rechne man den Ausstoß von Methan und Lachgas hinzu, entspreche die gesamte Menge der Klimawirkung von rund 55 Milliarden Tonnen CO2, sagte Oliver Geden von der "Stiftung Wissenschaft und Politik" in Berlin, der am Report "Stand der CO2-Entnahme 2024" führend mitgearbeitet hat. Methoden zur Beseitigung der Treibhausgase Methan und Lachgas befinden sich dem Report zufolge zumeist in einem viel früheren Entwicklungsstadium. Die Abscheidung sei schwierig, da die Gase in sehr geringen Konzentrationen in der Atmosphäre vorkämen. 

Der Report selbst verweist auf ein Manko seiner Zahlen: Es bleibe die Tatsache unberücksichtigt, dass einige Aktivitäten "sich als kurzlebiger erweisen könnten – zum Beispiel aufgrund unerwarteter Störungen oder Missmanagements". Allein der Erhalt des CO2-Speichers "Wald" werde eine erhebliche Herausforderung darstellen, schreibt das Team und verweist auf zunehmende Auswirkungen des Klimawandels wie Niederschlagsänderungen, Waldbrände und die Ausbreitung des Borkenkäfers. Das werde wahrscheinlich die Lücke zum Erreichen der nötigen CO2-Entnahme vergrößern. 

Ein kleiner Lichtblick stammt aus dem Bericht "Indicators of Global Climate Change": Es gebe Belege, "dass sich der Anstieg der CO2-Emissionen im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu den 2000er-Jahren verlangsamt hat", schreibt das Forschungsteam. Je nach gesellschaftlicher Entscheidung könnte das aktuelle Jahrzehnt einige Zahlen des Berichts positiv beeinflussen. "Die globalen Temperaturen bewegen sich immer noch in die falsche Richtung und das schneller als je zuvor", sagte Erstautor Forster dennoch. 

Am wichtigsten bleibt die Emissionsminderung 

Ob das Wachstum der CO2-Entnahmetechniken schnell genug geht, ist schwer vorherzusagen. Wichtig sei die nächste Runde der Klimaschutzzusagen der Länder, sagte Geden. Bis 2025 müssen die Länder neue nationale Klimaschutz-Beiträge für die Zeit bis 2035 angeben. "Das wird spannend zu sehen sein", was vor allem die Industriestaaten vorschlagen. "Die Emissionsminderung bleibt der zentrale Hebel gegen die Erderhitzung und die bisherigen Bemühungen reichen bei weitem nicht aus", sagte Simon Wolf von der Organisation "Germanwatch". Zugleich sieht es auch Wolf als wichtig an, "rechtzeitig auf ein Maß an Negativemissionen zu kommen, das wir für einen 1,5 Grad-kompatiblen Pfad brauchen". 

"Die Emissionsminderung bleibt der zentrale Hebel gegen die Erderhitzung."
Simon Wolf, "Germanwatch"

Dabei sollte dem Aufbau und Erhalt von Wäldern, Mooren und Meeres-Ökosystemen aufgrund der Vielzahl der damit verbundenen positiven Effekte Vorrang vor technischen Lösungen gegeben werden.

cva/dpa